Dienstunfall: PTBS nach Afghanistaneinsatz eines
Polizeibeamten
Diese Entscheidung betrifft die psychische Belastung eines Polizeibeamten (PTBS), der in Afghanistan eingesetzt war.
Wir geben hier nur einen Auszug wieder, der sich mit dem in solchen Fällen nicht unüblichen "Gutachterstreit" befasst.
Zunächst hatten Ärzte und Gutachter die Meinung vertreten, der Beamte leide aufgrund persönlicher / familiärer Probleme unter einer Depression.
Dem widersprach ein vom Verwaltungsgericht ausgewählter und bestellter Gutachter, dessen Sachkunde wiederum der Dienstherr bezweifelt.
Bezeichnend für die Situation ist es, dass oft in der persönlichen Sphäre der Betroffenen unerbittlich nach Anzeichen dafür gesucht wird, dass die psychischen Probleme andere Ursachen als ein Dienstunfallgeschehen haben könnten.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof,
Beschluss vom 29.07.14, 14 ZB 13.2585
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Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gemäß § 31a BeamtVG auf Anerkennung einer Dienstbeschädigung in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung (in Folge: PTBS) aufgrund seines Einsatzes in Afghanistan in der Zeit vom 03.10.08 bis 22.11.08 bejaht.
Es ist auf der Grundlage des von ihm eingeholten fachpsychologischen Gutachtens des Prof. Dr. . vom 30.05.12 und dessen ergänzender gutachtlicher Stellungnahme vom 04.02.13 zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Gutachter beim Kläger diagnostizierte PTBS ursächlich im Sinn des Dienstunfallrechts auf den oben genannten Auslandseinsatz zurückzuführen sei und die persönlichen Lebensumstände oder die psychische Disposition des Klägers als alleinige oder weit überwiegende Ursache auszuschließen seien.
[Dagegen wendet sich der Dienstherr. Das Gerichts befasst sich im Folgenden mit seinen Einwendungen und lehnt es im Ergebnis ab, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen.]
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Gemessen hieran ist die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden und es war nicht unabdingbar, ein fachpsychiatrisches Gutachten, wie von der Beklagten angeregt, einzuholen. Bedenken gegen die Qualifikation des gerichtlich bestellten Gutachters werden von der Beklagten nicht in überzeugender Weise dargelegt.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, bestehen an der Sachkunde des Gutachters keine Zweifel. Dieser ist emeritierter Professor und ehemaliger Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und jetziger Leiter des Münchner Instituts für Traumatherapie und hat aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit auf dem Gebiet der PTBS in jeder Hinsicht eine hinreichende Qualifizierung. Die obergerichtliche Rechtsprechung verlangt nicht, dass eine PTBS ausschließlich durch Fachärzte zu diagnostizieren ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 23.11.12 – 13a B 12.30061 –).
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Soweit die Beklagte einwendet, der gerichtliche Gutachter hätte keine plausible Begründung gegeben, weshalb er von den vorliegenden fachärztlichen Einschätzungen abweicht, kann dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, dass dem gerichtlichen Gutachter alle ärztlichen Stellungnahmen und Befundberichte vorlagen und er sich mit diesen auseinandergesetzt und begründet hat, weshalb er diesen nicht folgt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Beklagten in Bezug genommenen Befunde, wie dem Arztbericht eines Psychiaters vom 12.01.09, der eine Partnerschaftsproblematik unmittelbar vor dem Einsatz in Afghanistan als Auslöser für die von ihm diagnostizierte Depression betrachtet hat. Hierzu erläutert der Gutachter auf Seite 24 seines Gutachtens, dass dies im Gespräch mit dem Kläger nicht bestätigt worden sei; vielmehr sei diese Partnerschaftsproblematik lange vorher bereits geklärt gewesen.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten hat sich der Gutachter dabei auch nicht einfach darauf verlassen, dass der Kläger ihm die Wahrheit erzählt hat. Vielmehr hat er, worauf das Verwaltungsgericht auf Seite 10 seines Urteils hinweist, dessen Angaben durch besonders gewählte Fragestellungen im Interview auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Im Übrigen habe der Gutachter unter Hinweis auf die Kriterien der PTBS nach den Leitlinien der ICD-10 (2005) darauf hingewiesen, dass prämorbide Persönlichkeitsfaktoren oder neurotische Erkrankungen in der Vorgeschichte zwar die Schwelle für die Entwicklung einer PTBS senken und den Verlauf verstärken könnten, diese jedoch weder nötig noch ausreichend seien, das Auftreten einer PTBS zu erklären. Auslöser für eine krankheitswertige Symptomatik beim Kläger sei nach der Einschätzung des Gutachters erst der Einsatz in Afghanistan gewesen. Ohne diesen Einsatz wäre die PTBS nicht entstanden.
