Amtsärztliche Untersuchung auf Dienstunfähigkeit: Untersuchung verweigern?
Eine rechtswidrige Anordnung braucht ein Beamter nicht zu befolgen.
Wann eine Anordnung rechtswidrig ist, darüber streiten sich, wie man der nachfolgenden Entscheidung entnehmen kann, die Kammern des Verwaltungsgerichts Berlin untereinander.
Vergleichen Sie dazu Nummer 21 der Entscheidung.
Wie soll ein Anwalt da das Ergebnis vorhersagen können?
Interessant erscheinen uns auch
Randnummer 25, welche über die möglichen rechtlichen Folgen einer Verweigerung bzw. einer Teilnahme an der angeordneten Untersuchung informiert und
Randnummer 26, wo die Meinung vertreten wird, das der Dienstherr seine Beamten nicht ganz korrekt informiert.
Wer sich mit diesen Fragen befassen will, der muss natürlich auch die Entscheidung VG Berlin, Beschluss vom 5.02.19 - 28 L 590.18 - heranziehen.
In Randnummer 24 wird deutlich, dass die Anordnung der Untersuchung im vorliegenden Fall eigentlich wegen formaler Mängel rechtswidrig erscheint. Grundsätzlich sei in den Fällen der Untersuchung nach länger andauernder Dienstunfähigkeit eine umfassende Untersuchung (körperlich und psychisch) zulässig.
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 07.03.19 - 5 L 5.19
Leitsatz
Beschränkt der Dienstherr in einer Untersuchungsanordnung die amtsärztliche Untersuchung auf eine körperliche Untersuchung, muss er durch eine entsprechende Mitteilung an den Amtsarzt sicherstellen, dass auch nur eine körperliche - und nicht auch eine (orientierende) psychische - Untersuchung stattfinden wird.
im Ergebnis anders VG Berlin, Beschluss vom 5.02.19 - 28 L 590.18 -
Tenor
Es wird im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass die Antragstellerin der Aufforderung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 27.11.18, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, vorläufig nicht folgen muss.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die im August 1954 geborene Antragstellerin steht als Beamtin auf Lebenszeit im Dienst des Landes Berlin. Sie ist seit 13.02.17 arbeitsunfähig erkrankt, wobei die entsprechenden Bescheinigungen jeweils von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie ausgestellt wurden.
2
Mit Schreiben vom 27.11.18 kündigte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie unter Hinweis auf die lang andauernde krankheitsbedingte Abwesenheit der Antragstellerin an, eine „Einschätzung und Prognose“ zu ihrer Dienstfähigkeit beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Zentrale Medizinische Gutachtenstelle - ZMGA) zu veranlassen. Weiter heißt es in dem Schreiben:
3
„Die amtsärztliche Untersuchung in der ZMGA dauert ungefähr eine Stunde und umfasst
- eine Anamneseerhebung
- eine körperliche Untersuchung (umfänglich oder beschwerdeorientiert)
- gegebenenfalls auch eine Laboruntersuchung.“
7
Nachdem die Antragstellerin Einwendungen erhoben hatte, übersandte die Senatsverwaltung mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 unter anderem ein von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport herausgegebenes „Merkblatt für Beamtinnen und Beamte zur ärztlichen Untersuchung im Zusammenhang mit der Feststellung von Dienstunfähigkeit“ (im Folgenden: Merkblatt). Darin heißt es unter Nr. 12:
8
„Zur Feststellung einer evtl. Dienstunfähigkeit bedarf es einer umfassenden Prüfung ihres Gesundheitszustandes. In der Regel erfolgen ein Anamnesegespräch, die Erhebung eines körperlichen und ggf. orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes sowie evtl. auch eine Laboruntersuchung (Blutentnahme, Urinprobe u.Ä.). Ggf. ergeben sich Art und Umfang der zu erwartenden ärztlichen Untersuchung aus der Untersuchungsaufforderung und dem Gutachtenauftrag, den Sie in der Regel ebenfalls erhalten.“
Unter Nr. 13 wird ausgeführt:
„Abhängig vom Ergebnis der Untersuchung kann die Untersuchung durch weitere Fachärztinnen oder Fachärzte erforderlich sein. Ggf. erhalten Sie hierzu eine erneute Untersuchungsaufforderung durch Ihre Dienstbehörde.“
11
Der von der Antragstellerin am 3. Januar 2019 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Untersuchungsanordnung vorläufig nicht Folge leisten zu müssen, hat Erfolg. ...
