Disziplinarrecht: Kindesmissbrauch als schweres Dienstvergehen
Verlust des Beamtenstatus schon durch Strafgerichtsurteil möglich
Alle Formen des Kindesmissbrauchs werden häufig schon von den Strafgerichten mit Strafen geahndet, die kraft Gesetzes zum Erlöschen des Beamtenstatus führen.
Das Beamtenverhältnis endet, wenn durch Urteil des Strafgerichts eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verhängt wird, mit Rechtskraft des Urteils des Strafgerichts. (Bei bestimmten anderen Deliktsarten genügen schon mildere Strafen.)
Ein Disziplinarverfahren wird dann nicht mehr durchgeführt: der Betroffene ist ja nun nicht mehr Beamter.
Eine Pension erhält er nicht, er wird in der Rentenversicherung nachversichert, u. U. kommen künftig neue Regelungen über ein sog. Altersgeld zum Tragen.
Entfernung aus dem Dienst durch Disziplinargericht
Verhängt das Strafgericht eine mildere Strafe, so müssen Sie fürchten, dass der Dienstherr im Disziplinarverfahren eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis anstreben wird, weil das Dienstvergehen schwer wiegt.
Wie eine Sanktion letztlich ausfällt, ist damit noch nicht gesagt, denn man muss jeden einzelnen Fall differenziert betrachten und das Disziplinarrecht gebietet eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Falles und der Persönlichkeit des Beamten.
Aber es gibt eine ganz lange Kette von eindeutigen Entscheidungen der Disziplinargerichte.
So entschied, um nur ein Beispiel zu nennen, das OVG NRW durch Urteil vom 11.12.01 - 15 d A 429/01.o - auf Entfernung aus dem Dienst im Fall des Mitarbeiters eines Jugendamtes, der sich außerdienstlich des Kindesmissbrauchs schuldig gemacht hatte. Die Entscheidung finden Sie in DÖD 2002, 153 f.
Die Rechtsprechung hat sich im Laufe der Jahre gefestigt und die maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet.
Am 10.12.08 erging ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, mit welchem die Revision eines Beamten zugelassen wurde.
Die Begründung lautete wie folgt: "Die Revision ist ... zuzulassen. Die angestrebte Entscheidung erscheint geeignet, zur Klärung der Frage beizutragen, wie das Dienstvergehen des außerdienstlichen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, strafbar gemäß §§ 174, 176 StGB, nach seiner Schwere bei der prognostischen Gesamtwürdigung ... zu gewichten ist."
Es war deutlich, dass grundsätzliche Fragen geklärt werden sollten und das Gericht sich noch einmal zu Wort melden wollte.
In dieser Sache - fortgeführt unter dem Aktenzeichen 2 C 83.08 - ist am 25.03.10 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergangen. Die Sache wird vom Bundesverwaltungsgericht zur erneuten Verhandlung an das Oberverwaltungsgericht zurück verwiesen, weil noch weitere Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen sind. Dennoch ist aus dem Urteil eine eindeutige Tendenz erkennbar.
Wer in Verfahren dieser Art als Rechtsanwalt tätig ist, sollte das Urteil vom 25.03.10 unbedingt auswerten.
Das Gericht macht sehr deutlich, dass es den Kindesmissbrauch für ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen hält und grundsätzlich eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis für geboten erachtet. In weiteren Entscheidungen, unter anderem in einem Beschluss vom 23.06.10 - 2 B 44.09 - hat das Gericht betont, dass es wirklich so verstanden werden will. Ebenso im Urteil vom 02.05.19 - BVerwG 2 WD 15.18 -
Das Urteil vom 25.03.10 enthält über die hier angesprochene Deliktsart hinaus bemerkenswerte Ausführungen zu den disziplinarrechtlichen Bemessungskriterien und zur Bedeutung der verminderten Schuldfähigkeit bei der Bewertung von Dienstvergehen.