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Angriff auf Polizeibeamtin durch Hund

Der nachstehenden Entscheidung liegt die Frage zugrunde, ob ein "Angriff" durch Hunde, der zu einer Bissverletzung führt, einen qualifizierten Dienstunfall darstellen kann.
Was ist ein Angriff im Sinne der gesetzlichen Regelung?
Man wird wohl sagen müssen, dass der Angriff von einem Menschen ausgehen muss, so dass in Fällen dieser Art letztlich das Verhalten des Hundehalters maßgeblich sein wird. Hetzt er seinen Hund auf einen Beamten, dann wird man einen Angriff annehmen dürfen. Der Hund ist dann gewissermaßen Waffe oder "gefährliches Werkzeug".
So lag der Fall hier aber nicht.
Gerprüft werden muss auch stets das zweite denkbare Merkmal, nämlich ob eine besondere Lebensgefahr bestand.

Die hier vorgestellte Entscheidung ist im Ergebnis für Beamte günstiger als die zweite von uns erwähnte, woran Sie erkennen können, dass es sehr auf die Einzelheiten des jeweiligen Geschehens ankommen kann.
Dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin können Sie selbst in der von uns leicht gekürzten Fassung entnehmen, wie schwierig und langwierig die Durchsetzung der Ansprüche auf Dienstunfallversorgung sein kann.


Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 03.07.14 - 26 K 45.12 -


Orientierungssatz

1. Ein rechtswidriger Angriff gegen einen Polizeibeamten als Voraussetzung der Zuerkennung eines erhöhten Unfallruhegehaltes kann auch dadurch gegeben sein, dass ein Hundebesitzer den Angriff seines Hundes gegen den Polizisten nicht unterbindet bzw. beendet, obwohl ihm das möglich ist.(Rn.51)

2. Einzelfall zur Bestimmung der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Basis zur Bestimmung eines Unfallausgleichs nach Dienstunfall eines Beamten (hier: Bildung einer Gesamt-MdE bei körperlichen und psychischen Schäden nach Dienstunfall einer Polizeivollzugsbeamtin).(Rn.30)



Der Beklagte wird verpflichtet,
a) der Klägerin Unfallausgleich auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit für die Zeit vom 18.10.09 bis 18.11.09 in Höhe von 100 v.H., für die Zeit vom 19.11.09 bis 31.10.10 in Höhe von 70 v.H., für die Zeit vom 1.11.10 bis zum 28.02.11 in Höhe von 50 v.H., für die Zeit vom 1.03.11 bis zum 31.07.12 in Höhe von 70 v.H. und für die Zeit ab dem 1.08.12 fortlaufend in Höhe von 50 v.H. nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.03.12 bzw. ab dem Ersten eines Monats pro Rate zu gewähren,
b) der Klägerin eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 80.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.02.12 zu gewähren,
c) der Klägerin ein erhöhtes Unfallruhegehalt ab dem 1.11.11 zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.



Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt zuletzt noch höheren Unfallausgleich, eine einmalige Unfallentschädigung und erhöhtes Unfallruhegehalt.
2 Die Klägerin stand vor ihrer Zurruhesetzung mit Ablauf des 31.10.11 als Lebenszeitbeamtin im Amt einer Polizeiobermeisterin (Besoldungsgruppe A 8) im mittleren Dienst der Schutzpolizei des Beklagten. Am 18.10.09 wurde sie bei einem Einsatz als Diensthundführerin im Außendienst von einem Kampfhund angegriffen.
Mit ihrer Dienstunfallanzeige reichte sie eine ausführliche Schilderung des Ereignisses ein. Dieses erkannte der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 15.12.09 als Dienstunfall mit den Verletzungsfolgen „Hundbissverletzungen beider Arme“
an.
3 Nachdem die Klägerin den Polizeipräsidenten in Berlin unter dem 26.07.10 mit der Begründung, die Vornahme der Diensthandlung sei unter Lebensgefahr geschehen und es habe darüber hinaus auch ein rechtswidriger Angriff vorlegen, zur Anerkennung des Dienstunfalls als Unfall im Sinne von § 37 BeamtVG aufgefordert hatte, teilte dieser mit Schreiben vom 28.07.10 mit, eine derartige Anerkennung komme zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht, da die hierzu erforderlichen Kriterien, zu denen unter anderem die dienstunfallbedingte Versetzung in den Ruhestand gehöre, nicht erfüllt seien; sofern
alle Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt seien, würde der Vorgang zur Prüfung, ob die Bestimmung des § 37 BeamtVG hinsichtlich der besonderen Lebensgefahr in Ausübung des Dienstes erfüllt sei, an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Zustimmung abgegeben werden.
In ihrem „Widerspruch“ vom 02.08.10 machte die Klägerin einen Anspruch auf isolierte Feststellung des Vorliegens der Tatbestandsmerkmale der Vornahme einer Diensthandlung unter Lebensgefahr und des Vorliegens eines rechtswidrigen Angriffs geltend.
Mit Schreiben vom 27.08.10, das mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, teilte der Polizeipräsident in Berlin der Klägerin mit, gemäß der Sachverhaltsschilderung in der Unfallanzeige und der Stellungnahme des Dienstvorgesetzten vom 09.11.09 hätten bei dem Dienstunfall vom 18.10.10 ein rechtswidriger Angriff und/oder eine Gefahr für Leib und Leben bestanden. Weiter hieß es, demnach wäre das Unfallereignis nach Eintritt aller Voraussetzungen vorbehaltlich der Zustimmung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als qualifizierter Dienstunfall gemäß § 37 BeamtVG anzuerkennen.