Die Untersuchungsanordnung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 27.11.18 genügt nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz (LBG). Danach ist ein Beamter verpflichtet, sich nach Weisung der Dienstbehörde durch einen von dieser bestimmten Arzt untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über seine Dienstunfähigkeit bestehen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sind an eine solche Untersuchungsaufforderung bestimmte inhaltliche und formelle Anforderungen zu stellen.
12
Der Untersuchungsanordnung müssen - erstens - tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben. Der Beamte muss anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Die Behörde darf insbesondere nicht nach der Überlegung verfahren, der Adressat werde schon wissen, „worum es geht“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.13 - 2 C 68.11 -, juris Rn. 20 f. und Beschluss vom 10.04.14 - 2 B 80.13 -, juris Rn. 9).
13
Diese Voraussetzung erfüllt die angegriffene Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 mit dem Hinweis auf die krankheitsbedingte Abwesenheit der Antragstellerin seit dem 13.02.17. Denn eine Untersuchungsanordnung unterliegt geringeren Begründungsanforderungen, wenn der Beamte im Zeitpunkt ihres Erlasses infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet hat. Die für den Erlass einer Untersuchungsanordnung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG erforderlichen „Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten“ ergeben sich dann bereits aus § 26 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Danach kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass die Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 LBG) wieder voll hergestellt ist. Dadurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei einem solchen Sachverhalt Anlass für die Prüfung besteht, ob die Dienstfähigkeit innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll hergestellt sein wird, was regelmäßig medizinische Sachkunde erfordert. In einem solchen Fall genügt es deshalb, wenn der Dienstherr zur Begründung des Untersuchungsanlasses auf die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als drei Monaten innerhalb von sechs Monaten verweist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.18 - 4 S 33.18 -, juris Rn. 4 m.w.N.).
14
Die Untersuchungsanordnung muss - zweitens - Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dem entsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.13, a.a.O. Rn. 22 f. und Beschluss vom 10.04.14, a.a.O. Rn. 10).
15
Dem wird die Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 nicht gerecht. Für die Antragstellerin sind Art und Umfang der geplanten ärztlichen Untersuchungen nicht hinreichend absehbar. Insbesondere ist nicht klar, ob eine (gegebenenfalls auch nur orientierende) Untersuchung ihres psychischen Gesundheitszustandes durchgeführt werden wird.
16
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu beanstanden ist allerdings, dass der Antragsgegner eine körperliche Untersuchung angeordnet hat. Denn der Antragsgegner hatte keine Erkenntnisse über die Art der Erkrankung der Antragstellerin. Sie hat hierzu erstmals Angaben nach Erlass der angegriffenen Untersuchungsanordnung gemacht; die Teilnahme an dem ihr angebotenen Betrieblichen Eingliederungsmanagement hatte sie zuvor mehrfach abgelehnt. Allein die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie ausgestellt wurden, gibt keinen hinreichenden Anlass zu der Annahme, die Antragstellerin leide (nur) an einer psychiatrischen Erkrankung. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Dienstherrn enthalten keine Diagnose. Abgesehen davon ist das erste der beiden Fachgebiete (Neurologie) eines, das sich (jedenfalls auch) mit körperlichen Erkrankungen befasst. Im Übrigen ist ein Facharzt auch nicht gehindert, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Grundlage einer Diagnose auszustellen, die außerhalb seines Fachgebietes liegt. Die Feststellung der (dauernden) Dienstunfähigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG setzt ohnehin eine umfassende Beurteilung der dienstlichen Leistungsfähigkeit des Beamten voraus, die regelmäßig auch eine körperliche Untersuchung erfordert. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Untersuchungsanordnung die Frage, ob eine Laboruntersuchung durchgeführt wird, der Einschätzung des Amtsarztes überlässt, ggf. abhängig von den Ergebnissen der Anamnese und/oder der körperlichen Untersuchung. Innerhalb des nur in den Grundzügen festzulegenden Rahmens muss es dem Gutachter überlassen bleiben, die einzelnen Schritte der Untersuchung und deren Schwerpunkt nach ihrer Erforderlichkeit sachkundig zu bestimmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.15 - 4 S 34.15 -, juris Rn. 4 ff.).
17
Die Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 ist jedoch rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht sichergestellt hat, dass sich die amtsärztliche Untersuchung auf eine körperliche Untersuchung der Antragstellerin beschränkt und nicht auch eine (orientierende) psychische Befunderhebung umfasst.
