Dienstunfallfürsorge: Kausalität zwischen Dienstunfall und Dienstunfähigkeit
Das immer wieder auftretende Problem der Kausalität beschäftigt uns häufig. Der Betroffene sieht sich durch den Dienstunfall beeinträchtigt, die Mediziner streiten sich und vertreten unterschiedliche Auffassungen, der Dienstherr lehnt Leistungen der Dienstunfallfürsorge ab.
Dann ergeben sich ein Widerspruchsverfahren (sofern nach Landesrecht erforderlich), ein Klagverfahren bei dem Verwaltungsgericht und unter Umständen ein Berufungs- und ein Revisionsverfahren.
Nicht immer wird dann die persönliche Überzeugung des Beamten von den Gerichten (und den medizinischen Sachverständigen) geteilt. Ganz zu schweigen von den Dienstherren, die stets darauf pochen, dass der Beamte den Kausalzusammenhang beweisen muss. Was leider stimmt.
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 10.08.04, 6 A 2906/03
Der Kläger bekommt kein Unfallruhegehalt, weil er nicht infolge des Dienstunfalles dienstunfähig wurde.
Der Kläger, ein im Alter von 45 Jahren wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzter Oberstudienrat des beklagten Landes, erstrebt ein Unfallruhegehalt (§ 36 Beamtenversorgungsgesetz).
Ihm war die Metall-Abdeckung eines Sicherungskastens im Schulgebäude auf den linken Fuß gefallen. Der Unfall wurde als Dienstunfall mit dem Körperschaden "Prellung des linken Mittelfußes mit Einquetschung der Strecksehne der 2. und 3. Zehe links" anerkannt.
Eine vom Kläger auf Gewährung von Unfallausgleich (§ 35 BeamtVG) beim Verwaltungsgericht Düsseldorf geführte Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Die vorliegende Klage hat das Verwaltungsgericht ebenfalls als unbegründet angesehen: Der als Folge des Dienstunfalls anerkannte Körperschaden habe nicht, wie für die Gewährung von Unfallruhegehalt erforderlich, zu der Dienstunfähigkeit des Klägers geführt. Er sei hierfür nicht die wesentliche Ursache. Das ergebe sich aus einem von der Bezirksregierung im Anschluss an ein amtsärztliches Gutachten eingeholten schriftlichen fachorthopädischen Gutachten einschließlich der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters Dr. T. Danach sei die durch den Dienstunfall bedingte Fußquetschung nach einem Jahr ausgeheilt und die Dienstfähigkeit des Klägers dadurch nicht mehr nennenswert gemindert gewesen. Die Ausführungen in dem vorangegangenen amtsärztlichen Gutachten, hinsichtlich des derzeitigen Gesundheitszustands des Klägers seien die Folgen des Dienstunfalls von überragender Bedeutung, überzeugten demgegenüber nicht. Eine dem Kläger günstigere Betrachtung ergebe sich auch nicht aus dem von ihm vorgelegten fachärztlichen Attest des ihn behandelnden Orthopäden Dr. U . Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens durch das Gericht sei hiernach nicht geboten gewesen.
Der Kläger meint, die Ursächlichkeit der Folgen des Dienstunfalls für seine Dienstunfähigkeit ergebe sich aus der amtsärztlichen Stellungnahme in Verbindung mit dem fachärztlichen Attest des Orthopäden Dr. U. Amtsärztliche Feststellungen hätten ein besonderes Gewicht und Dr. U behandle ihn fortlaufend seit dem Dienstunfall. Er könne somit als einziger Arzt seinen Gesundheitszustand aus eigener Anschauung nicht nur zeitlich punktuell beurteilen. Wegen der Widersprüche zwischen den verschiedenen ärztlichen Stellungnahmen habe das Verwaltungsgericht den Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weiter aufklären müssen. Das habe er mehrfach beantragt und dazu sei das Gericht verpflichtet, wenn vorhandene Gutachten nicht klar, unvollständig oder widersprüchlich seien. Sofern das Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung für entbehrlich habe halten dürfen, habe es jedenfalls die vorhandenen Gutachten nicht richtig gewürdigt.
Damit sind ernstliche Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht als unbegründet angesehen hat, nicht aufgezeigt worden.
Dem Beamten steht Unfallruhegehalt zu, wenn er infolge des Dienstunfalls dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten ist (§ 36 Abs. 1 BeamtVG).
