Disziplinarrecht: sexuelle Belästigung einer Kollegin durch SMS
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.05, 2 WD 33/04
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.10.05 die Berufung eines Hauptfeldwebels zurückgewiesen, der wegen sexueller Belästigung einer Untergebenen durch Versenden anzüglicher SMS-Texte zu einem Beförderungsverbot für die Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden war.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei erkennen lassen, dass es sich durchaus eine schärfere Ahndung des Dienstvergehens hätte vorstellen können.
Am Ende der Entscheidung heißt es u. a. wie folgt:
Zu Lasten des Soldaten fällt erschwerend ins Gewicht, dass er die Pflichtverletzungen nicht nur einmal beging, sondern - in ähnlicher Form - in hoher Anzahl. Er hat wiederholt gegen die Pflichten zur Fürsorge, zur Kameradschaft und zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im dienstlichen Bereich verstoßen, indem er eine unterstellte Soldatin mehrfach - in einem Fall sogar über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr - durch Zusendung unerwünschter SMS belästigte. Er ließ sich selbst durch regelmäßig ablehnende oder zumindest ausweichende Antworten der Zeugin nicht davon abbringen, sein Fehlverhalten fortzusetzen. Das zeigt ein hohes Maß an Rücksichtslosigkeit.
Bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu berücksichtigen, dass der Soldat zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen einen Dienstgrad trug, der ihm Vorgesetzteneigenschaft gegenüber der Zeugin verlieh. Mit seinem Fehlverhalten gab er nicht das von einem Vorgesetzten verlangte Beispiel in Haltung und Pflichterfüllung, sondern im Gegenteil ein außerordentlich schlechtes Beispiel.
Zu Lasten des Soldaten sind die negativen gesundheitlichen Folgen bei der Zeugin zu berücksichtigen. So traten bei ihr nach eigenen Angaben Bauchschmerzen, innerer Druck, Angstgefühle und Schlafstörungen auf. Im Untersuchungsbericht des Leiters der Abteilung Neurologie und Psychiatrie eines Bundeswehrkrankenhauses wurde festgestellt, dass es bei ihr seit Mitte 2002 zu Ängsten (insbesondere zur Angst, in die Kompanie zu gehen), Magenbeschwerden, Durchfall und Schlafstörungen gekommen sei; eine "gut verstehbare depressive und besorgte Reaktion bei konflikthafter Belastung" wurde diagnostiziert. Der Senat hat keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen, zumal ihnen der Soldat auch in der Berufungshauptverhandlung nicht entgegengetreten ist.
Außerdem fällt negativ ins Gewicht, dass der Dienstbetrieb nicht unerheblich beeinträchtigt wurde. Denn zum einen sah sich die Zeugin gezwungen, dem Soldaten aus dem Weg zu gehen und nicht mehr in der notwendigen vertrauensvollen Weise mit ihm zusammen zu arbeiten. Zum anderen bewirkte das Fehlverhalten des Soldaten, dass die Zeugin anschließend aus Gesundheitsgründen versetzt wurde.
Das Maß der Schuld ist von der vorsätzlichen Begehungsweise geprägt.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, liegen nicht vor.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung ihrer erforderlichen Dienstaufsicht (vgl. dazu BVerwG NVwZ-RR 2003, 366 [367], und BVerwG DokBer 2003, 303) - sind nicht ersichtlich. Vielmehr wurde der Kompaniechef sofort tätig, nachdem ihm die Vorwürfe von der Gleichstellungsbeauftragten mitgeteilt worden waren. Vor diesem Zeitpunkt hatten die Vorgesetzten des Soldaten nach den getroffenen Feststellungen keine Kenntnis von einer Belästigung der Zeugin K.
Die Beweggründe für das Fehlverhalten lagen offenbar im Interesse des Soldaten, näheren - intimen - Kontakt mit der betroffenen Zeugin zu knüpfen. Dafür spricht insbesondere, dass der Soldat bereits vorher die im Dienst gebotene Distanz zu der unterstellten Soldatin nicht einhielt, indem er sie - von sich aus - duzte, und dass er sie schließlich ganz offen mit seinen sexuellen Bedürfnissen konfrontierte und sie mit sexuellen Anzüglichkeiten und Aufforderungen bedrängte.