18
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Anordnung soll keine (auch nur orientierende) psychiatrische Untersuchung durchgeführt werden. In der Anordnung wird neben der „Anamneseerhebung“ - die im Wesentlichen vorhandene Erkenntnisse und Befunde erfasst und damit notwendige Voraussetzung einer Untersuchung (des Körpers oder der Psyche) ist, diese aber nicht mit umfasst (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, Stichwort „Anamnese“) - nur eine „körperliche Untersuchung“ sowie „gegebenenfalls auch eine Laboruntersuchung“ erwähnt. Danach muss die Antragstellerin damit rechnen, dass sich zwar die Anamnese, nicht aber die Untersuchung auf ihren psychischen Gesundheitszustand erstrecken wird. Mit diesem Inhalt ist die Anordnung unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit nicht zu beanstanden. Allerdings dürfte eine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung für die beabsichtigte Klärung der Frage, ob die Antragstellerin dienstfähig ist, nicht ausreichen. Denn wenn der Dienstherr bei Erlass der Untersuchungsanordnung keine Erkenntnisse über die Erkrankung des Beamten hat, ist er regelmäßig gehalten, eine Untersuchung des körperlichen und des psychischen Gesundheitszustandes durchzuführen, um sich ein umfassendes Bild machen zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O. Rn. 4). Wie die folgenden Ausführungen zeigen, hat der Antragsgegner eine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung der Antragstellerin offenbar auch nicht beabsichtigt.
19
Das „Merkblatt“ ändert nach Auffassung der Kammer an dem Inhalt der - eindeutig auf eine körperliche Untersuchung beschränkten - Untersuchungsanordnung nichts. Zwar ist in diesem Merkblatt unter Nr. 12 auch von der „Erhebung eines (…) ggf. orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes“ die Rede. Die Hinweise in Nr. 12 sind aber erkennbar allgemein gefasst, sollen betroffenen Beamten verschiedene mögliche Konstellationen erläutern und nicht die konkrete Festlegung in der Untersuchungsanordnung verändern. So wird zunächst von einer „umfassenden Prüfung“ des Gesundheitszustandes gesprochen, danach werden die „in der Regel“ erfolgenden Maßnahmen aufgeführt (Anamnesegespräch, Erhebung eines körperlichen und „ggf.“ orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes sowie „evtl.“ auch eine Laboruntersuchung). Abschließend wird darauf hingewiesen, „ggf.“ ergäben sich Art und Umfang der zu erwartenden ärztlichen Untersuchung aus der Untersuchungsaufforderung und dem Gutachtenauftrag. Insbesondere wenn in der Anordnung eine Beschränkung auf bestimmte Maßnahmen - wie hier auf eine körperliche Untersuchung - vorgenommen wird, wird dies durch das Merkblatt nicht infrage gestellt.
20
Allerdings wird dieses Verständnis offenbar nicht allgemein geteilt: So meint der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren, er habe sich mangels näherer Kenntnis von der Art der Erkrankung zunächst auf die Anordnung einer „orientierenden Erstuntersuchung“ beschränkt und (nur) die Durchführung vertiefender fachärztlicher Untersuchungen von dem Ergebnis der beauftragten Untersuchungen abhängig gemacht. Der zitierte Wortlaut der Untersuchungsanordnung erlaubt indes eine körperliche Untersuchung („umfassend oder beschwerdeorientiert“) ohne Einschränkungen, also insbesondere nicht nur eine „orientierende“ Untersuchung. Eine (auch nur orientierende) psychische Befunderhebung ist hingegen ausgeschlossen.
21
Die 28. Kammer des Verwaltungsgerichts hat angenommen, die (dort wörtlich gleiche) Untersuchungsanordnung lasse für den betroffenen Beamten - zusammen mit den zitierten Formulierungen des Merkblatts - erkennen, dass eine „orientierende Erstuntersuchung“ vorgenommen werden solle, die nicht darauf beschränkt sei, den Beamten nur auf bestimmte Erkrankungen zu untersuchen oder bestimmte Untersuchungsmethoden anzuwenden; sei nichts Näheres über die Erkrankung bekannt, dürfe die orientierende Erstuntersuchung den Gesundheitsstatus umfassend erfassen (Beschluss vom 05.02.19 - 28 L 590.18 - Abdruck Seite 4 ff.). Eine (wenn auch nur orientierende) psychische Befunderhebung soll danach offenbar ebenso zulässig sein wie die körperliche Untersuchung.
