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Dienstunfall beim Duschen im Schullandheim (Lehrerin)


Die Klägerin, eine Lehrerin, setzte die Anerkennung eines Dienstunfalls durch. Sie war während einer Klassenreise im Schullandheim morgens während des Duschens gestürzt.
Der Dienstherr hat das nachfolgende Urteil nicht akzeptieren wollen. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber mit einem Beschluss vom 26.02.08 - 2 B 135 / 07 - die Nichtzulassungsbeschwerde des Dienstherrn gegen das nachstehende Urteil zurückgewiesen und die Auffassung des VGH bestätigt.

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.07, 4 S 516/06

1. Bei einem Schullandheimaufenthalt ist ein begleitender und Aufsicht führender Lehrer grundsätzlich 24 Stunden im Dienst.

2. Ein beim morgendlichen Duschen in einem Schullandheim eintretendes Unfallereignis ist ein Dienstunfall.



Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalls während eines Schullandheimaufenthalts als Dienstunfall. Sie steht als Fachoberlehrerin an einer Realschule im Dienst des beklagten Landes. Vom 14. bis 19.09.03 begleitete sie die Klasse 8a in ein Schullandheim.

Am 11.11.03 meldete sie dem Oberschulamt einen Unfall während des Schullandheimaufenthalts. Sie gab an, am 16.09.03 während des morgendlichen Duschens um 07.00 Uhr in der Badewanne, die als Dusche gedient habe, beim Griff nach der Shampooflasche ausgeglitten und auf die rechte Schulter gefallen zu sein, wodurch sie sich eine Verletzung zugezogen habe. Ausweislich eines ärztlichen Attests erlitt sie durch den Unfall eine Schultergelenksdistorsion rechts mit posttraumatischer Schultersteife. Mit Bescheid vom 28.11.03 lehnte das Oberschulamt Stuttgart die Anerkennung des Unfalls als Dienstunfall ab.

Die Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart abgewiesen.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.


Entscheidungsgründe

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Zum Dienst gehören nach § 31 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG u.a. auch Dienstreisen, Dienstgänge und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort sowie die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen. Das Unfallereignis ist ein Dienstunfall in diesem Sinne. Insbesondere fehlt es nicht an der erforderlichen Dienstbezogenheit.

Entscheidender rechtlicher Ausgangspunkt für die Abgrenzung, ob ein Unfall in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist oder nicht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgeregelung. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird oder mit anderen Worten, die sich während der pflichtgemäßen Erledigung der ihm obliegenden dienstlichen Aufgaben ereignen. Das ist etwa der Fall, wenn der Beamte den Unfall bei einer Tätigkeit erleidet, die im engen natürlichen Zusammenhang mit seinen eigentlichen Dienstaufgaben oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen steht, bei der der Beamte also gewissermaßen „im Banne" des Dienstes steht.

Bei der Beurteilung, welche Verrichtungen typischerweise zu den Dienstaufgaben des Beamten gehören, ist, von den dem Dienstherrn und der jeweiligen Beschäftigungsbehörde obliegenden Aufgaben ausgehend, auf die in diesem Rahmen dem Beamten in seinem Amt übertragenen Obliegenheiten und das sich daraus ergebende Berufsbild abzustellen. Die in dem übertragenen Aufgabengebiet wahrzunehmenden Obliegenheiten können sich aus Gesetz, Verordnung, generellen oder speziellen dienstlichen Weisungen, aber auch, soweit solche Regelungen nicht unmittelbar Platz greifen, ganz allgemein aus der Natur und den Notwendigkeiten des übertragenen Aufgabenbereichs ergeben. In dem in den Einzelheiten nicht ausdrücklich festgelegten Bereich hat der Beamte je nach seinem Amt und dem Inhalt und der Art der damit verbundenen Aufgaben einen mehr oder weniger großen Raum freier Gestaltungsmöglichkeit. Dieser Freiraum wird aber - ähnlich wie die behördliche Gestaltungsfreiheit - jeweils durch die Erfordernisse der Erledigung der ihm als Beamten übertragenen Obliegenheiten begrenzt. Die jeweiligen Verrichtungen des Beamten müssen ihre wesentliche Ursache in diesen Erfordernissen haben und in ihrer ganzen Eigenart durch sie geprägt sein. Diese Kriterien sind nicht nur für die Beurteilung maßgebend, ob Verrichtungen außerhalb der Dienstzeit und des Dienstortes überhaupt der Dienstausübung und damit dem unfallgeschützten Bereich zugeordnet werden können, sondern auch für die Entscheidung, ob dies in Bezug auf die jeweilige konkrete Verrichtung geschehen kann. Dabei kann dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis des Dienstvorgesetzten - jedenfalls soweit dieses nicht für den Beamten erkennbar außerhalb der behördlichen Gestaltungsfreiheit liegt - erhebliches Gewicht zukommen. Aus den dargelegten Abgrenzungskriterien folgt aber auch, dass der Beamte im Rahmen freier Gestaltung seiner Dienstausübung dem Dienstherrn und damit der Allgemeinheit kein übermäßiges dienstunfallrechtliches Risiko aufbürden kann. Gehen die mit der Tätigkeit des Beamten verbundenen Risiken erkennbar über das seinen Dienstaufgaben nach gebotene Maß an Gefährdung hinaus, so kann er dieses Risiko nicht seinem Dienstherrn aufbürden, insoweit erfüllt er keine dienstlichen Aufgaben und seine Tätigkeit ist insoweit nicht durch den Dienst und dessen Anforderungen geprägt. Gestaltungsfreiheit wird insoweit durch Eigenverantwortung ergänzt und begrenzt.