4 Nach Einholung eines externen psychiatrischen Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B... vom 23.02.11, der die Klägerin am 17.02.11 untersucht hatte, erweiterte der Beklagte mit Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 5.05.11 die Verletzungsfolgen um eine „posttraumatische Belastungsstörung“, setzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab dem 18.10.09 bis vorerst 17.02.11 auf 30 v.H. fest und gewährte der Klägerin auf dieser Grundlage mit weiterem Bescheid vom 11.05.11 Unfallausgleich. Auf die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin erweiterte der Polizeipräsident in Berlin die anerkannten Verletzungsfolgen mit Bescheid vom 06.07.11 um eine „partielle Schädigung des sensiblen Anteils des N. medianus rechts > links“, setzte die MdE hierfür mit 10 v.H. fest und hob die bisherige zeitliche Befristung der MdE-Festsetzung auf.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Mit Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 26.07.11, gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte, gewährte der Beklagte ihr Unfallausgleich bis vorerst zum 31.03.12.

Mit auf den 05.05.11 datiertem Bescheid – der Klägerin zugegangen am 30.08.11 – setzte der Polizeipräsident in Berlin die Gesamt-MdE auf 30 v.H. fest.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Anerkennung weiterer orthopädischer Verletzungsfolgen. Diesen Antrag lehnte der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 29.11.11 ab, in dem es weiter hieß, es verbleibe bis zur nächsten psychiatrischen Untersuchung im Jahr 2012 bei der festgesetzten Gesamt-MdE von 30 v.H., die Forderung nach Zahlung einer einmaligen Unfallentschädigung könne nicht erfüllt werden, da die vorgeschriebene Gesamt-MdE von 50 v.H. nicht vorliege. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

5 Die Klägerin hat am 06.02.12 wegen der Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung Klage zum Aktenzeichen VG 26 K 45.12 erhoben.
6 Der Polizeipräsident in Berlin wies die Widersprüche der Klägerin ... zurück.
7 Mit ihrer weiteren, am 16.03.12 erhobenen und unter dem Aktenzeichen VG 26 K 246.12 geführten Klage hat die Klägerin zunächst die Anerkennung weiterer Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet sowie Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von mindestens 60 v.H. für den Zeitraum vom Dienstunfall bis zu ihrer Zurruhesetzung und sodann klageerweiternd die Anerkennung der weiteren Unfallfolge „Zwangsstörung, vorwiegend Zwangsgedanken“ begehrt.
8 Mit Bescheid vom 18.05.12, gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte, stellte der Polizeipräsident in Berlin fest, es bestehe aufgrund der Dienstunfallfolgen aus dem psychiatrischen Formenkreis ab dem 18.04.12 keine MdE und hinsichtlich orthopädischer Unfallfolgen eine MdE von 10 v.H.

9 Nachdem die Klägerin mit Ablauf des 31.10.11 aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe gesetzt worden war, setzte das Landesverwaltungsamt Berlin deren Versorgung mit Bescheid vom 04.11.11 nach den erdienten Bezügen unter Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags fest. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie ihren Anspruch auf Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts und eines Unfallausgleichs geltend machte.

10 Am 27.03.12 hat die Klägerin Klage zum Aktenzeichen VG 26 K 283.12 erhoben, mit der sie für die Zeit ab ihrer Zurruhesetzung Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von mindestens 50 v.H. und erhöhtes Unfallruhegehalt geltend gemacht hat.
11 Nachdem der polizeiärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 09.02.12 mitgeteilt hatte, dass die Diagnose, welche unfallbedingt sei, auch die führende Diagnose im Zurruhesetzungsverfahren der Klägerin gewesen sei, gewährte das Landesverwaltungsamt Berlin dieser mit Bescheid vom 04.04.12, gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte, rückwirkend seit Zurruhesetzung Unfallruhegehalt nach § 36 LBeamtVG und Unfallausgleich auf der Grundlage einer MdE von 30 v.H.
Die mit seinem Bescheid vom 04.04.12 getroffene Berechnung des Unfallruhegehalts berichtigte das Landesverwaltungsamt Berlin mit Bescheid vom 17. September 2012 entsprechend eines von der Klägerin mit ihrem Widerspruch erhobenen Einwands.
12 Die Beteiligten haben den Rechtsstreit daraufhin insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