22
Die Untersuchungsanordnung, die der Antragsgegner offenbar formularmäßig in allen vergleichbaren Fällen verwendet, gibt also zu Missverständnissen Anlass. Dann aber muss der Antragsgegner sicherstellen, dass sich die amtsärztliche Untersuchung auf die Untersuchungen beschränkt, die Inhalt der Untersuchungsanordnung sind. Das hat er nicht getan.
23
Der Untersuchungsauftrag an die ZMGA vom 28.09.18, korrigiert durch den Auftrag vom 27.11.18, enthält keine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung. Dem Amtsarzt werden die Fragen gestellt, deren Beantwortung dem Dienstherrn die Beurteilung erlaubt, ob Dienst(un)fähigkeit vorliegt, so insbesondere nach den gesundheitlichen Einschränkungen, deren Auswirkungen auf die Einsetzbarkeit der Antragstellerin und der prognostischen Entwicklung sowie nach den Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung. Eingeschränkt ist der Untersuchungsauftrag nur insoweit, als vor der Durchführung von Zusatzuntersuchungen um Mitteilung der Art und des Umfanges dieser Untersuchungen sowie der jeweiligen Facharztrichtungen gebeten wird. Auch die hier streitgegenständliche Untersuchungsanordnung hat der Antragsgegner der ZMGA nicht übermittelt, so dass der Amtsarzt die - aus medizinischer Sicht wohl auch nicht sinnvolle - Beschränkung seines Untersuchungsauftrages nicht erkennen kann. Da der Antragsgegner umgekehrt aber den an die ZMGA gerichteten Untersuchungsauftrag an die Antragstellerin gesandt hat, können (auch) bei ihr Zweifel an der Beschränkung der Untersuchungsanordnung auf körperliche Untersuchungen entstehen. Dies umso mehr, als sie - anders als ihr Dienstherr - offenbar weiß, dass sie an einer psychiatrischen Erkrankung leidet. Weil der Arzt auch im Rahmen des Anamnesegesprächs schon psychische Befunde (Ausdruck, Stimme, Reaktion, Fähigkeit zu strukturierter Darstellung etc.) erheben kann und regelmäßig auch erheben wird, sich mithin (orientierende) psychiatrische Anamnese und Befunderhebung in der Praxis überschneiden, ist es der Antragstellerin auch nicht möglich, die (erlaubte) Anamnese zuzulassen und die (ausgeschlossene) Untersuchung zu verweigern.
24
Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, weist die Kammer darauf hin, dass eine Untersuchungsanordnung in einem Fall, in dem der Dienstherr keine Erkenntnisse über die Art der Erkrankung des Beamten hat, regelmäßig nur die Grundzüge der zu erwartenden Untersuchungen enthalten, nicht aber dem Amtsarzt die Details des Untersuchungsverlaufs vorgeben muss. Insbesondere ist die Anordnung einer „orientierenden Erstuntersuchung“ mit einer körperlichen und einer psychischen Untersuchung rechtlich unbedenklich (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.15 - 4 S 34.15 -, juris Rn. 4 ff.; vgl. zum Ganzen auch Bonikowski, ZBR 2019, 1 ff., 17 f.). Nur muss dies in der Untersuchungsanordnung - anders als hier - eben auch unmissverständlich zum Ausdruck kommen.
25
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn befolgte sie die Anordnung, dann müsste sie Eingriffe in ihr Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz wie auch in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht hinnehmen. Überdies würde sie das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung tragen. Hat der Beamte die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtenanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.18 - 4 S 19.17 -, Rn. 12).
26
Angemerkt sei, dass das Merkblatt der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Beamten insoweit zumindest unvollständig informiert: Denn unter Nr. 6 („Kann ich gegen die Untersuchungsaufforderung vorgehen, wenn ich Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit habe?“) heißt es in dem Merkblatt, die Verpflichtung, der Untersuchungsaufforderung Folge zu leisten, bestehe ungeachtet eines eventuell eingelegten Widerspruchs; Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung könnten „im Rahmen der späteren Anhörung geltend gemacht werden (unten Nr. 17)“. Unter Nr. 17 („Wie geht es nach der Übermittlung des ärztlichen Gutachtens weiter?“) wird dann ausgeführt, nach Erhalt des ärztlichen Gutachtens werde die Dienstbehörde gegebenenfalls eine Anhörung zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand durchführen; der Beamte erhalte dann Gelegenheit zur Äußerung. Im Rahmen dieser Anhörung könne der Beamte „gegebenenfalls auch Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung und das ärztliche Gutachten vortragen.“ Das ist, soweit es um Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung geht, jedenfalls stark verkürzend: Denn nur dann, wenn der Beamte die Untersuchungsanordnung nicht befolgt hat, kann er im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahren Einwendungen gegen die Untersuchungsanordnung erheben.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz; wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist der Auffangstreitwert nicht zu halbieren.
