Disziplinarrecht: Erwerb von Betäubungsmitteln als Dienstvergehen
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.06.03 - 3 A 10767/03 -
Ein Polizeibeamter, der sich wiederholt des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Cannabisprodukte) schuldig macht und engen Kontakt zum Milieu der Drogenlieferanten pflegt, ist aus dem Dienst zu entfernen.
Ein Polizeibeamter, der sich wiederholt des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Cannabisprodukte) schuldig macht und engen Kontakt zum Milieu der Drogenlieferanten pflegt, ist aus dem Dienst zu entfernen.
Der Beklagte war Polizeiobermeister in Rheinland-Pfalz. Im September 2001 leitete man gegen ihn ein Disziplinarverfahren wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln und unerlaubter Benutzung des polizeilichen Computerprogramms ein. Er wurde vorläufig des Dienstes enthoben. Im Juli 2002 wurde das Disziplinarverfahren um den Vorwurf erweitert, er sei ohne Genehmigung einer Nebentätigkeit nachgegangen.
Mit der Disziplinarklage wurde dem Beamten vorgeworfen, in schwerwiegender Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben.
In seiner Erwiderung räumt der Beamte den Erwerb von Betäubungsmitteln ein: Zu berücksichtigen sei aber, dass es sich um weiche Drogen gehandelt und er keine Dritten gefährdet habe. Den Drogenkonsum habe er lange vor der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht eingestellt. Auch habe er sich nicht im kriminellen Milieu aufgehalten und keine Daten aus dem Polizeicomputer weitergegeben. Bei der ihm vorgeworfenen Nebentätigkeit habe es sich um unentgeltliche Gefälligkeiten gehandelt.
Das Verwaltungsgericht hat den Beamten aus dem Dienst entfernt.
Die Berufung des Beamten bleibt ohne Erfolg. Das OVG teilt die Auffassung, dass der Beklagte durch sein Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Dienst zu entfernen ist.
Diese Wertung beruht auf der Feststellung folgender Dienstvergehen: unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln (Haschisch und Marihuana) in elf Fällen; unerlaubte Abfrage im Computerprogramm POLIS ohne dienstliches Bedürfnis; Ausübung einer Nebentätigkeit ohne die erforderliche Genehmigung.
Dabei liegt das Schwergewicht in dem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln einschließlich der näheren Umstände der Drogenbeschaffung. Bei diesem außerdienstlichen Verhalten handelt es sich deshalb um ein schweres Dienstvergehen, weil es nach den Umständen des Falles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt eines Polizisten und das Ansehen der Polizeibeamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Jeder Beamte hat die Pflicht, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes so einzurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. Dies schließt die Verpflichtung ein, ein Leben in Einklang mit dem Gesetz zu führen und vor allem nicht gegen Strafgesetze zu verstoßen. Zwar kann nicht in jeder schuldhaften Verwirklichung eines Straftatbestandes zwangsläufig ein Dienstvergehen eines Beamten gesehen werden. Der Polizeibeamte unterliegt insofern jedoch wegen seines besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung. Hiermit ist es unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter - auch außerhalb des Dienstes - gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und einem besonderen staatlichen Anliegen dienen. Bei den Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes handelt es sich um solche Vorschriften. ...
Verstöße gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sind in besonderer Weise geeignet, die dem Beamten zukommende Achtung und seine dienstliche Vertrauenswürdigkeit in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen.
An dieser Bewertung ändert sich nichts dadurch, dass der Beamte lediglich weiche Drogen zum Eigenkonsum erworben hat. Zwar hat das BVerfG die strafrechtliche Beurteilung von Fällen des Erwerbs oder Besitzes geringer Mengen von Cannabisprodukten relativiert und seine Forderung, in solchen Fällen regelmäßig von einer Bestrafung abzusehen, kann auch Auswirkungen auf die disziplinarrechtliche Bewertung eines solchen Sachverhalts haben. Dies ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit, die jeweils besonderen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Denn das BVerfG hat die Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften gegen den Erwerb und den Besitz von Cannabisprodukten als solche nicht in Frage gestellt. Es hat vielmehr das besondere gesetzgeberische Ziel hervorgehoben, mit dem Betäubungsmittelgesetz die Gesundheit sowohl des Einzelnen wie auch der Bevölkerung im Ganzen vor den von Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren zu schützen und die Bevölkerung, vor allem Jugendliche, vor Abhängigkeit von Betäubungsmitteln zu bewahren. Der Schutz dieser wichtigen Gemeinschaftsbelange rechtfertige ein umfassendes Verbot des Umgangs mit Betäubungsmitteln und weise Verstöße hiergegen zu Recht als strafwürdiges und strafbedürftiges Unrecht aus.
Bei dem Verhalten des Beklagten ist zu seinen Lasten vor allem zu berücksichtigen, dass es sich nicht um einen einmaligen Verstoß, sondern um eine Vielzahl von Erwerbstatbeständen in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum handelt und die Abwicklung der Drogenbeschaffung einen engen Kontakt mit dem Milieu der Drogenlieferanten aufweist. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht auch von einer Einstellung des Verfahrens abgesehen und den Beklagten zu einer Geldstrafe verurteilt. Wie das VG dargelegt hat, beschaffte sich der Beklagte die Drogen nicht anonym von ihm unbekannten Personen.
Vor diesem Hintergrund erhält die Verfehlung des Beklagten ihr entscheidendes Gewicht als besonders schweres außerdienstliches Dienstvergehen dadurch, dass er Polizeibeamter ist. Ein solches Verhalten im außerdienstlichen Bereich erschüttert in ganz erheblichem Maße das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit darauf, dass er innerdienstlich sich an Gesetz und Recht orientieren und sein Amt uneigennützig und unvoreingenommen ausüben wird. Die Vertrauensunwürdigkeit folgt wesentlich aus der Gegensätzlichkeit des außerdienstlichen Verhaltens und der spezifischen Dienstpflichten des Beklagten, ohne dass es konkret auf die Frage der Erpressbarkeit des Beklagten ankommen würde, die aber wegen der Vernetzung der Drogenszene ebenfalls nicht auszuschließen ist. Entscheidend ist, dass durch den Erwerb der Betäubungsmittel und die Art und Weise der Verstrickung des Beklagten in das Milieu der Drogenlieferanten nicht ausräumbare Zweifel daran bestehen, ob der Beamte noch auf der Seite von Recht und Gesetz stehen und seine Amtspflichten uneingeschränkt und unvoreingenommen wahrnehmen wird.
Gegenüber diesem auf den Drogenkonsum bezogenen Verhalten treten die beiden anderen Anschuldigungspunkte deutlich zurück, ...
Was das disziplinarrechtliche Gewicht der Dienstvergehen anbelangt, kommt der Senat wie das VG zu der Auffassung, dass der Beamte durch sein Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Dienst zu entfernen war. Zu Lasten des Beklagten wirkt sich insbesondere aus, dass er außerhalb des Dienstes ein Verhalten gezeigt hat, das zu verhindern bzw. zu verfolgen Aufgabe seines Amtes war.
Im Ergebnis ebenso die Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 10.05.04 in IÖD 2004, 214 f.
Jene Entscheidung betrifft einen (Polizei-) Beamten auf Probe.
Das OVG Lüneburg entfernt mit einem Urteil vom 22.06.10 - 20 LD 7/08 - einen Lehrer aus dem Beamtenverhältnis, weil er in mindestens 20 Fällen je 5 g Marihuana aus den Niederlanden eingeführt und in mindestens 6 Fällen Cannabispflanzen angebaut hat.