Im Hinblick auf die Persönlichkeit und die bisherige Führung sind seine sehr guten dienstlichen Leistungen hervorzuheben, die insbesondere in seiner letzten planmäßigen Beurteilung sowie auch in der Sonderbeurteilung zum Ausdruck gekommen sind. Nach Begehung seiner Verfehlungen hat der Soldat in seinen Leistungen nicht nachgelassen. Ebenfalls zu seinen Gunsten sprechen die ihm erteilten förmlichen Anerkennungen, die zwei gewährten Leistungsprämien sowie die verliehenen Auszeichnungen. Zudem ist er weder disziplinar noch strafrechtlich vorbelastet.
Zu seinen Lasten spricht dagegen seine Uneinsichtigkeit. ...
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten war vor allem die Schwere des Dienstvergehens zu gewichten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei einer entwürdigenden Behandlung von Untergebenen im Regelfall die Dienstgradherabsetzung, in schweren Fällen sogar die Höchstmaßnahme verwirkt. Auch bei einer sexuellen Belästigung ohne (wehr-) strafrechtlichen Hintergrund hat der Senat wiederholt entschieden, dass eine solche "reinigende Maßnahme" Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (vgl. BVerwG NVwZ-RR 2001, 43).
Vorliegend wäre im Hinblick auf die zahlreichen und teilweise erheblichen Belästigungen und angesichts der äußerst negativen Auswirkungen des vorsätzlich begangenen Dienstvergehens und der Uneinsichtigkeit des Soldaten sowie aus generalpräventiven Gesichtspunkten an sich eine Dienstgradherabsetzung um einen Dienstgrad als die tat- und schuldangemessene Reaktion anzusehen.
Dem Ausspruch dieser Disziplinarmaßnahme durch den Senat stand jedoch das Verschlechterungsverbot entgegen, ....
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.10.05 die Berufung eines Hauptfeldwebels zurückgewiesen, der wegen sexueller Belästigung einer Untergebenen durch Versenden anzüglicher SMS-Texte zu einem Beförderungsverbot für die Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden war.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei erkennen lassen, dass es sich durchaus eine schärfere Ahndung des Dienstvergehens hätte vorstellen können.
Am Ende der Entscheidung heißt es u. a. wie folgt:
Zu Lasten des Soldaten fällt erschwerend ins Gewicht, dass er die Pflichtverletzungen nicht nur einmal beging, sondern - in ähnlicher Form - in hoher Anzahl. Er hat wiederholt gegen die Pflichten zur Fürsorge, zur Kameradschaft und zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im dienstlichen Bereich verstoßen, indem er eine unterstellte Soldatin mehrfach - in einem Fall sogar über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr - durch Zusendung unerwünschter SMS belästigte. Er ließ sich selbst durch regelmäßig ablehnende oder zumindest ausweichende Antworten der Zeugin nicht davon abbringen, sein Fehlverhalten fortzusetzen. Das zeigt ein hohes Maß an Rücksichtslosigkeit.
Bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu berücksichtigen, dass der Soldat zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen einen Dienstgrad trug, der ihm Vorgesetzteneigenschaft gegenüber der Zeugin verlieh. Mit seinem Fehlverhalten gab er nicht das von einem Vorgesetzten verlangte Beispiel in Haltung und Pflichterfüllung, sondern im Gegenteil ein außerordentlich schlechtes Beispiel.
Zu Lasten des Soldaten sind die negativen gesundheitlichen Folgen bei der Zeugin zu berücksichtigen. So traten bei ihr nach eigenen Angaben Bauchschmerzen, innerer Druck, Angstgefühle und Schlafstörungen auf. Im Untersuchungsbericht des Leiters der Abteilung Neurologie und Psychiatrie eines Bundeswehrkrankenhauses wurde festgestellt, dass es bei ihr seit Mitte 2002 zu Ängsten (insbesondere zur Angst, in die Kompanie zu gehen), Magenbeschwerden, Durchfall und Schlafstörungen gekommen sei; eine "gut verstehbare depressive und besorgte Reaktion bei konflikthafter Belastung" wurde diagnostiziert. Der Senat hat keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen, zumal ihnen der Soldat auch in der Berufungshauptverhandlung nicht entgegengetreten ist.