Leitsatz
Beschränkt der Dienstherr in einer Untersuchungsanordnung die amtsärztliche Untersuchung auf eine körperliche Untersuchung, muss er durch eine entsprechende Mitteilung an den Amtsarzt sicherstellen, dass auch nur eine körperliche - und nicht auch eine (orientierende) psychische - Untersuchung stattfinden wird.
im Ergebnis anders VG Berlin, Beschluss vom 5.02.19 - 28 L 590.18 -
Tenor
Es wird im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass die Antragstellerin der Aufforderung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 27.11.18, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, vorläufig nicht folgen muss.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die im August 1954 geborene Antragstellerin steht als Beamtin auf Lebenszeit im Dienst des Landes Berlin. Sie ist seit 13.02.17 arbeitsunfähig erkrankt, wobei die entsprechenden Bescheinigungen jeweils von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie ausgestellt wurden.
2
Mit Schreiben vom 27.11.18 kündigte die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie unter Hinweis auf die lang andauernde krankheitsbedingte Abwesenheit der Antragstellerin an, eine „Einschätzung und Prognose“ zu ihrer Dienstfähigkeit beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Zentrale Medizinische Gutachtenstelle - ZMGA) zu veranlassen. Weiter heißt es in dem Schreiben:
3
„Die amtsärztliche Untersuchung in der ZMGA dauert ungefähr eine Stunde und umfasst
- eine Anamneseerhebung
- eine körperliche Untersuchung (umfänglich oder beschwerdeorientiert)
- gegebenenfalls auch eine Laboruntersuchung.“
7
Nachdem die Antragstellerin Einwendungen erhoben hatte, übersandte die Senatsverwaltung mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 unter anderem ein von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport herausgegebenes „Merkblatt für Beamtinnen und Beamte zur ärztlichen Untersuchung im Zusammenhang mit der Feststellung von Dienstunfähigkeit“ (im Folgenden: Merkblatt). Darin heißt es unter Nr. 12:
8
„Zur Feststellung einer evtl. Dienstunfähigkeit bedarf es einer umfassenden Prüfung ihres Gesundheitszustandes. In der Regel erfolgen ein Anamnesegespräch, die Erhebung eines körperlichen und ggf. orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes sowie evtl. auch eine Laboruntersuchung (Blutentnahme, Urinprobe u.Ä.). Ggf. ergeben sich Art und Umfang der zu erwartenden ärztlichen Untersuchung aus der Untersuchungsaufforderung und dem Gutachtenauftrag, den Sie in der Regel ebenfalls erhalten.“
Unter Nr. 13 wird ausgeführt:
„Abhängig vom Ergebnis der Untersuchung kann die Untersuchung durch weitere Fachärztinnen oder Fachärzte erforderlich sein. Ggf. erhalten Sie hierzu eine erneute Untersuchungsaufforderung durch Ihre Dienstbehörde.“
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Der von der Antragstellerin am 3. Januar 2019 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Untersuchungsanordnung vorläufig nicht Folge leisten zu müssen, hat Erfolg. ...
Die Untersuchungsanordnung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom 27.11.18 genügt nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz (LBG). Danach ist ein Beamter verpflichtet, sich nach Weisung der Dienstbehörde durch einen von dieser bestimmten Arzt untersuchen zu lassen, wenn Zweifel über seine Dienstunfähigkeit bestehen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sind an eine solche Untersuchungsaufforderung bestimmte inhaltliche und formelle Anforderungen zu stellen.
12
Der Untersuchungsanordnung müssen - erstens - tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen. Die Behörde muss diese tatsächlichen Umstände in der Untersuchungsaufforderung angeben. Der Beamte muss anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind. Er muss erkennen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird. Die Behörde darf insbesondere nicht nach der Überlegung verfahren, der Adressat werde schon wissen, „worum es geht“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.13 - 2 C 68.11 -, juris Rn. 20 f. und Beschluss vom 10.04.14 - 2 B 80.13 -, juris Rn. 9).