13 Im Verhandlungstermin vom 04.07.13 sind die drei Klageverfahren verbunden worden.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädisch-handchirurgischen Sachverständigengutachtens, das der Leitende Oberarzt G... am 04.11.13 erstellt hat und durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, welches der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B... unter dem 24.03.14 verfasst und mit Stellungnahme vom 26. Juni 2014 ergänzt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2014 hat der Beklagte, vertreten durch den Polizeipräsidenten in Berlin, entsprechend dem Ergebnis des orthopädisch-handchirurgischen Sachverständigengutachtens als weitere Dienstunfallfolgen „Posttraumatisches Karpaltunnelsyndrom rechts > links“ und „Schädigung Ramos superficialis N. Radialis mit folgenden daraus resultierenden Symptomen: Hypästhesie führend der Finger rechte Hand > linke Hand, Kraftverlust rechte Hand < linke Hand, elektrisierende Schmerzen rechte Hand > linke Hand, Missempfindungen und Hypersensibilität radialer Handrücken rechts, endgradige Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit rechts“ anerkannt. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit daraufhin insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

14 Die Klägerin meint, ihr stehe Unfallausgleich auf der Grundlage der vom Sachverständigen Dr. B... zeitabschnittsweise festgestellten Gesamt-MdE zu. Die Voraussetzungen für erhöhtes Unfallruhegehalt und eine einmalige Unfallentschädigung lägen vor. Dass eine besondere Lebensgefahr und ein rechtswidriger Angriff im Sinne der einschlägigen Vorschriften
vorgelegen hätten, habe der Polizeipräsident in Berlin in seinem Bescheid vom 27.08.10 zu Recht bestandskräftig festgestellt.

15 Unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt die Klägerin,
16 1. die Bescheide des Polizeipräsidenten in Berlin vom ... aufzuheben, soweit sie dem Verpflichtungsbegehren entgegenstehen,
17 2. den Beklagten zu verpflichten,
18 a) der Klägerin Unfallausgleich auf der Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
für die Zeit vom 18.10.09 bis 18.11.09 in Höhe von 100 %,
für die Zeit vom 19.11.09 bis 31.10.10 in Höhe von 70 %, für
die Zeit vom 1.11.10 bis zum 28.02.11 in Höhe von 50 %, für
die Zeit vom 1.03.11 bis zum 31.07.12 in Höhe von 70 % und für die Zeit
ab dem 01.08.12 fortlaufend in Höhe von 50 % nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit bzw. ab dem Ersten eines Monats pro Rate zu gewähren,
19 b) der Klägerin eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 80.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren,
20 c) der Klägerin ein erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 LBeamtVG ab dem 1. November 2011 zu gewähren
21 sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

22 Der Beklagte beantragt,
23 die Klage abzuweisen.
24 ...

Entscheidungsgründe

26 I. Das Verfahren wird ... eingestellt, soweit die Klägerin das Verfahren – hinsichtlich der Anerkennung einer weiteren
Dienstunfallfolge auf psychiatrischem Fachgebiet, der Gewährung von Unfallausgleich auf der Grundlage einer 50 v.H. überschreitenden MdE für den Zeitraum vom 01.11.10 bis 28.02.11 und der Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen für das von ihr begehrte erhöhte Unfallruhegehalt – zurückgenommen hat.
...
27 II. Die Verpflichtungsklage ist – soweit über sie streitig zu entscheiden ist – begründet.
Die Bescheide des Polizeipräsidenten in Berlin ... sind rechtswidrig, soweit sie den Antrag der Klägerin auf Unfallausgleich auf der Grundlage des von dieser bezifferten Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit sowie auf erhöhtes Unfallruhegehalt und eine einmalige Unfallentschädigung ablehnen; der Klägerin stehen entsprechende Leistungsansprüche zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

28 1. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Unfallausgleich auf der Grundlage des aus dem Tenor ersichtlichen, zeitabschnittweise gestaffelten Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
29 Rechtsgrundlage für die Gewährung von Unfallausgleich ist § 35 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.12.04 (BeamtVG a.F., gleichlautend § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und Richter des Landes Berlin, Landesbeamtenversorgungsgesetz
– LBeamtVG), der gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes im Zeitpunkt des Dienstunfalls als Bundesrecht fortgalt. Nach dieser Vorschrift erhält der Verletzte, wenn er infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbstätigkeit länger als sechs
Monate wesentlich beschränkt ist, solange dieser Zustand andauert, neben den Dienstbezügen, den Anwärterbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich. Dieser wird in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 3 des Bundesversorgungsgesetzes gewährt.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG a.F./LBeamtG). Der Unfallausgleich wird nach § 35 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG a.F./LBeamtVG neu festgestellt, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