Außerdem fällt negativ ins Gewicht, dass der Dienstbetrieb nicht unerheblich beeinträchtigt wurde. Denn zum einen sah sich die Zeugin gezwungen, dem Soldaten aus dem Weg zu gehen und nicht mehr in der notwendigen vertrauensvollen Weise mit ihm zusammen zu arbeiten. Zum anderen bewirkte das Fehlverhalten des Soldaten, dass die Zeugin anschließend aus Gesundheitsgründen versetzt wurde.
Das Maß der Schuld ist von der vorsätzlichen Begehungsweise geprägt.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern würden, liegen nicht vor.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung ihrer erforderlichen Dienstaufsicht (vgl. dazu BVerwG NVwZ-RR 2003, 366 [367], und BVerwG DokBer 2003, 303) - sind nicht ersichtlich. Vielmehr wurde der Kompaniechef sofort tätig, nachdem ihm die Vorwürfe von der Gleichstellungsbeauftragten mitgeteilt worden waren. Vor diesem Zeitpunkt hatten die Vorgesetzten des Soldaten nach den getroffenen Feststellungen keine Kenntnis von einer Belästigung der Zeugin K.
Die Beweggründe für das Fehlverhalten lagen offenbar im Interesse des Soldaten, näheren - intimen - Kontakt mit der betroffenen Zeugin zu knüpfen. Dafür spricht insbesondere, dass der Soldat bereits vorher die im Dienst gebotene Distanz zu der unterstellten Soldatin nicht einhielt, indem er sie - von sich aus - duzte, und dass er sie schließlich ganz offen mit seinen sexuellen Bedürfnissen konfrontierte und sie mit sexuellen Anzüglichkeiten und Aufforderungen bedrängte.
Im Hinblick auf die Persönlichkeit und die bisherige Führung sind seine sehr guten dienstlichen Leistungen hervorzuheben, die insbesondere in seiner letzten planmäßigen Beurteilung sowie auch in der Sonderbeurteilung zum Ausdruck gekommen sind. Nach Begehung seiner Verfehlungen hat der Soldat in seinen Leistungen nicht nachgelassen. Ebenfalls zu seinen Gunsten sprechen die ihm erteilten förmlichen Anerkennungen, die zwei gewährten Leistungsprämien sowie die verliehenen Auszeichnungen. Zudem ist er weder disziplinar noch strafrechtlich vorbelastet.
Zu seinen Lasten spricht dagegen seine Uneinsichtigkeit. ...
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten war vor allem die Schwere des Dienstvergehens zu gewichten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei einer entwürdigenden Behandlung von Untergebenen im Regelfall die Dienstgradherabsetzung, in schweren Fällen sogar die Höchstmaßnahme verwirkt. Auch bei einer sexuellen Belästigung ohne (wehr-) strafrechtlichen Hintergrund hat der Senat wiederholt entschieden, dass eine solche "reinigende Maßnahme" Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (vgl. BVerwG NVwZ-RR 2001, 43).
Vorliegend wäre im Hinblick auf die zahlreichen und teilweise erheblichen Belästigungen und angesichts der äußerst negativen Auswirkungen des vorsätzlich begangenen Dienstvergehens und der Uneinsichtigkeit des Soldaten sowie aus generalpräventiven Gesichtspunkten an sich eine Dienstgradherabsetzung um einen Dienstgrad als die tat- und schuldangemessene Reaktion anzusehen.
Dem Ausspruch dieser Disziplinarmaßnahme durch den Senat stand jedoch das Verschlechterungsverbot entgegen, ....
Wenn es zu körperlichen Berührungen kommt, beachten Sie bitte § 184 i StGB:
§ 184 i StGB: Sexuelle Belästigung
(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.