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Der Gutachter hat sich auch mit den vom Leiter des Polizeiärztlichen Dienstes gegen sein Gutachten erhobenen Einwänden in der ergänzenden Stellungnahme vom 04.02.13 auseinandergesetzt und nochmals dargelegt, weshalb seiner Einschätzung nach von einer wesentlichen Verursachung der Erkrankung des Klägers durch den Auslandseinsatz und nicht durch andere Faktoren ausgegangen werden muss. Er räumt dabei teils ungeschickte Formulierungen ein, stellt aber nochmals ausführlich dar, warum beim Kläger keine andere krankheitswertige affektive Störung vor dem Einsatz vorgelegen hat. Insoweit ist der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bereits vor dem in Rede stehenden Auslandseinsatz psychisch beeinträchtigt gewesen, zwar richtig, aber letztlich nicht durchgreifend; insbesondere wird nicht hinreichend dargelegt, dass diese psychischen Beeinträchtigungen entgegen der Einschätzung des Gutachters alleinige oder weit überwiegende Ursache gewesen sind. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verweist, genügt dies per se nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung. Auch ihr Hinweis, der Kläger hätte sich kurz nach dem in Rede stehenden Auslandsaufenthalt, konkret am 02.12.08, beim Leiter des Polizeiärztlichen Dienstes wegen eines bei ihm „weiterhin bestehenden völligen Leistungsverlusts“ vorgestellt, kann die Bewertung des Gutachters nicht erschüttern. Denn dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Leistungsverlust schon vor dem Auslandsaufenthalt vorlag. Vielmehr kann diese Aussage ebenso gut dahin verstanden werden, dass der Leistungsverlust während des Auslandseinsatzes eintrat und danach fortbestand.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch nicht durch den Vortrag der Beklagten dargetan, durch das Gutachten sei der Kausalitätsnachweis nicht erbracht, was das Verwaltungsgericht in seinem Urteil selbst feststelle, wenn es dort ausführe, dass „der Gutachter in seinem Gutachten nicht ausdrücklich einen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Kausalzusammenhang formuliert“ habe. Das Verwaltungsgericht weist in diesem Zusammenhang nämlich darauf hin, dass der Gutachter ausführt, dass nach seinem medizinischen Sachverstand weder Vorgänge, die vor dem Einsatz lagen, noch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers für die Entstehung der PTBS verantwortlich seien und dem Einsatz eine überragende Bedeutung gegenüber anderen Umständen zukomme. Dass das Verwaltungsgericht hieraus seine Überzeugungsgewissheit ableitet, der Auslandseinsatz sei wesentlich ursächlich für die Entstehung der PTBS, begegnet keinen Bedenken.
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Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers gemäß § 31a BeamtVG auf Anerkennung einer Dienstbeschädigung in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung (in Folge: PTBS) aufgrund seines Einsatzes in Afghanistan in der Zeit vom 03.10.08 bis 22.11.08 bejaht.
Es ist auf der Grundlage des von ihm eingeholten fachpsychologischen Gutachtens des Prof. Dr. . vom 30.05.12 und dessen ergänzender gutachtlicher Stellungnahme vom 04.02.13 zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Gutachter beim Kläger diagnostizierte PTBS ursächlich im Sinn des Dienstunfallrechts auf den oben genannten Auslandseinsatz zurückzuführen sei und die persönlichen Lebensumstände oder die psychische Disposition des Klägers als alleinige oder weit überwiegende Ursache auszuschließen seien.
[Dagegen wendet sich der Dienstherr. Das Gerichts befasst sich im Folgenden mit seinen Einwendungen und lehnt es im Ergebnis ab, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen.]
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Gemessen hieran ist die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden und es war nicht unabdingbar, ein fachpsychiatrisches Gutachten, wie von der Beklagten angeregt, einzuholen. Bedenken gegen die Qualifikation des gerichtlich bestellten Gutachters werden von der Beklagten nicht in überzeugender Weise dargelegt.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, bestehen an der Sachkunde des Gutachters keine Zweifel. Dieser ist emeritierter Professor und ehemaliger Leiter der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und jetziger Leiter des Münchner Instituts für Traumatherapie und hat aufgrund seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit auf dem Gebiet der PTBS in jeder Hinsicht eine hinreichende Qualifizierung. Die obergerichtliche Rechtsprechung verlangt nicht, dass eine PTBS ausschließlich durch Fachärzte zu diagnostizieren ist (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 23.11.12 – 13a B 12.30061 –).