Die Argumente des Klägers bieten keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass das Verwaltungsgericht dem beklagten Land zu Unrecht darin gefolgt ist, der in Verbindung mit dem Dienstunfall des Klägers anerkannte Körperschaden "Prellung des linken Mittelfußes mit Einquetschung der Strecksehne der 2. u. 3. Zehe links" sei nicht wesentliche Ursache der dauernden Dienstunfähigkeit.
Der Amtsarzt hat die Dienstunfähigkeit mit einer andauernden Schwellung des linken Fußes seit dem Dienstunfall, mit essentiellem arteriellem Bluthochdruck, einer Struma nodosa (Knoten der Schilddrüse), einer bei aufrechter Körperhaltung bestehenden Fehlhaltung und mit einem psycho-physischen Erschöpfungssyndrom begründet. Mit ergänzender Stellungnahme hat der Amtsarzt nur die Schwellung des Fußes als Folge des Dienstunfalls, diese jedoch als von "überragender Bedeutung" für den "derzeitigen Gesundheitszustand" des Klägers bezeichnet. Der behandelnde Orthopäde Dr. U hat mit ärztlichem Attest ausgeführt, der Kläger leide nach seinen Angaben seit dem Dienstunfall ständig an Beschwerden im Bereich des linken Fußes, durch die Schonhaltung und durch den Schongang bekomme er rezidivierende Verspannungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, er befinde sich in ständiger Schmerztherapie, es handele sich um einen Zustand nach Quetschung des linken Vorfußes mit traumatischer Neuropathie vorwiegend der Nerven im Verlauf der Fußrückenseite sowie um eine beginnende Starre im Grundgelenk der ersten Zehe, Hallux valgus (Belastungsdeformierung) links.
Zwar kommt die Entscheidung der Frage, ob und wann eine Gesundheitsstörung mit Krankheitswert die Dienstunfähigkeit eines Beamten bewirkt, regelmäßig mit Vorrang dem Amtsarzt zu; bei Gutachten, in denen Fragen des Dienstrechts aus medizinischer Sicht zu beurteilen sind, ist bei einem Amtsarzt ein spezieller zusätzlicher Sachverstand zu unterstellen.
Das zwingt aber nicht dazu, der Auffassung des Amtsarztes in jedem Fall zu folgen.
Der Dienstherr hat die zur Frage, ob dem Kläger Unfallruhegehalt zustehe, eingeholte amtsärztliche Stellungnahme als nicht hinreichend plausibel erachtet und zur weiteren Aufklärung das erwähnte fachorthopädische Gutachten des Leitenden Oberarztes Prof. S und des Oberarztes Dr. M eingeholt. Darin wird eine Ursächlichkeit der Folgen des Dienstunfalls für die Dienstunfähigkeit des Klägers verneint und der Dienstherr und das Verwaltungsgericht haben diese Bewertung im Gegensatz zu der des Amtsarztes als überzeugend angesehen. Dass dies rechtsfehlerhaft ist, lässt sich allein damit, dass der Bewertung eines Amtsarztes regelmäßig der Vorzug zu geben ist, nicht begründen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf das von ihm vorgelegte ärztliche Attest des Orthopäden Dr. U verweist, ergibt sich auch daraus nichts Entscheidendes zu seinen Gunsten. .... Der Umstand, dass Dr. U den Kläger seit dem Dienstunfall ärztlich behandelt hat, rechtfertigt nicht den Schluss, Dr. U könne als einziger Arzt das Ausmaß und die Ursache der Beschwerden richtig bewerten.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen sich auch nicht unter dem Aspekt der vom Kläger vermissten weiteren Sachaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens seitens des Verwaltungsgerichts.
Das Verwaltungsgericht hat es nicht fehlerhaft unterlassen, von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) unter Berücksichtigung der schriftsätzlichen Beweisanregungen des Klägers ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
Diese hätte sich dem Verwaltungsgericht nur dann aufdrängen müssen, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermochten, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht.
Eine derartige Situation bestand hier nicht. Das Verwaltungsgericht hat das Sachverständigengutachten als ausreichende Grundlage für seine Überzeugungsbildung angesehen. Dass diese ärztlichen Äußerungen an einem der oben bezeichneten Mängel leiden, macht der Kläger nicht substantiiert geltend. Sofern sein Vorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dem Gericht müsse sich eine weitere Beweiserhebung aufdrängen, wenn Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist dem nicht zu folgen. Auch ist ein Tatsachengericht nicht schon deshalb verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen, weil ein Beteiligter bereits vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält.