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Besitz kinderpornografischer Schriften - frühere Rechtsprechung BVerwG

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Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Dienstvergehen "Besitz und Verbreitung kinderpornographischer Dateien" hat sich seit 2010 deutlich hin zu einer strengeren Betrachtung verändert, insbesondere so weit die Berufsgruppen Lehrer und Polizeibeamte betroffen sind.
Das Gericht hat verschiedene Gelegenheiten ergriffen, um die Bewältigung dieses schwierigen gesellschaftlichen und juristischen Problems in die von ihm für richtig gehaltenen Bahnen zu lenken.
Veränderungen der Rechtsprechung wurden teils auch dadurch angestoßen, dass der Gesetzgeber die strafrechtlichen Vorschriften erweitert und verschärft hat. Vieles an vor 2020 ergangener Rechtsprechung dürfte obsolet sein, wobei allerdings unter anderem der jeweilige Tatzeitpunkt noch Bedeutung haben kann, hier gibt es ungeklärte Fragen.

Entscheidungen des Jahres 2010 - im Grunde nur noch Rechtsgeschichte

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19.08.10 -  2 C 5.10 - eine Sache zur erneuten Verhandlung an das OVG Hamburg zurückverwiesen. Damals war das Bundesverwaltungsgericht noch für eine differenzierende Betrachtung zu haben:
"Besitzt ein Lehrer außerdienstlich kinderpornographische Schriften, so ergibt sich die Disziplinarwürdigkeit dieser Pflichtverletzung aus dem Bezug zu seinen dienstlichen Pflichten. Auch wenn der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Schriften Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten aufweist, lässt sich diesem Dienstvergehen wegen der Variationsbereite der denkbaren Fallgestaltungen keine bestimmte Disziplinarmaßnahme im Sinne einer Regelmaßnahme zuordnen."
Letztlich hat das OVG Hamburg am 14.01.11 unter dem Aktenzeichen 12 b 263 / 10 gegen den Lehrer eine Gehaltskürzung verhängt. Zwar wäre nach Meinung des Gerichts eine Zurückstufung angebracht gewesen, aber diese war im Einzelfall aus laufbahnrechtlichen Gründen nicht möglich.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenfalls am 19.08.10 in ähnlicher Sache wie folgt entschieden:

Leitsätze des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.08.10 - 2 C 13.10 -:

Wird der Beamte wegen einer vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Straftat verurteilt, für die das Strafgesetzbuch zumindest eine mittelschwere Strafdrohung (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) vorsieht, so liegt in aller Regel ein Dienstvergehen im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG vor.

Dem außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften lässt sich wegen der Variationsbereite der denkbaren Fallgestaltungen nicht eine bestimmte Disziplinarmaßnahme im Sinne einer Regelmaßnahme zuordnen.

Weist der erstmalige außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Schriften keinen Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten auf, so ist die Schwere des Dienstvergehens und damit die angemessene Disziplinarmaßnahme in Anlehnung an die gesetzliche Strafdrohung zu ermitteln.

Kann eine im konkreten Fall als angemessen anzusehende Zurückstufung des Beamten aus laufbahnrechtlichen Gründen nicht verhängt werden, so ist die Kürzung der Dienstbezüge auch neben einer im Strafverfahren ausgesprochenen Geldstrafe stets im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG erforderlich, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dann schon im Dezember 2010 in zwei weiteren Entscheidungen klar gestellt, dass der Besitz kinderpornographischer Schriften durchaus zur Entfernung aus dem Dienst führen kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen die Revision nicht zugelassen.

Beschluss vom 22.12.10 - BVerwG 2 B 18.10 -:
Ein Oberstudienrat ist wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 StGB) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Der Beklagte hatte im Zeitraum Mai 2005 bis zur Hausdurchsuchung im November 2006 gegen eine Monatsgebühr von 89,00 US-Dollar Zugang zu einer Internetseite, auf der kinderporno­graphische Bilddateien angeboten wurden. Im März und im Mai 2006 gelangte der Beklagte gegen eine Gebühr von 79 US-Dollar in den Mitgliederbereich einer weiteren Internetseite mit kinderpornographischen Bilddateien und Videosequenzen. Im sachgleichen Disziplinarverfahren ist auf Entfernung aus dem Dienst erkannt worden.
(Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Revision des Beamten nicht zu.)