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Soweit die Beklagte einwendet, der gerichtliche Gutachter hätte keine plausible Begründung gegeben, weshalb er von den vorliegenden fachärztlichen Einschätzungen abweicht, kann dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, dass dem gerichtlichen Gutachter alle ärztlichen Stellungnahmen und Befundberichte vorlagen und er sich mit diesen auseinandergesetzt und begründet hat, weshalb er diesen nicht folgt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Beklagten in Bezug genommenen Befunde, wie dem Arztbericht eines Psychiaters vom 12.01.09, der eine Partnerschaftsproblematik unmittelbar vor dem Einsatz in Afghanistan als Auslöser für die von ihm diagnostizierte Depression betrachtet hat. Hierzu erläutert der Gutachter auf Seite 24 seines Gutachtens, dass dies im Gespräch mit dem Kläger nicht bestätigt worden sei; vielmehr sei diese Partnerschaftsproblematik lange vorher bereits geklärt gewesen.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten hat sich der Gutachter dabei auch nicht einfach darauf verlassen, dass der Kläger ihm die Wahrheit erzählt hat. Vielmehr hat er, worauf das Verwaltungsgericht auf Seite 10 seines Urteils hinweist, dessen Angaben durch besonders gewählte Fragestellungen im Interview auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Im Übrigen habe der Gutachter unter Hinweis auf die Kriterien der PTBS nach den Leitlinien der ICD-10 (2005) darauf hingewiesen, dass prämorbide Persönlichkeitsfaktoren oder neurotische Erkrankungen in der Vorgeschichte zwar die Schwelle für die Entwicklung einer PTBS senken und den Verlauf verstärken könnten, diese jedoch weder nötig noch ausreichend seien, das Auftreten einer PTBS zu erklären. Auslöser für eine krankheitswertige Symptomatik beim Kläger sei nach der Einschätzung des Gutachters erst der Einsatz in Afghanistan gewesen. Ohne diesen Einsatz wäre die PTBS nicht entstanden.
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Der Gutachter hat sich auch mit den vom Leiter des Polizeiärztlichen Dienstes gegen sein Gutachten erhobenen Einwänden in der ergänzenden Stellungnahme vom 04.02.13 auseinandergesetzt und nochmals dargelegt, weshalb seiner Einschätzung nach von einer wesentlichen Verursachung der Erkrankung des Klägers durch den Auslandseinsatz und nicht durch andere Faktoren ausgegangen werden muss. Er räumt dabei teils ungeschickte Formulierungen ein, stellt aber nochmals ausführlich dar, warum beim Kläger keine andere krankheitswertige affektive Störung vor dem Einsatz vorgelegen hat. Insoweit ist der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bereits vor dem in Rede stehenden Auslandseinsatz psychisch beeinträchtigt gewesen, zwar richtig, aber letztlich nicht durchgreifend; insbesondere wird nicht hinreichend dargelegt, dass diese psychischen Beeinträchtigungen entgegen der Einschätzung des Gutachters alleinige oder weit überwiegende Ursache gewesen sind. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verweist, genügt dies per se nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung. Auch ihr Hinweis, der Kläger hätte sich kurz nach dem in Rede stehenden Auslandsaufenthalt, konkret am 02.12.08, beim Leiter des Polizeiärztlichen Dienstes wegen eines bei ihm „weiterhin bestehenden völligen Leistungsverlusts“ vorgestellt, kann die Bewertung des Gutachters nicht erschüttern. Denn dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass dieser Leistungsverlust schon vor dem Auslandsaufenthalt vorlag. Vielmehr kann diese Aussage ebenso gut dahin verstanden werden, dass der Leistungsverlust während des Auslandseinsatzes eintrat und danach fortbestand.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch nicht durch den Vortrag der Beklagten dargetan, durch das Gutachten sei der Kausalitätsnachweis nicht erbracht, was das Verwaltungsgericht in seinem Urteil selbst feststelle, wenn es dort ausführe, dass „der Gutachter in seinem Gutachten nicht ausdrücklich einen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Kausalzusammenhang formuliert“ habe. Das Verwaltungsgericht weist in diesem Zusammenhang nämlich darauf hin, dass der Gutachter ausführt, dass nach seinem medizinischen Sachverstand weder Vorgänge, die vor dem Einsatz lagen, noch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers für die Entstehung der PTBS verantwortlich seien und dem Einsatz eine überragende Bedeutung gegenüber anderen Umständen zukomme. Dass das Verwaltungsgericht hieraus seine Überzeugungsgewissheit ableitet, der Auslandseinsatz sei wesentlich ursächlich für die Entstehung der PTBS, begegnet keinen Bedenken.