13
Diese Voraussetzung erfüllt die angegriffene Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 mit dem Hinweis auf die krankheitsbedingte Abwesenheit der Antragstellerin seit dem 13.02.17. Denn eine Untersuchungsanordnung unterliegt geringeren Begründungsanforderungen, wenn der Beamte im Zeitpunkt ihres Erlasses infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet hat. Die für den Erlass einer Untersuchungsanordnung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LBG erforderlichen „Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten“ ergeben sich dann bereits aus § 26 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Danach kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass die Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 LBG) wieder voll hergestellt ist. Dadurch hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei einem solchen Sachverhalt Anlass für die Prüfung besteht, ob die Dienstfähigkeit innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll hergestellt sein wird, was regelmäßig medizinische Sachkunde erfordert. In einem solchen Fall genügt es deshalb, wenn der Dienstherr zur Begründung des Untersuchungsanlasses auf die Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als drei Monaten innerhalb von sechs Monaten verweist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.09.18 - 4 S 33.18 -, juris Rn. 4 m.w.N.).
14
Die Untersuchungsanordnung muss - zweitens - Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Belieben des Arztes überlassen. Nur wenn in der Aufforderung selbst Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dem entsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.13, a.a.O. Rn. 22 f. und Beschluss vom 10.04.14, a.a.O. Rn. 10).
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Dem wird die Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 nicht gerecht. Für die Antragstellerin sind Art und Umfang der geplanten ärztlichen Untersuchungen nicht hinreichend absehbar. Insbesondere ist nicht klar, ob eine (gegebenenfalls auch nur orientierende) Untersuchung ihres psychischen Gesundheitszustandes durchgeführt werden wird.
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Entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu beanstanden ist allerdings, dass der Antragsgegner eine körperliche Untersuchung angeordnet hat. Denn der Antragsgegner hatte keine Erkenntnisse über die Art der Erkrankung der Antragstellerin. Sie hat hierzu erstmals Angaben nach Erlass der angegriffenen Untersuchungsanordnung gemacht; die Teilnahme an dem ihr angebotenen Betrieblichen Eingliederungsmanagement hatte sie zuvor mehrfach abgelehnt. Allein die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie ausgestellt wurden, gibt keinen hinreichenden Anlass zu der Annahme, die Antragstellerin leide (nur) an einer psychiatrischen Erkrankung. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Dienstherrn enthalten keine Diagnose. Abgesehen davon ist das erste der beiden Fachgebiete (Neurologie) eines, das sich (jedenfalls auch) mit körperlichen Erkrankungen befasst. Im Übrigen ist ein Facharzt auch nicht gehindert, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Grundlage einer Diagnose auszustellen, die außerhalb seines Fachgebietes liegt. Die Feststellung der (dauernden) Dienstunfähigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 BeamtStG setzt ohnehin eine umfassende Beurteilung der dienstlichen Leistungsfähigkeit des Beamten voraus, die regelmäßig auch eine körperliche Untersuchung erfordert. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Untersuchungsanordnung die Frage, ob eine Laboruntersuchung durchgeführt wird, der Einschätzung des Amtsarztes überlässt, ggf. abhängig von den Ergebnissen der Anamnese und/oder der körperlichen Untersuchung. Innerhalb des nur in den Grundzügen festzulegenden Rahmens muss es dem Gutachter überlassen bleiben, die einzelnen Schritte der Untersuchung und deren Schwerpunkt nach ihrer Erforderlichkeit sachkundig zu bestimmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.15 - 4 S 34.15 -, juris Rn. 4 ff.).
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Die Untersuchungsanordnung vom 27.11.18 ist jedoch rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht sichergestellt hat, dass sich die amtsärztliche Untersuchung auf eine körperliche Untersuchung der Antragstellerin beschränkt und nicht auch eine (orientierende) psychische Befunderhebung umfasst.