Zu den Beamten, deren Dienstausübung sich regelmäßig nicht im zeitlichen und räumlichen Bezug Dienstzeit und Dienstort erschöpft, sondern die in gewissem Umfang auch außerhalb dieses Bereichs Dienst ausüben können und müssen, gehören auch die Lehrer. Ihre Aufgabe beschränkt sich nicht darauf, während der Unterrichtsstunden Unterricht in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten zu erteilen. Schon mangels dafür geeigneter Räumlichkeiten müssen sie den Unterricht weitgehend außerhalb der Dienststelle vorbereiten. Weitere Obliegenheiten wie Kontakte mit den Eltern müssen sie in Elternsprechstunden oder Elternabenden zwar am Dienstort, aber außerhalb der üblichen Dienstzeit wahrnehmen. Weitere durch die regelmäßigen Abgrenzungskriterien nicht erfasste und auch nicht erfassbare Verrichtungen können je nach dem allgemeinen und dem konkreten Unterrichts- und Erziehungsauftrag hinzukommen. Soweit hier Anordnungen fehlen, ist dem Lehrer in dem oben dargelegten Sinn und den sich daraus ergebenden Grenzen Gestaltungsfreiheit eingeräumt.
Bei der Beurteilung, ob Verrichtungen in diesem Bereich maßgebend durch die Erfordernisse des Dienstes - der Dienstaufgaben - geprägt sind, ist vor allem der mit dem Lehramt verbundene pädagogische Gesamtauftrag zu berücksichtigen, der sich nicht in einer bloßen Wissensvermittlung erschöpft. Dabei genügt es allerdings nicht, wenn das Verhalten des Lehrers in irgendeiner Weise pädagogischen Zielen seines Lehrauftrages nützlich und förderlich ist. Es muss vielmehr als sachgerecht und erforderlich seinem Berufsbild und seinem Lehrauftrag entsprechen, davon entscheidend geprägt sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.04.07, IÖD 2007, 141).