Beschluss vom 27.12.10 - BVerwG 2 B 28.10 -:
Ein Lehrer für die Sekundarstufe I ist wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 4 StGB) zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Der Beklagte, der auch im Sexualkundeunterricht für die Klassen 7 mit 12- und 13-jährigen Schülern eingesetzt worden war, hatte zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung im Juli 2006 auf seinem Computer 96 Bild- und 11 Videodateien kinderpornographischen Inhalts gespeichert. Im sachgleichen Disziplinarverfahren ist auf Entfernung aus dem Dienst erkannt worden.
(Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Revision des Beamten nicht zu.)


Entscheidungen des Jahres 2012

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 02.05.12 seine Rechtsprechung noch einmal erläutert, wobei es in diesem Fall - 2 WD 14.11 - um einen Soldaten ging:

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Entfernung aus dem Dienst gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 63 WDO erforderlich und angemessen.

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10.02.10 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägung.

Dabei entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass im Hinblick auf die Schwere und die disziplinare Einstufung von Fehlverhalten, das den Besitz kinderpornografischer Dateien zum Gegenstand hat (§ 184b Abs. 4 StGB), Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine nach außen sichtbare Disziplinarmaßnahme bildet. Sie besteht regelmäßig in einer Herabsetzung im Dienstgrad. Tritt ein Verschaffen solcher Dateien/Schriften an andere (§ 184b Abs. 2 StGB) - also ein Verbreiten - hinzu, wird das Fehlverhalten so gravierend, dass der Soldat im Allgemeinen für die Bundeswehr untragbar wird und er nur in minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe in seinem Dienstverhältnis verbleiben kann (vgl. Urteile vom 11.02.03 - BVerwG 2 WD 35.02 -, vom 28.04.05 - BVerwG 2 WD 25.04 - NZWehrr 2007, 28 ff., vom 25.09.07 - BVerwG 2 WD 19.06 -, vom 23.09.10 - BVerwG 2 WD 41.09 - Rn. 26 und vom 06.10.10 - BVerwG 2 WD 35.09 -).

Nach Auffassung des Senats ist ein „Zugänglichmachen“ im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht anders zu gewichten als ein „Verschaffen“ im Sinne von § 184b Abs. 2 StGB, bei dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienst bildet.
Denn in beiden Fällen erhält das Fehlverhalten höheres Gewicht dadurch, dass das Unrecht durch die Bereitschaft auch zur Weitergabe der Bilder vertieft und intensiv an der Schaffung und Aufrechterhaltung eines Marktes für derartige Dateien teilgenommen wird. Dem in beiden Fällen eines Verbreitens höheren Unrechtsgehalt der Verfehlung trägt der Gesetzgeber in beiden Fällen durch die höhere und vom Strafrahmen her übereinstimmende Strafandrohung als für den bloßen Besitz Rechnung. Da auch § 184b Abs. 2 StGB schon den mit einer schärferen Strafe bedroht, der es „unternimmt“ einem andern den Besitz an kinderpornografischen Schriften zu verschaffen und damit neben der vollendeten Tat auch den Versuch erfasst, bleibt rechtlich zudem ohne Bedeutung, dass der Zugriff eines Dritten nicht festgestellt worden ist.

... Die Grundlage der Maßnahmebemessung durch den Senat bildet hier die Feststellung einer Verletzung von § 17 Abs. 2 Satz 2 SG. Die ernsthafte Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens, die seine dienstliche Stellung erfordert, wird gerade durch die Verwirklichung kriminellen Unrechts im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 2 StGB verursacht.

Da vorliegend neben dem bloßen Besitz kinderpornografischer Dateien auch ein Zugänglichmachen einer Datei Grundlage der Schuldfeststellung ist, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Verhängung der Höchstmaßnahme.

bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen.

Vorliegend konnte der Senat keinen minderschweren Fall erkennen, der es ausnahmsweise gebieten würde, von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen.