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Nach dem eindeutigen Wortlaut der Anordnung soll keine (auch nur orientierende) psychiatrische Untersuchung durchgeführt werden. In der Anordnung wird neben der „Anamneseerhebung“ - die im Wesentlichen vorhandene Erkenntnisse und Befunde erfasst und damit notwendige Voraussetzung einer Untersuchung (des Körpers oder der Psyche) ist, diese aber nicht mit umfasst (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage, Stichwort „Anamnese“) - nur eine „körperliche Untersuchung“ sowie „gegebenenfalls auch eine Laboruntersuchung“ erwähnt. Danach muss die Antragstellerin damit rechnen, dass sich zwar die Anamnese, nicht aber die Untersuchung auf ihren psychischen Gesundheitszustand erstrecken wird. Mit diesem Inhalt ist die Anordnung unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit nicht zu beanstanden. Allerdings dürfte eine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung für die beabsichtigte Klärung der Frage, ob die Antragstellerin dienstfähig ist, nicht ausreichen. Denn wenn der Dienstherr bei Erlass der Untersuchungsanordnung keine Erkenntnisse über die Erkrankung des Beamten hat, ist er regelmäßig gehalten, eine Untersuchung des körperlichen und des psychischen Gesundheitszustandes durchzuführen, um sich ein umfassendes Bild machen zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O. Rn. 4). Wie die folgenden Ausführungen zeigen, hat der Antragsgegner eine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung der Antragstellerin offenbar auch nicht beabsichtigt.
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Das „Merkblatt“ ändert nach Auffassung der Kammer an dem Inhalt der - eindeutig auf eine körperliche Untersuchung beschränkten - Untersuchungsanordnung nichts. Zwar ist in diesem Merkblatt unter Nr. 12 auch von der „Erhebung eines (…) ggf. orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes“ die Rede. Die Hinweise in Nr. 12 sind aber erkennbar allgemein gefasst, sollen betroffenen Beamten verschiedene mögliche Konstellationen erläutern und nicht die konkrete Festlegung in der Untersuchungsanordnung verändern. So wird zunächst von einer „umfassenden Prüfung“ des Gesundheitszustandes gesprochen, danach werden die „in der Regel“ erfolgenden Maßnahmen aufgeführt (Anamnesegespräch, Erhebung eines körperlichen und „ggf.“ orientierenden psychischen Untersuchungsbefundes sowie „evtl.“ auch eine Laboruntersuchung). Abschließend wird darauf hingewiesen, „ggf.“ ergäben sich Art und Umfang der zu erwartenden ärztlichen Untersuchung aus der Untersuchungsaufforderung und dem Gutachtenauftrag. Insbesondere wenn in der Anordnung eine Beschränkung auf bestimmte Maßnahmen - wie hier auf eine körperliche Untersuchung - vorgenommen wird, wird dies durch das Merkblatt nicht infrage gestellt.
20
Allerdings wird dieses Verständnis offenbar nicht allgemein geteilt: So meint der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren, er habe sich mangels näherer Kenntnis von der Art der Erkrankung zunächst auf die Anordnung einer „orientierenden Erstuntersuchung“ beschränkt und (nur) die Durchführung vertiefender fachärztlicher Untersuchungen von dem Ergebnis der beauftragten Untersuchungen abhängig gemacht. Der zitierte Wortlaut der Untersuchungsanordnung erlaubt indes eine körperliche Untersuchung („umfassend oder beschwerdeorientiert“) ohne Einschränkungen, also insbesondere nicht nur eine „orientierende“ Untersuchung. Eine (auch nur orientierende) psychische Befunderhebung ist hingegen ausgeschlossen.
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Die 28. Kammer des Verwaltungsgerichts hat angenommen, die (dort wörtlich gleiche) Untersuchungsanordnung lasse für den betroffenen Beamten - zusammen mit den zitierten Formulierungen des Merkblatts - erkennen, dass eine „orientierende Erstuntersuchung“ vorgenommen werden solle, die nicht darauf beschränkt sei, den Beamten nur auf bestimmte Erkrankungen zu untersuchen oder bestimmte Untersuchungsmethoden anzuwenden; sei nichts Näheres über die Erkrankung bekannt, dürfe die orientierende Erstuntersuchung den Gesundheitsstatus umfassend erfassen (Beschluss vom 05.02.19 - 28 L 590.18 - Abdruck Seite 4 ff.). Eine (wenn auch nur orientierende) psychische Befunderhebung soll danach offenbar ebenso zulässig sein wie die körperliche Untersuchung.
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Die Untersuchungsanordnung, die der Antragsgegner offenbar formularmäßig in allen vergleichbaren Fällen verwendet, gibt also zu Missverständnissen Anlass. Dann aber muss der Antragsgegner sicherstellen, dass sich die amtsärztliche Untersuchung auf die Untersuchungen beschränkt, die Inhalt der Untersuchungsanordnung sind. Das hat er nicht getan.