Mit der Durchführung einer Klassenfahrt in ein Schullandheim nimmt ein Lehrer schulische Aufgaben wahr, so dass er diese Tätigkeit nicht als Privatperson, sondern im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben unternimmt.
Abgesehen davon, dass der daraus folgende dienstlich bedingte Aufenthalt an einem fremden Ort schon grundsätzlich nicht in demselben Maß von eigenwirtschaftlichen Interessen beeinflusst ist wie der Aufenthalt am Wohnort, kommt bei einem Schullandheimaufenthalt hinzu, dass von den begleitenden Lehrern aufgrund ihrer umfassenden Aufsichtspflicht eine ständige räumliche Präsenz verlangt wird, die ein ggf. sofortiges Eingreifen ermöglicht. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich zutreffend vorgetragen, dass sie nicht etwa die Wahl gehabt habe, während des Aufenthalts ein Zimmer außerhalb des Schullandheims zu mieten. Vielmehr sei von ihr und dem begleitenden Kollegen erwartet worden, in den für Lehrkräfte bereitgehaltenen Räumlichkeiten im Schullandheim zu übernachten. Gleichfalls sei erwartet worden, gegenüber den ihnen anvertrauten minderjährigen Schülern die Aufsicht bei Tag und Nacht mindestens in gleicher Weise auszuüben, wie dies Pflicht der Eltern sei. Auch eine zeitliche Aufteilung der Verantwortlichkeit mit ihrem männlichen Kollegen sei jedenfalls während der Nacht nicht möglich gewesen. Für ein etwa notwendiges Eingreifen in den Räumen der Mädchen habe sie sich bereithalten müssen. Es verstehe sich von selbst, dass die Lehrkräfte erst als letzte Bewohner des Schullandheims spät in der Nacht ihre Zimmer hätten aufsuchen können und als erste am Morgen wieder einsatzbereit hätten sein müssen. Diese besonderen Anforderungen bei einem Schullandheimaufenthalt, insbesondere die elterngleiche Aufsichtspflicht, rechtfertigen es, insoweit grundsätzlich davon auszugehen, dass die Klägerin während der gesamten Dauer des Schullandheimaufenthalts dienstliche Aufgaben zu erfüllen hatte, mithin 24 Stunden im Dienst war. Gleichwohl muss der Dienstunfallschutz nicht jedwede Betätigung während der gesamten Dauer des Schullandheimaufenthalts erfassen. So kommt eine Ausnahme in Betracht, wenn eine Lösung vom Dienst vorliegt, etwa weil die Tätigkeit des Lehrers nicht mit seinen dienstlichen Pflichten vereinbar ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.04.07, a.a.O.); dies steht hier aber nicht in Rede. Das morgendliche Duschen der Klägerin erfolgte im vorliegenden Fall "in Ausübung des Dienstes".


Das Duschen stand in einem engen natürlichen Zusammenhang mit den der Klägerin übertragenen Dienstaufgaben, da ihre Dienst- und insbesondere Aufsichtspflicht während des Schullandheimaufenthalts ständig fortbestand. Sie befand sich jedenfalls "im Banne des Dienstes", solange und soweit sie sich aufgrund ihrer entsprechenden dienstlichen Verpflichtung im Schullandheim aufgehalten hat. Das morgendliche Duschen eines Lehrers während eines Schullandheimaufenthalts stellt auch keine private Tätigkeit dar, die mit der Dienstausübung schlechthin nicht im Zusammenhang steht ("eigenwirtschaftliche Tätigkeit"), wie der Beklagte meint. Es ist bei einem Schullandheimaufenthalt vergleichbar mit dem Aufsuchen der Toilette, ohne das eine Dienstleistung auf längere Dauer nicht möglich ist und das ebenfalls zu den unfallgeschützten Tätigkeiten des Beamten gehört. Hinzu kommt ein Weiteres: Obwohl bei einer (bloßen) Dienstreise der nächtliche Aufenthalt in einem Hotel oder einer anderen Unterkunft grundsätzlich vorwiegend eigenwirtschaftlichen Interessen dient, reicht schon hier der Unfallschutz insofern weiter als im häuslichen Bereich, als Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse oder sonstige besondere Gefahrenmomente im Bereich der Übernachtungsstätte zum Unfall wesentlich beigetragen haben. Dies gilt in gleichem Maße im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Unfall auf den besonderen Verhältnissen der zu einer Dusche "umfunktionierten" Badewanne beruht habe. Es habe sich um eine dem äußeren Anschein nach in Eigenarbeit installierte Badewanne mit Handbrause gehandelt. Die Abstellmöglichkeiten für Seife und Shampoo seien ungewöhnlich gewesen und auch ungeschickt an der Spitze der Wanne angeordnet gewesen, während die Handbrause an deren Längsseite angebracht gewesen sei. So sei es gekommen, dass sie beim Griff nach der Shampooflasche ausgelitten sei. Ihre dienstliche Verpflichtung zur Beaufsichtigung der Schülerinnen und Schüler habe auch Einfluss auf ihr Verhalten beim Duschen gehabt. Sie habe jederzeit bereit sein müssen, ihrer Aufsichtspflicht durch rasches Eingreifen nachzukommen, vor allem bei Vorfällen in den Räumen der Mädchen. Sie habe deshalb nicht, wie in häuslicher oder sonst privater Umgebung, in aller Ruhe duschen können. Auch diese Umstände rechtfertigen unter Berücksichtigung einer den natürlichen Gegebenheiten entsprechenden Betrachtungsweise die Feststellung, dass die so beschriebene Verrichtung der Klägerin durch die dienstliche Sphäre geprägt wird, daher der Dienstausübung zuzurechnen ist und ein dabei eintretender Unfall als Dienstunfall anzusehen ist.


Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
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