Ein minderschwerer Fall kann nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass wegen der bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts nur ein Fall des Zugänglichmachens in Rede steht. Die Einstufung eines konkreten Dienstvergehens als minderschwer verlangt eine Gesamtbetrachtung der bemessungsrelevanten Kriterien und kann nicht schematisch von der Zahl der einen Straftatbestand erfüllenden Handlungen abhängig gemacht werden. Der Senat hatte im Urteil vom 06.10.10 (BVerwG 2 WD 33.09 - Rn. 35) einen minderschweren Fall des Verschaffens nicht allein damit begründet, dass nur ein Mal eine Datei kinderpornografischen Inhalts versendet worden war, sondern zusätzlich auf die Motivation der Versendung abgestellt. Dort war festgestellt worden, dass „die einmalige Versendung lediglich im Zusammenhang mit dem Versuch einer Kontaktaufnahme zu Frauen erfolgte und mithin nicht von der Absicht getragen war, eigene oder pädophile Neigungen anderer zu befriedigen.“ Vergleichbar liegt der Fall hier nicht. Das Zugänglichmachen der Datei kinderpornografischen Inhalts war notwendig mit der Teilnahme an der Tauschbörse verbunden, was der Soldat als Fachinformatiker auch wusste und zumindest billigend in Kauf nahm. Die Teilnahme an der Tauschbörse diente der Befriedigung der eigenen, auf die Darstellung von Sexualstraftaten an Kindern gerichteten Neugier. Der Soldat nahm die Befriedigung pädophiler Neigungen Dritter in unbestimmter Vielzahl und in der Anonymität des Internets billigend in Kauf, um für sich die Nutzung der Tauschbörse zur Befriedigung einer sozialschädlichen Neugier zu ermöglichen, wobei die Anzahl der Zugriffsmöglichkeiten auch in keiner Weise beschränkt war. Da es sich hier um den typischen Fall der Nutzung einer Tauschbörse mit kinderpornografischen Inhalten handelt, sind die Gesamtumstände des konkret in Rede stehenden Zugänglichmachens nicht geeignet, von einem im Vergleich zum Durchschnittsfall weniger gewichtigen Fehlverhalten auszugehen. Hinzu kommt noch, dass auch der hohen Zahl gespeicherter kinderpornografischer Dateien Rechnung zu tragen ist (vgl. Urteil vom 06.10.10 - BVerwG 2 WD 35.09 - Rn. 42

Auch die weiteren, für den Soldaten sprechenden Aspekte sind nicht hinreichend gewichtig, um eine Milderung gegenüber der Regelmaßnahme zu rechtfertigen:

Der Verteidiger weist zutreffend darauf hin, dass der Soldat nicht gewerbsmäßig handelt. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er in strafrechtlicher Hinsicht ein noch höheres Unrecht verwirklicht, für das der Strafrahmen weiter reicht (§ 184b Abs. 3 StGB). Das Fehlen eines zusätzlichen Verschärfungsgrundes begründet aber keinen Milderungsgrund. Dies gilt auch für den Umstand, dass der Soldat weder Kameraden in das Unrecht verstrickt noch seinen Dienstrechner hierfür eingesetzt hat.

Dass die dienstlichen Auswirkungen des Fehlverhaltens im konkreten Fall nicht gravierend gewesen sein mögen, steht der Verhängung der Höchstmaßnahme nicht entgegen, weil das besondere Gewicht des Fehlverhaltens nicht die dienstlichen Auswirkungen, sondern die gravierende Verletzung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte der für die Herstellung der in Rede stehenden Bilder missbrauchten Kinder begründen.

Die guten Leistungen des Soldaten vor dem Dienstvergehen und seine Nachbewährung während des anhängigen Disziplinarverfahrens lassen die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht unangemessen werden: Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, so dass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen (Urteile vom 13.01.11 - BVerwG 2 WD 20.09 - Rn. 51 m.w.N. und vom 16.06.11 - BVerwG 2 WD 11.10 - Rn. 40), auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können.