30 Es steht aufgrund des psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 24.03.14, ergänzt durch das Schreiben des Sachverständigen Dr. B... vom 26. Juni 2014, zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer auf orthopädisch/ neurologischem und ihrer auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen zu dem jeweils zeitabschnittweise tenorierten Grad in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert war bzw. ist. Der Sachverständige legt insoweit zutreffend zu Grunde, dass bei Ermittlung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit sämtliche aufgrund des Dienstunfalls
bestehenden Unfallfolgen zu berücksichtigen sind, für die bei der Klägerin auf orthopädisch/ neurologischem und auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Unfallfolgen – soweit dies möglich ist – jeweils Teil-MdE-Werte zu bilden und diese dann in einer Gesamt-MdE zusammenzufassen sind.
31 Nachvollziehbar legt der Sachverständige Dr.B... dar, dass in den ersten vier Wochen nach dem Trauma – angesichts der damals noch massiven körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin – nicht zwischen dem jeweiligen Anteil der körperlichen Erkrankung und der – als Unfallfolge bestandskräftig anerkannten – posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin unterschieden werden kann und für diesen Zeitraum einheitlich von einer MdE von 100 v.H. auszugehen ist. Auch für den anschließenden, bis Oktober/November 2010 dauernden Zeitraum kann nach den plausiblen und mit den von ihm anamnestisch erhobenen Befunden korrelierenden Ausführungen des Sachverständigen, denen der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten ist, wegen der nur globalen Erinnerungen der Klägerin nicht in ausreichendem Maße zwischen der körperlichen und der psychiatrischen Belastung differenziert werden. Zur Begründung der von ihm angesetzten einheitlichen
Gesamt-MdE von 70 v.H. führt er schlüssig aus, in einem fließenden Übergang habe sich insbesondere die körperliche Symptomatik nach dem 18.11.09, insbesondere ab Mitte Januar 2010, gebessert – die Klägerin konnte nach der Akutversorgung der Hände wieder allein den Hund ausführen und eine Leine halten – und auch auf psychiatrischem Gebiet sei es der Klägerin vergleichsweise besser ergangen, wobei sie allerdings eine erneute Retraumatisierung durch die Begegnung mit einem anderen Hund erfahren und an persistierenden Schlafstörungen, täglichen Flashbacks und ausgeprägtem
Vermeidungsverhalten gelitten habe. Ausgehend davon, dass der Grad der MdE nur bei einer wesentlichen Änderung der maßgebenden Verhältnisse neu festzusetzen ist, lässt seine Festsetzung eines für den Zeitraum vom 19.11.09 bis jedenfalls
Ende Oktober 2010 durchgängig bestehenden MdE-Grads von 70 v.H. – auch angesichts des von ihm beschriebenen fließenden Übergangs und der von ihm aufgezeigten Abstufung in der Beschwerdesymptomatik – keine Fehler erkennen.

32 Für den Zeitraum ab November 2010 differenziert der Sachverständige nachvollziehbar zwischen einer auf orthopädisch/ neurologischem und einer auf psychiatrischem Gebiet zu bildenden Teil-MdE. Hinsichtlich der auf orthopädisch/neurologischem Fachgebiet bestehenden Teil-MdE folgt er der Einschätzung des Sachverständigen G... in dessen Gutachten vom 04.11.13, wonach auf orthopädisch/neurologischem Gebiet als weitere Unfallfolgen ein „Posttraumatisches Karpaltunnelsyndrom rechts > links“ und eine „Schädigung Ramos superficialis N. Radialis“ mit den daraus resultierenden Symptomen bestehen, welche durchgängig zu einer Teil-MdE von 20 v.H. führten. Dieser Würdigung hat sich auch der Beklagte angeschlossen, der die bezeichneten Körperschäden im letzten Verhandlungstermin als weitere Unfallfolgen anerkannt hat und – den polizeiärztlichen
Stellungnahmen vom 13.05.14 und 12. Juni 2014 folgend – davon ausgeht, dass der Sachverständigen G... den auf orthopädisch/neurologischem Fachgebiet bestehenden Grad der Teil-MdE zutreffend beziffert hat. Auch das Gericht sieht keinen Anlass, diese übereinstimmende Bewertung der Sachverständigen infrage zu stellen.
33 Hinsichtlich der auf psychiatrischem Gebiet ab November 2010 zu bildenden Teil-MdE geht der Sachverständige Dr. B... nachvollziehbar davon aus, dass die posttraumatische Belastungsstörung chronifiziert fortbesteht, wobei deren Symptome einem Gestaltwandel unterlegen sind. Insoweit führt er schlüssig aus, dass die zunächst im Vordergrund stehende Flashback-Symptomatik durch eine die Klägerin stark belastende und von Zwangsgedanken geprägte Zwangssymptomatik abgelöst wurde, der kein eigener Krankheitswert zuzumessen ist. Dieser plausiblen Würdigung sind die Beteiligten nicht entgegengetreten.