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Der Untersuchungsauftrag an die ZMGA vom 28.09.18, korrigiert durch den Auftrag vom 27.11.18, enthält keine Beschränkung auf eine körperliche Untersuchung. Dem Amtsarzt werden die Fragen gestellt, deren Beantwortung dem Dienstherrn die Beurteilung erlaubt, ob Dienst(un)fähigkeit vorliegt, so insbesondere nach den gesundheitlichen Einschränkungen, deren Auswirkungen auf die Einsetzbarkeit der Antragstellerin und der prognostischen Entwicklung sowie nach den Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung. Eingeschränkt ist der Untersuchungsauftrag nur insoweit, als vor der Durchführung von Zusatzuntersuchungen um Mitteilung der Art und des Umfanges dieser Untersuchungen sowie der jeweiligen Facharztrichtungen gebeten wird. Auch die hier streitgegenständliche Untersuchungsanordnung hat der Antragsgegner der ZMGA nicht übermittelt, so dass der Amtsarzt die - aus medizinischer Sicht wohl auch nicht sinnvolle - Beschränkung seines Untersuchungsauftrages nicht erkennen kann. Da der Antragsgegner umgekehrt aber den an die ZMGA gerichteten Untersuchungsauftrag an die Antragstellerin gesandt hat, können (auch) bei ihr Zweifel an der Beschränkung der Untersuchungsanordnung auf körperliche Untersuchungen entstehen. Dies umso mehr, als sie - anders als ihr Dienstherr - offenbar weiß, dass sie an einer psychiatrischen Erkrankung leidet. Weil der Arzt auch im Rahmen des Anamnesegesprächs schon psychische Befunde (Ausdruck, Stimme, Reaktion, Fähigkeit zu strukturierter Darstellung etc.) erheben kann und regelmäßig auch erheben wird, sich mithin (orientierende) psychiatrische Anamnese und Befunderhebung in der Praxis überschneiden, ist es der Antragstellerin auch nicht möglich, die (erlaubte) Anamnese zuzulassen und die (ausgeschlossene) Untersuchung zu verweigern.
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Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen, weist die Kammer darauf hin, dass eine Untersuchungsanordnung in einem Fall, in dem der Dienstherr keine Erkenntnisse über die Art der Erkrankung des Beamten hat, regelmäßig nur die Grundzüge der zu erwartenden Untersuchungen enthalten, nicht aber dem Amtsarzt die Details des Untersuchungsverlaufs vorgeben muss. Insbesondere ist die Anordnung einer „orientierenden Erstuntersuchung“ mit einer körperlichen und einer psychischen Untersuchung rechtlich unbedenklich (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.15 - 4 S 34.15 -, juris Rn. 4 ff.; vgl. zum Ganzen auch Bonikowski, ZBR 2019, 1 ff., 17 f.). Nur muss dies in der Untersuchungsanordnung - anders als hier - eben auch unmissverständlich zum Ausdruck kommen.
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Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn befolgte sie die Anordnung, dann müsste sie Eingriffe in ihr Recht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz wie auch in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht hinnehmen. Überdies würde sie das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung tragen. Hat der Beamte die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtenanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.18 - 4 S 19.17 -, Rn. 12).
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Angemerkt sei, dass das Merkblatt der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Beamten insoweit zumindest unvollständig informiert: Denn unter Nr. 6 („Kann ich gegen die Untersuchungsaufforderung vorgehen, wenn ich Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit habe?“) heißt es in dem Merkblatt, die Verpflichtung, der Untersuchungsaufforderung Folge zu leisten, bestehe ungeachtet eines eventuell eingelegten Widerspruchs; Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung könnten „im Rahmen der späteren Anhörung geltend gemacht werden (unten Nr. 17)“. Unter Nr. 17 („Wie geht es nach der Übermittlung des ärztlichen Gutachtens weiter?“) wird dann ausgeführt, nach Erhalt des ärztlichen Gutachtens werde die Dienstbehörde gegebenenfalls eine Anhörung zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand durchführen; der Beamte erhalte dann Gelegenheit zur Äußerung. Im Rahmen dieser Anhörung könne der Beamte „gegebenenfalls auch Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung und das ärztliche Gutachten vortragen.“ Das ist, soweit es um Einwendungen gegen die Untersuchungsaufforderung geht, jedenfalls stark verkürzend: Denn nur dann, wenn der Beamte die Untersuchungsanordnung nicht befolgt hat, kann er im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahren Einwendungen gegen die Untersuchungsanordnung erheben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz; wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist der Auffangstreitwert nicht zu halbieren.