Dass das Vertrauen seiner ehemaligen und gegenwärtigen Disziplinarvorgesetzten in seine künftige Zuverlässigkeit nach deren Bekundungen in der Berufungshauptverhandlung nicht vollständig zerstört ist, steht der Verhängung der Höchstmaßnahme nicht entgegen. Denn nach der ständigen Senatsrechtsprechung hängt die Beantwortung der Frage nach der erforderlichen fortbestehenden Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten nicht entscheidend von den Erwägungen und Entscheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der unmittelbaren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Soldaten erschüttert oder gar zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und zu bewerten (Urteile vom 28.04.05 - BVerwG 2 WD 25.04 - Rn. 20 - NZWehrr 2007, 28 und vom 16.12.10 - BVerwG 2 WD 43.09 - Rn. 48).

Dass der Soldat bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, kann das Absehen von der Höchstmaßnahme nicht rechtfertigen. Damit hat der Soldat keine besondere Leistung erbracht, die ihn aus dem Kameradenkreis heraushebt, sondern nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt.

Es trifft zwar zu, dass sich die im sachgleichen Strafverfahren verhängte Geldstrafe am unteren Rand des gesetzlichen Strafrahmens bewegt. Die in einem konkreten Einzelfall verhängte Kriminalstrafe hat für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme aber grundsätzlich keine Bedeutung: Steht § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder ihn aus dem Dienstverhältnis entfernt bzw. die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteile vom 13.01.11 - BVerwG 2 WD 20.09 - und vom 4.05.11 - BVerwG 2 WD 2.10 - jeweils juris und jeweils m.w.N.). Daher misst der Senat zwar der in den Strafrahmen des Strafgesetzbuches zum Ausdruck kommenden Gewichtung des Unrechtsgehaltes einer Tat durch den Gesetzgeber eine indizielle Bedeutung für die Schwere auch des Dienstvergehens bei, nicht aber der Höhe einer konkreten strafrechtlichen Sanktion.

Das Geständnis und die bekundete Unrechtseinsicht bewertet der Senat aus den oben genannten Gründen nicht so hoch, dass von der Regelmaßnahme ausnahmsweise abgewichen werden müsste.

Die Gewährung des Unterhaltsbeitrages nach § 63 Abs. 2 WDO ist nicht über den Zeitraum von sechs Monaten zu verlängern, weil angesichts der wirtschaftlichen Lage des Soldaten dies nicht zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig wäre (§ 63 Abs. 3 Satz 2 WDO). Der Senat sieht auch keinen Grund für einen Ausschluss eines Unterhaltsbeitrages nach § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO. Insbesondere liegt eine Unwürdigkeit im Sinne der Norm nicht schon in den Umständen, die die Notwendigkeit der Verhängung der Höchstmaßnahme begründen. Vielmehr können nur solche Umstände eine „Nichtwürdigkeit“ begründen, die nach der Art und dem Gewicht des Fehlverhaltens sowie nach der Persönlichkeit des Soldaten und dem Maß seiner Schuld jeden Grund für die nachwirkende Fürsorgepflicht des Dienstherrn entfallen lassen. Dies kommt insbesondere in Fällen besonders treuwidrigen Verhaltens und vor allem dann in Betracht, wenn das Gesamtverhalten des (früheren) Soldaten den Schluss zulässt, dass er jedes ernsthafte Interesse für die dienstlichen Belange vermissen lässt und dass es bei ihm bereits seit längerem an dem unabdingbaren Mindestmaß an Verantwortung für die dienstlichen Bedürfnisse fehlt (vgl. Urteile vom 21.09.04 - BVerwG 2 WD 11.04 - NZWehrr 2005, 39 = DÖV 2005, 345 = ZBR 2005, 211 m.w.N. und vom 27.10.05 - BVerwG 2 WD 4.05 -). Hieran fehlt es.


Beachten Sie ggf. auch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.05.12 - Beschluss in der Sache BVerwG 2 B 133.11 - und vom 31.05.12 - Beschluss in der Sache BVerwG 2 B 141.11 - sowie vom 26.06.12 - BVerwG 2 B 28.12 -.

Entscheidungen nach 2013

In einem Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 23.01.14 - 2 B 52.13 - geht es um einen Polizeikommissar. Im Jahr 2009 wurde er durch Strafbefehl wegen des Besitzes und der Verbreitung kinderpornographischer Schriften in 7 Fällen nach § 184b Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte sich in den Jahren 2004 und 2008 mindestens 352 Bilder und 6 Videos mit kinderpornografischem Inhalt verschafft, besessen und durch die Nutzung eines Filesharing-Tools öffentlich zugänglich gemacht. Im Disziplinarverfahren hat ihn das Verwaltungsgericht wegen des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Revision des Beamten nicht zu.