34 Hieran anknüpfend gelangt der Sachverständige frei von Widersprüchen zu der Einschätzung, dass die Klägerin aufgrund des erfolgreichen Einsatzes eines Psychopharmakons jedenfalls ab November 2010 bis Ende Februar 2011 zu einem Grad von 30 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert war. Diese nachvollziehbare Einschätzung steht in Einklang mit dem Ergebnis seines Gutachtens vom 23.02.11, das er im Auftrag des Polizeipräsidenten in Berlin aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 17.02.11 erstellt hatte, und in dem er die MdE der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet für diesen Zeitpunkt ebenfalls mit 30 v.H. beziffert hatte; dieser Bewertung hatte sich der polizeiärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 5.03.11 angeschlossen. Umstände, die Zweifel an der für den genannten Zeitraum vom Sachverständigen festgesetzten psychiatrischen Teil-MdE begründen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
35 Für den Zeitraum von Anfang März 2011 bis Ende Juli 2012 legt der Sachverständige anhand der von ihm anamnestisch erhobenen Beschwerdeschilderung der Klägerin nachvollziehbar dar, dass es aufgrund des durch ein Nierenleiden der Klägerin im März 2011 erzwungenes Absetzens des Psychopharmakons zu einer deutlichen Verschlechterung der posttraumatischen Symptomatik mit Flashbacks, traumatischen Fantasien, zunehmender Angst, schweren Auseinandersetzungen mit dem Ehemann bis hinein in einen Zusammenbruch kam, wobei es ab Januar 2012 mit Beginn des von der Klägerin absolvierten Hundeexpositionstrainings im fließenden Übergang wieder zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik kam, die sicher allerdings erst ab August 2012 festzustellen ist. Die so begründete Ausweisung einer Teil-MdE auf psychiatrischem Gebiet von 50 v.H. für den gesamten in Rede stehenden Zeitraum erscheint schlüssig und plausibel.
36 Entsprechendes gilt auch für die Ausführungen des Sachverständigen Dr.B..., wonach aufgrund der ab August 2012 sicher festzustellenden Besserung der Symptomatik auf psychiatrischem Gebiet seither von einer Teil-MdE von mindestens 30 v.H. auszugehen ist, wobei diese aufgrund des von ihm beschriebenen Symptomwandels zeitweise auch bis zu 40 v.H. betragen mag.
37 Diesen vom Sachverständigen Dr. B... zeitabschnittweise für das psychiatrische Fachgebiet ermittelten Teil-MdE-Werten ist der Beklagte mit seiner Bezugnahme auf die von ihm eingeholten polizeiärztlichen Stellungnahmen vom 13.05.14 und 12. Juni 2014 nicht substantiiert entgegen getreten. Ausweislich seiner Stellungnahme vom 13. Mai 2014, in der es heißt, in Bezug auf die einzelnen MdE’s – 30 v.H. auf psychiatrischem und 20 v.H. auf orthopädischem Fachgebiet – bestünden keine anderslautenden Erkenntnisse, geht der Polizeiarzt von einer dauerhaft in Höhe von 30 v.H. auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Teil-MdE aus. Mit den vom Sachverständigen Dr. B... für seine im Zeitablauf differenzierende Festsetzung angeführten Erwägungen setzt sich der Polizeiarzt in keiner Weise auseinander; die von ihm gewählte Formulierung, legt im Übrigen nahe, dass er diese bereits nicht zur Kenntnis genommen hat.
38 Aus den auf diese Weise zeitabschnittweise jeweils für das orthopädisch/neurologische und das psychiatrische Fachgebiet ermittelten Teil-MdE-Werten hat der Sachverständige Dr. B... eine Gesamt-MdE gebildet, die für die Zeit von November 2010 bis Ende Februar 2011 und vom 1.08.12 an fortlaufend 50 v.H. und für die Zeit von März 2011 bis Ende Juli 2012 70 v.H. beträgt. Zur Begründung der von ihm vorgenommenen Gesamt- MdE-Bildung führt der Gutachter nachvollziehbar aus, dass eine erhebliche Interferenz zwischen der aus dem Trauma stammenden dauerhaften körperlichen Schädigung der Klägerin und deren psychischer Störung besteht. Die Klägerin habe es durch die bislang einförmig verlaufenden Beschwerden aus der körperlichen Verletzung und die ständige Konfrontation mit den Beschwerden in den Händen viel schwerer als andere Patienten mit posttraumatischen Störungen, sich psychisch zu erholen, da die bestehende körperliche Verletzung die Neigung zu symptomverstärkenden retraumatisierenden Erinnerungen und Erleben sowie zu dysphorischer depressiver Verarbeitung fördere. Die von ihm gebildeten Gesamt-MdE-Werte sollten dieser negativen wechselseitigen Beziehungen der Funktionsstörungen zueinander und deren erheblichen Auswirkungen in ihrer Gesamtheit Rechnung tragen.
39 Diese Ausführungen vermag der Beklagte nicht unter Bezugnahme auf die polizeiärztlichen Stellungnahmen vom 13.05.14 und 12. Juni 2014 durchgreifend in Frage zu stellen, in denen eine „integrative Einschätzung einer Gesamt-MdE aller Unfallfolgen“ auf 40 v.H. vorgenommen wird. In diesen Stellungnahmen wird ausgeführt, bei der Bildung einer Gesamt-MdE dürfe dies nicht durch Addition der einzelnen MdE-Sätze erfolgen; maßgeblich seien vielmehr die Auswirkungen ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander, wobei von der Gesundheitsstörung mit dem höchsten MdE-Grad auszugehen und dann für jede weitere Gesundheitsstörung zu prüfen sei, ob und inwieweit durch sie das Ausmaß der Beeinträchtigung größer werde, um der Funktionsstörung insgesamt gerecht zu werden. Diese – der Sache nach zutreffenden – Ausführungen (vgl. Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.08, Teil A Nr. 3) vermögen die vom Sachverständigen Dr. B... vorgenommene Bezifferung einer Gesamt-MdE nicht in Zweifel zu ziehen. Denn der Sachverständige hat die Gesamt-MdE nicht etwa im Wege der Rechenmethode der Addition der Teil-MdE-Sätze gebildet. Vielmehr ist er aufgrund der von ihm im Einzelnen plausibel aufgezeichneten Wechselwirkungen zwischen der auf psychiatrischem Fachgebiet einerseits und orthopädisch/neurologischem Fachgebiet andererseits bestehenden Unfallfolgen nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass im konkreten Einzelfall der Klägerin eine Erhöhung der jeweils auf psychiatrischem Gebiet bestehenden Teil-MdE um den vollen Betrag der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Teil-MdE geboten ist, um dem Ausmaß der Funktionsstörung insgesamt Rechnung zu tragen.
40 Der Klägerin stehen entsprechend § 291 Satz 1 in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den seiner Höhe nach in § 31 Abs. 1 bis 3 des Bundesversorgungsgesetzes bezifferten Unfallausgleich ab Rechtshängigkeit, für die nach Klageerhebung fällig werdenden monatlichen Beträge jeweils ab dem Ersten eines Monats.

