Dienstunfall des Beamten, die Verknüpfung mit den dienstlichen Aufgaben
Dienstunfall: In Ausübung des Dienstes oder infolge des Dienstes.
Abzugrenzen ist zwischen dienstlicher und privater Sphäre
Der "Dienst" wird vom Gesetz umschrieben und dabei teils erweitert, so
dass letztlich ein Bild von einem geschützten Lebensbereich entsteht, der
gewissermaßen die dienstlich verankerte Risikosphäre darstellt und sich von dem dienstunfallrechtlich nicht geschützten privaten Leben abgrenzen lässt.Abgrenzungen ergeben sich insbesondere aus den Fragen wo sich der Unfall ereignete und bei welcher Art von Handlung bzw. Verhalten.
Nach den gesetzlichen Vorgaben gehören zum Dienst in diesem Sinne u.a. auch
- Dienstreisen,
- die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen,
- der direkte Weg von zu Hause zum Dienst, Umwege im Zusammenhang mit Kinderbetreuung oder im Hinblick auf Fahrgemeinschaften.
Der Zusammenhang mit dem Dienst wird im Gesetz also für verschiedene Fälle anerkannt, in denen man nur eine mehr oder weniger mittelbare Beziehung zu der eigentlichen Dienstverrichtung sieht.
Am 29.10.09 verhandelte das Bundesverwaltungsgericht - 2 C 134.07 - einen Fall, in dem es um einen Amoklauf an einer Schule ging. Kann ein Lehrer einen Dienstunfall erlitten haben, obwohl er während der Gewalttat gar nicht anwesend war, dann aber mit den schrecklichen Folgen konfrontiert wurde?
Hier wurde in der Rechtsprechung ein neuer Akzent gesetzt.
Zu einer ähnlichen Problematik gibt es ein Urteil des VG Lüneburg vom 20.04.05 – 1 A 315/04 –.
Der Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem ein Justizvollzugsbeamter erst auf einen Tatort hinzukam, nachdem der zuvor andere Personen angreifende Gefangene bereits Selbstmord begangen hatte. In jenem Fall scheiterte ein Anspruch des Klägers nach Meinung des Gerichts daran, dass er selbst nicht angegriffen worden war. Das Gericht führt u.a. aus, "der Kläger war bei diesem Vorfall nicht unmittelbar anwesend und wurde auch nicht selbst unmittelbar verletzt und auch sonst nicht direkt bedroht."
Der Lehrer in dem Fall des Bundesverwaltungsgerichts war hingegen bedroht worden und auf ihn hatte der Täter wohl in der Schule wirklich treffen wollen. Seinen Fall sieht das Bundesverwaltungsgericht anders.
Darüber hinaus gibt es in der Lebenswirklichkeit mit ihren vielfältigen Ausformungen eine Fülle von Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem privaten Lebensbereich des Beamten und der dienstlichen Sphäre.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat es nicht als Dienstunfall anerkannt, wenn ein Beamter während seiner Freizeit einen Briefkasten aufsucht, um einen Brief mit dienstlichem Inhalt einzuwerfen, und dabei verunglückt.
Diese Situation habe einen derart geringen dienstlichen Bezug, dass eine Übertragung des Haftungsrisikos auf den Dienstherrn nicht gerechtfertigt sei. (Hessischer VGH, Beschluss vom 07.01.08, 1 UZ 1064/07, abgedruckt in RiA 2009, 36 f.)
Den erforderlichen Zusammenhang mit der Dienstverrichtung sieht z. B. das Verwaltungsgericht Minden in einem Urteil vom 12.12.07 – 4 K 1451/07 – für gegeben an in einem Fall, in dem ein Lehrer nachmittags zu Hause von dem Vater einer Schülerin angegriffen wird wegen einer dienstlichen Handlung, die der Lehrer an dem Vormittag desselben Tages vorgenommen hatte.
Das Verwaltungsgericht Minden bezieht sich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und fordert mehr als einen bloß zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Dienstverrichtung. Es fordert eine gesteigerte Gefährdungslage, welcher der Beamte „wegen seiner Dienstausübung oder seines Amtes“ ausgesetzt sein muss. Diese Voraussetzungen sieht es in dem erwähnten Fall als erfüllt an, und zwar ausdrücklich auch im Hinblick auf § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG, es sieht in dem Geschehen also einen qualifizierten Dienstunfall.
Nicht unmittelbar auf das Beamtenrecht bezieht sich eine Entscheidung, in der es um die relativ neue Arbeitsform des Home-Office im eigenen Hause geht.
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 08.05.13, Aktenzeichen: S 5 U 293/12:
Ein Überfall auf einen Beschäftigten mit Büro im eigenen Haus stellt nur dann einen Arbeitsunfall dar, wenn ein Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit besteht.
Der Kläger arbeitete als Mitarbeiter einer Bausparkasse in einem Home Office im eigenen Wohnhaus in Dresden. Im März 2007 öffnete er auf ein Läuten die Hauseingangstür und wurde sofort von zwei Männern mit einer Pistole bedroht. Im Schlafzimmer schossen ihn die Täter in beide Kniegelenke. Danach verließen sie das Haus, ohne Wertsachen mitzunehmen. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen gab der Kläger an, bei dem Überfall sei es um Streitereien um Fördermittelzusagen von einer Million an einen Verein gegangen. Die Vereinsmitglieder hätten ihm gedroht, mal zwei Russen vorbeizuschicken, falls das schiefgehen sollte. Für den Verein war der Kläger privat als Berater tätig.
Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Überfall sei auf private Gründe zurückzuführen. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden abgewiesen. Ein abhängig Beschäftigter steht bei einem vorsätzlichen tätlichen Angriff nur dann unter Versicherungsschutz, wenn der Angriff des Täters aus betriebsbezogenen Motiven erfolgt. Die Motive der Täter waren am ehesten auf die private Tätigkeit des Klägers als Berater für einen Verein zurückzuführen. Unerheblich ist dabei, dass der Überfall zufällig zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Versicherungsangestellter erfolgte. Ein Zusammenhang des Überfalls mit einer versicherten Tätigkeit ist daher nicht feststellbar.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.10.22 - 1 L 95/21, 1 L 95/21.Z _
Keine Anerkennung eines Unfalls des Diensthundeführers bei Spaziergang mit seinem Diensthund als Dienstunfall Orientierungssatz:
Dass der Kläger nach den für ihn geltenden Dienstvorschriften als Zollhundeführer verpflichtet ist, den Zollhund zu pflegen und betreuen („sachgerecht unter Beachtung des Tierschutzes zu halten und zu pflegen“), und den Zollhund „zur dienstlichen Verwendung“ hält, ist nahezu selbstverständlich und genügt nicht, um eine maßgebende Prägung des Spaziergangs (der Kläger hatte an diesem Tag dienstfrei) durch die besonderen Erfordernisse des Dienstes zu begründen.