Wichtig erscheint eine Entscheidung vom 18.06.15 - BVerwG 2 C 9.14 -
Für Lehrer dann noch wichtig der Beschluss vom 19.09.18 - BVerwG 2 B 11.18 -, in dem das Gericht die von dem Oberverwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Dienst mit den folgenden Worten kommentiert:
"Lediglich angemerkt sei, dass der Angriff auf das Berufungsurteil auch in der Sache erfolglos bleiben müsste. Denn das Berufungsurteil hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall des Beklagten zusätzlich zu der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von immerhin neun Monaten vor allem die Anzahl der Dateien (mehr als 400) und deren Intensität (u.a. vaginaler, oraler und analer Geschlechtsverkehr mit Kleinkindern) rechtsfehlerfrei disziplinarisch erheblich maßnahmeschärfend berücksichtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.15 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 18 und Beschluss vom 08.06.17 - 2 B 5.17 - Rn. 10). Dass das Oberverwaltungsgericht angesichts der danach massiven Verfehlung des Beklagten nachträglich entlastende Umstände des Einzelfalls - Nachtatverhalten durch Sozialarbeit und erfolgreiche mehrjährige Therapie - in der Gesamtabwägung nicht zu Gunsten des Beklagten hat durchschlagen lassen, ist von der revisionsrechtlich nicht angreifbaren tatrichterlichen Würdigung gedeckt."

Soldaten:
Urteil vom 05.07.2018 - BVerwG 2 WD 10.18 -
Leitsatz:
Besitzt ein Soldat deutlich mehr als 2.000 kinder- oder jugendpornographische Dateien, ist die Höchstmaßnahme tat- und schuldangemessen, wenn dem nicht mildernde Umstände von hohem Gewicht gegenüberstehen.

Anmerkungen am Rande

Problematisch ist bekanntlich nicht nur der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften (wie auch natürlich deren Weitergabe und Verbreitung), sondern auch das Surfen im Internet am dienstlichen (oder betrieblichen) Computer. Selbst wenn dabei keine strafbaren Inhalte aufgerufen werden, kann die unerlaubte Nutzung dienstlicher (bzw. betrieblicher) Computer zu Verfahren vor den Disziplinargerichten (bzw. den Arbeitsgerichten) führen.



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Dienstvergehen / Übersicht
A. Grundlagen Dienstvergehen: Einführung Gesetzesgrundlage Pflichtenverstoß innerdienstlich/außerdienstlich? Bagatelle kein Dienstvergehen Einheit des Dienstvergehens Versuch des Dienstvergehens Schuldfähigkeit Schuldunfähigkeit Verminderte Schuldfähigkeit? BVerwG 2 c 59.07
Schwerbehinderte Beamte Pensionierung
B. Beispiele Alkoholabhängigkeit Amtsarztuntersuchung Anabolika Arbeitszeitbetrug Bestechlichkeit Betrug im Dienst Betrug / Trennungsgeldbetrug Chatgruppen Diebstahl im Dienst / Spielsucht Diebstahl an hilfloser Person Diebstahl außerdienstlich Drogendelikt / Beihilfe Drogenerwerb Fernbleiben vom Dienst Flucht in die Öffentlichkeit Gesunderhaltungspflicht Impfpflicht / Soldaten / Beamte Internetauftritt Kinderpornografie / Übersicht Körperverletzung im Amt Meineid Nebentätigkeit Nichtbefolgen von Weisung Reaktivierung abgelehnt
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Kinderpornografie Kinderpornografie / Übersicht Strafgesetzbuch Posing-Darstellungen Entfernung aus dem Dienst droht Verfahrensrechtliches Besitz von Bilddateien Bundesverwaltungsgericht weit zurückliegende Tat/ Alkohol BVerwG 18.06.15/ Polizist Andere Gerichte BayVGH 2019/ Lehrer OVG Schleswig 2016/ Lehrer VGH BW 2009: Lehrer BVerfG 2008: Staatsanwalt
- Kindesmissbrauch BVerwG 25.03.10
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