41 2. Die Klägerin hat Anspruch auf erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG a.F./ LBeamtVG.

42 Setzt sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aus und erleidet infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall, so sind gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG – nach weiteren, in § 37 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG a.F./LBeamtVG bezeichneten Maßgaben – bei der Bemessung des Unfallruhegehalts 80 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe zu Grunde zu legen, wenn er infolge dieses Dienstunfalles dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten und im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalles in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v.H. beschränkt ist. Nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG a.F. LBeamtVG wird Unfallruhegehalt nach Absatz 1 auch gewährt, wenn der Beamte in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff einen Dienstunfall mit den in Absatz 1 genannten Folgen erleidet.


43 Zu Recht steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass die Klägerin infolge der bei dem Dienstunfall vom 18.10.09 erlittenen Körperschäden dienstunfähig geworden und in den Ruhestand versetzt worden ist; dies ergibt sich aus der polizeiärztlichen Stellungnahme vom 09.02.12, an deren Richtigkeit zu zweifeln das Gericht keinen Anlass sieht. Aufgrund der unter Ziffer Gliederungspunkt II.1 dargelegten Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, steht weiter zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Gesamt-MdE im Zeitpunkt der Zurruhesetzung der Klägerin mit Ablauf des 31.10.11 70 v.H. betrug.

44 Aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Polizeipräsidenten in Berlin vom 27. August 2010 steht mit Bindungswirkung für das Gericht fest, dass die Klägerin den Dienstunfall bei Ausübung einer mit einer Diensthandlung verbundenen besonderen Lebensgefahr und in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff erlitt.
45 Welchen Aussagegehalt eine behördliche Erklärung hat, ist nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 1998 – BVerwG 2 C 14.97 –, juris Rn. 23).
46 Maßgeblich ist danach der objektive Erklärungswert, d.h. wie der Betroffene die behördliche Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände verstehen durfte bzw. musste (BVerwG, Urteil vom 30.10.13 – BVerwG 2 C 23.12 –, juris Rn. 32 f.). Ausgehend hiervon durfte die Klägerin dem mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Schreiben des Polizeipräsidenten in Berlin vom 27.08.10 entnehmen, dass dieser aufgrund der von ihr in der Unfallanzeige abgegebenen Sachverhaltsschilderung und der Stellungnahme ihres Dienstvorgesetzten vom 09.11.09 das Bestehen einer besonderen Lebensgefahr bzw. eines rechtswidrigen Angriffs im Sinne von § 37 BeamtVG a.F./LBeamtVG mit Rechtsbindungswillen feststellen wollte, um jedenfalls diese vornehmlich von tatsächlichen – mit zunehmendem Zeitablauf womöglich nur schwierig zu klärenden – Umständen abhängende Frage schon zeitnah verbindlich zu klären.
47 Zwar ist der gewählten Formulierung, wonach „gemäß der Sachverhaltsschilderung in der Unfallanzeige und der Stellungnahme des Dienstvorgesetzten vom 9. November 2009“ bei dem Dienstunfall vom 18.10.10 ein rechtswidriger Angriff und/oder eine Gefahr für Leib und Leben bestanden habe, nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass auch der Polizeipräsident in Berlin eine entsprechende Feststellung treffen wollte. Dieser Passus ist jedoch nach objektiviertem Empfängerhorizont dahin zu verstehen, dass sich der Polizeipräsident in Berlin als Verfasser des Schreibens den Inhalt dieser Schilderung bzw. Stellungnahme zu Eigen machen und zur Begründung der von ihm selbst getroffenen Feststellung anführen wollte. Soweit es in dem auf diese Feststellung folgenden Satz heißt, das Unfallereignis „wäre“ nach Eintritt aller Voraussetzungen vorbehaltlich der Zustimmung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport als qualifizierter Dienstunfall anzuerkennen, bezieht sich die gewählte Möglichkeitsform des Verbs und der Zustimmungsvorbehalt aus Empfängersicht allein auf die dem Senator für Inneres zuständigkeitshalber vorbehaltene (abschließende) Entscheidung über die Anerkennung eines Dienstunfalls nach § 37 BeamtVG (vgl. Ziffer II Nr. 3 der Anordnung über die Übertragung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Versorgung im Geschäftsbereich des Senators für Inneres vom 15. April 1977, Amtsblatt S. 567), nicht jedoch auch auf die zuvor – vorbehaltslos – getroffene Feststellung zum Vorliegens der Tatbestandsmerkmale einer besonderen Lebensgefahr und eines rechtswidrigen Angriffs.
48 Für diese Auslegung spricht, dass die Klägerin in ihrem „Widerspruch“ vom 2. August 2010 ausdrücklich einen Anspruch auf eine – zeitnahe – isolierte Feststellung dieser Tatbestandsvoraussetzungen geltend gemacht hatte, nachdem der Polizeipräsident in Berlin mit Schreiben vom 28.07.10 die Anerkennung des Dienstunfalls als qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 BeamtVG abgelehnt und zur Begründung darauf verwiesen hatte, eine Anerkennung komme „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht in Betracht, da die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen – etwa die dienstunfallbedingte Versetzung in den Ruhestand – nicht erfüllt seien. Eine andere Auslegung gebietet auch nicht der im Anschluss hieran in demselben Schreiben enthaltene Hinweis, der Vorgang werde, sofern alle Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt seien, zur Prüfung, ob die Bestimmung des § 37 BeamtVG hinsichtlich der besonderen Lebensgefahr in Ausübung des Dienstes erfüllt sei, an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zur Zustimmung abgegeben. Denn aufgrund des Umstandes, dass der Polizeipräsident in Berlin in Reaktion auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese ihr Begehren auf eine isolierte Feststellung der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale hin präzisiert hatte, mit seinem – (auch) äußerlich in Bescheidform gekleideten Schreiben vom 27.08.10 – eine positive Aussage zum Vorliegen der betreffenden Tatbestandsmerkmal getroffen hatte, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass aufgrund ihrer Einwendungen nunmehr anders verfahren werden sollte. In dieser Auffassung durfte sie sich bestärkt sehen, weil nicht erkennbar ist, welche der Bestandskraft fähige Regelung das mit einer Rechtsmittelbelehrung versehende Schreiben von 27.08.10 ansonsten enthalten sollte.
49 Abgesehen davon sind die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG erfüllt, da die Klägerin den Dienstunfall vom 18.10.09 in Ausübung ihres Dienstes – Einsatz als motorisierte Diensthundführerstreife – durch einen rechtswidrigen Angriff im Sinne dieser Vorschrift erlitt.
50 Bei Berücksichtigung des systematischen Regelungszusammenhangs mit dem Dienstunfallbegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG liegt ein Angriff im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG vor, wenn sich der Beamte in Ausübung oder infolge des Dienstes einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Verhalten eines Dritten ausgesetzt sieht, durch das ihm zielgerichtet, d.h. mit zumindest bedingtem Vorsatz, ein Körperschaden zugefügt werden soll (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – BVerwG 2 C 41.11 –, juris Nr. 13 m.w.N.). Diese Auslegung wird auch dem Zweck des § 37 BeamtVG a.F./LBeamtVG gerecht. Der Gesetzgeber will mit den Fallgruppen dieser Vorschrift einer gesteigerten, im dienstlichen Bereich wurzelnden Gefährdungslage durch die Gewährung eines erhöhten versorgungsrechtlichen Schutzes Rechnung tragen.
Nicht zuletzt im öffentlichen Interesse an einer effektiven Erledigung der öffentlichen Aufgaben soll die Bereitschaft des Beamten zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten gestärkt werden, weil er damit rechnen kann, die Folgen dienstlich bedingter Körperschäden in Fällen einer solchen Gefährdung nicht allein tragen zu müssen. Niveaugleich mit den anderen Fallgruppen des erhöhten Unfallruhegehalt ist die Gefährdungslage nach § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung vom Schädiger mit Wissen und Wollen der zu erwartenden Rechtsgutbeeinträchtigung ausgeführt wird und sie in einem inneren Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Amtsträgers steht (BVerwG, a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Dabei setzt § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG nicht voraus, dass der rechtswidrige Angriffe dem Beamten eine besondere Lebensgefahr begründet hat; vielmehr schließen es Wortlaut und Systematik der Regelungen aus, die in § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG genannte Voraussetzung als ungeschriebenes Merkmal der Tatbestände des Abs. 2 anzusehen (BVerwG, a.a.O. Rn. 10).
51 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Besitzer des Hundes, dem der Einsatz der Diensthundführerstreife galt, es trotz entsprechender Handlungspflicht unterließ, die Fortsetzung der Beißattacke seines Hundes auf die Klägerin zu beenden, obgleich er hierzu in der Lage war und erkannt hatte, dass sein Hund der Klägerin fortgesetzt Körperschäden zufügte. Dies geht aus der Sachverhaltsschilderung der Klägerin in ihrer Unfallanzeige und der Stellungnahme deren Dienstvorgesetzten vom 9. November 2009 hervor, an denen zu Zweifeln das Gericht keinen Anlass sieht. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Besitzer des Kampfhundes, gegen den wegen des Verdachts der Tierquälerei eingeschritten wurde, seinen Hund zunächst nicht vorsätzlich als Waffe gegen die Klägerin aufgehetzt hatte. Nachdem er jedoch in seiner Wohnung von einer Kollegin der Klägerin, der Polizeiobermeisterin D..., unter Schilderung des Geschehens aufgefordert worden war, seinen Hund unter Kontrolle zu bringen und sich – zögerlich und widerstrebend („Nur, wenn Du lieb 'Bitte, Bitte' sagst“) – auf die Straße begeben hatte, beobachtete er zunächst das Geschehen ohne einzuschreiten und ließ es zu, dass sein Hund der bereits stark aus beiden Unterarmen blutenden Klägerin weitere Bisswunde zufügte. Erst nach einer weiteren Aufforderung griff er ein und brachte seinen Hund unter Kontrolle, indem er diesen „in den Schwitzkasten“ nahm. Damit unterließ er es in Kenntnis der seine Rechtspflicht zum Einschreiten begründenden Umstände, die Beweisattacke seines Hundes gegen die Klägerin unverzüglich zu beenden. Zum Eingreifen war er bereits deshalb verpflichtet, weil die Verletzung der körperlichen Integrität der Klägerin von seinem Hund ausging; zudem ging der Polizeieinsatz wegen Verdachts der Tierquälerei und die Ingewahrsamnahme seines Hundes auf sein Verhalten zurück.
Dem Besitzer des Hundes war auch bewusst, dass er zu einer Beendigung der Beißattacke seines Hundes in der Lage war. Mit seiner Verweigerungshaltung wollte er schließlich auch erkennbar gezielt die staatliche Aufgabenwahrnehmung der Klägerin als Polizeibeamtinnen treffen.
52 Es kann mangels Entscheidungsrelevanz offen bleiben, ob zudem auch das qualifizierte Merkmal des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG erfüllt ist, die Ingewahrsamnahme eines Hundes im Rahmen eines Diensthundführerstreifen-Einsatzes also typischerweise mit einer besonderen, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehenden Lebensgefahr verbunden und die Klägerin sich dessen bewusst war (vgl. zu diesem Maßstab, BVerwG, Urteil vom 13.12.12 – BVerwG 2 C 51.11 –, juris Rn. 10 ff.).

53 3. Die Klägerin hat Anspruch auf eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 80.000,00 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.
54 Rechtsgrundlage für die Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung ist § 43 Abs. 1 BeamtVG a.F./LBeamtVG. Danach erhält ein Beamter, der einen Dienstunfall der in § 37 BeamtVG a.F./LBeamtVG bezeichneten Art erleidet, neben einer beamtenrechtlichen Versorgung bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine einmalige Unfallentschädigung von 80.000 Euro, wenn er infolge des Unfalles in seiner Erwerbsfähigkeit in diesem Zeitpunkt um wenigstens 50 vom Hundert beeinträchtigt ist.
55 Wie vorstehend unter Ziffer II.2 ausgeführt, erlitt die Klägerin einen qualifizierten Dienstunfall im Sinne von § 37 BeamtVG a.F./LBeamtVG und war im Zeitpunkt der Beendigung ihres (aktiven) Dienstverhältnisses mit Ablauf des 31.10.11 infolge des Dienstunfall um 70 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt; auf die diesbezüglichen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
56 Der Klägerin stehen entsprechend § 291 Satz 1 in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die ihrer Höhe nach feststehende einmalige Unfallentschädigung zu.

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