keine Polizeivollzugsdiensttauglichkeit bei
insulinpflichtigem Diabetes
OVG NRW, Beschluss vom 21.12.21 - 1 B 1152/21 -
Der Antragsteller ist ... nicht gehindert, Einwendungen gegen die von der Antragsgegnerin angenommene
Polizeidienstunfähigkeit vorzubringen. Das Beschwerdevorbringen vermag jedoch das sozialmedizinische Gutachten vom 16. Oktober 2019 ... nicht zu erschüttern, nach dem der Antragsteller nicht mehr über die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst verfügt.
Dort wird unter Teil II ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund einer Erkrankung aus dem Bereich der Stoffwechselstörungen nicht mehr in der Lage sei, in Situationen uneingeschränkt Dienst zu tun, die aufgrund der körperlichen Leistung sowie der Stressbelastung besonders energieintensiv und nicht von vornherein planbar seien (beispielsweise Polizeikette, Anwendung körperlicher Gewalt gegen das polizeiliche Gegenüber, Ausübung unmittelbaren Zwangs, fußläufige Verfolgung eines Verdächtigen, Einsatzfahrten, Anwendung von Führungs- und Einsatzmitteln, Tragen einer Körperschutzausstattung über einen 60-minütigen Zeitraum hinaus). Ferner könne der Antragsteller nicht am Wechselschichtbetrieb, hier insbesondere nicht an Nachtdiensten, uneingeschränkt teilnehmen.
In Anbetracht des bei dem Antragsteller diagnostizierten Diabetes mellitus, der seit 2013 mit einer Insulintherapie behandelt wird, ist diese Einschätzung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nachvollziehbar. Bei dieser Stoffwechselerkrankung besteht auch bei guter Blutzuckereinstellung die Gefahr von Hypoglykämien, gerade auch bei Diensten mit hohem körperlichem Einsatz. Im Fall einer solchen Hypoglykämie besteht die Gefahr, dass der Antragsteller nicht mehr im erforderlichen Maß handlungsfähig ist. Es liegt auf der Hand, dass dies in Einsatzsituationen wie beispielsweise der Bildung einer Polizeikette oder bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang nicht nur für den Antragsteller selbst, sondern auch für seine Kollegen, die auf körperliche Unterstützung durch den Antragsteller angewiesen sein können, eine Gefahr darstellt. Es ist nicht gewährleistet, dass der Antragsteller in jeder Einsatzsituation in der Lage ist, einer Hypoglykämie durch geeignete Gegenmaßnahmen zu begegnen.
Diesen nachvollziehbaren, grundsätzlichen Bedenken lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf den mehrjährigen Einsatz im unmittelbaren Polizeivollzugsdienst ohne krankheitsbedingte Ausfälle begegnen. Nur weil sich eine Gefahr noch nicht realisiert hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche im Grundsatz nicht besteht. ...
Auch wenn der Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.09.21 ausführt, eine umfassende und einzelfallbezogene ärztliche Untersuchung unter Beachtung des hierzu bestehenden Leitfadens für Betriebsärzte zu Diabetes und Beruf habe nicht stattgefunden, folgt hieraus in Anbetracht der in Rede stehenden Laufbahn der Polizeivollzugsbeamten nichts Abweichendes. Auch aus diesem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, wie der Gefahr von Hypoglykämien in Einsatzsituationen wirkungsvoll begegnet werden kann.
Der Antragsteller ist ... nicht gehindert, Einwendungen gegen die von der Antragsgegnerin angenommene
Polizeidienstunfähigkeit vorzubringen. Das Beschwerdevorbringen vermag jedoch das sozialmedizinische Gutachten vom 16. Oktober 2019 ... nicht zu erschüttern, nach dem der Antragsteller nicht mehr über die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst verfügt.
Dort wird unter Teil II ausgeführt, dass der Antragsteller aufgrund einer Erkrankung aus dem Bereich der Stoffwechselstörungen nicht mehr in der Lage sei, in Situationen uneingeschränkt Dienst zu tun, die aufgrund der körperlichen Leistung sowie der Stressbelastung besonders energieintensiv und nicht von vornherein planbar seien (beispielsweise Polizeikette, Anwendung körperlicher Gewalt gegen das polizeiliche Gegenüber, Ausübung unmittelbaren Zwangs, fußläufige Verfolgung eines Verdächtigen, Einsatzfahrten, Anwendung von Führungs- und Einsatzmitteln, Tragen einer Körperschutzausstattung über einen 60-minütigen Zeitraum hinaus). Ferner könne der Antragsteller nicht am Wechselschichtbetrieb, hier insbesondere nicht an Nachtdiensten, uneingeschränkt teilnehmen.
In Anbetracht des bei dem Antragsteller diagnostizierten Diabetes mellitus, der seit 2013 mit einer Insulintherapie behandelt wird, ist diese Einschätzung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nachvollziehbar. Bei dieser Stoffwechselerkrankung besteht auch bei guter Blutzuckereinstellung die Gefahr von Hypoglykämien, gerade auch bei Diensten mit hohem körperlichem Einsatz. Im Fall einer solchen Hypoglykämie besteht die Gefahr, dass der Antragsteller nicht mehr im erforderlichen Maß handlungsfähig ist. Es liegt auf der Hand, dass dies in Einsatzsituationen wie beispielsweise der Bildung einer Polizeikette oder bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang nicht nur für den Antragsteller selbst, sondern auch für seine Kollegen, die auf körperliche Unterstützung durch den Antragsteller angewiesen sein können, eine Gefahr darstellt. Es ist nicht gewährleistet, dass der Antragsteller in jeder Einsatzsituation in der Lage ist, einer Hypoglykämie durch geeignete Gegenmaßnahmen zu begegnen.
Diesen nachvollziehbaren, grundsätzlichen Bedenken lässt sich auch nicht mit dem Verweis auf den mehrjährigen Einsatz im unmittelbaren Polizeivollzugsdienst ohne krankheitsbedingte Ausfälle begegnen. Nur weil sich eine Gefahr noch nicht realisiert hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche im Grundsatz nicht besteht. ...
Auch wenn der Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.09.21 ausführt, eine umfassende und einzelfallbezogene ärztliche Untersuchung unter Beachtung des hierzu bestehenden Leitfadens für Betriebsärzte zu Diabetes und Beruf habe nicht stattgefunden, folgt hieraus in Anbetracht der in Rede stehenden Laufbahn der Polizeivollzugsbeamten nichts Abweichendes. Auch aus diesem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, wie der Gefahr von Hypoglykämien in Einsatzsituationen wirkungsvoll begegnet werden kann.
Die folgende Entscheidung aus dem Oktober 2013 war eine der ersten, in denen schon die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Fragen der Dienstunfähigkeit bzw. der gesundheitlichen Eignung berücksichtigt wurde.
Es geht um das Schicksal einer Polizeibeamtin auf Probe.
Am Anfang finden Sie eine kurze Bewertung der Diabetes für die Polizeivollzugsdienstfähigkeit.
Im weiteren Text wird dann dargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein Wechsel in die allgemeine Verwaltung möglich ist.
OVG Rheinland-Pfalz - 2 A 11330/11.OVG -, Urteil vom 25.10.13
1. Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen, die für eine Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamtin erforderlich sind.
Dies folgt aus den Ausführungen der bestellten Sachverständigen ...
Danach ist die Klägerin für das Amt einer Polizeikommissarin auf Lebenszeit in gesundheitlicher Hinsicht zwar nicht grundsätzlich ungeeignet, es ist allerdings ein Dienst an der Waffe sowie ein Dienst mit sehr hohem körperlichen Einsatz nicht zu empfehlen. Diese fachliche Einschätzung entspricht im Ergebnis der Stellungnahme des Polizeiarztes Dr. M. vom 22.12.10, der sich die Sachverständige Dr. N. insoweit ausdrücklich anschließt. Danach besteht bei einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus selbst bei einer guten Blutzuckereinstellung immer die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie), bei der es zu Zittern und Verwirrtheitszuständen kommen kann mit der Folge, dass ein korrektes Handeln dann nicht mehr möglich ist.
Die Unterzuckerung wird unter anderem durch ausgeprägte Stresssituationen begünstigt, die bei Polizeibeamten angesichts der hohen Anforderungen ihres Berufs jederzeit auftreten können. Da deshalb beim Auftreten einer Hypoglykämie ein Schusswaffengebrauch, das Führen von Einsatzfahrzeugen oder auch ein hoher körperlicher Einsatz (z.B. bei Anwendung von unmittelbarer Zwang) immer auch die Gefahr eines Fehlverhaltens hervorrufen kann und somit eine nicht abschätzbare Gefährdung der Beamtin selbst und/oder Dritter nicht auszuschließen ist, liegt bei der Klägerin keine Polizeidienstfähigkeit vor.
Anders als die Klägerin interpretiert der Senat die Einschätzung der Sachverständigen, ein Dienst an der Waffe sowie ein Dienst mit sehr hohem körperlichen Einsatz sei "nicht zu empfehlen", nicht dahingehend, dass bei ihr eine eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit vorliege, so dass sie in gesundheitlicher Hinsicht gleichwohl als Polizeikommissarin zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt werden könnte. Maßgeblich hierfür ist die Herleitung dieser Aussage der Sachverständigen, die insofern von der Möglichkeit eines Polizeivollzugsdienstes ohne Waffe bzw. nur im Innendienst ausgeht. Derartige Einsatzmöglichkeiten in einer Funktion im Polizeidienst ohne Waffe oder im Innendienst bestehen nach den plausiblen Darstellungen des Beklagten jedoch nur, wenn Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit in ihrer allgemeinen Polizeidienstfähigkeit eingeschränkt sind.
In solchen Fällen erfolgt aus Fürsorgegründen ein Einsatz auf Innendienstfunktionen (z. B. in der Einsatzleitzentrale). Auf die hier vorliegende Konstellation einer Probebeamtin, bei der die für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes erforderliche gesundheitliche Eignung wegen des Risikos einer Hypoglykämie und des damit verbundenen Verbots, eine Waffe zu tragen, fehlt, kann diese Möglichkeit dagegen nicht übertragen werden.
2. Ist die Klägerin danach in gesundheitlicher Hinsicht für eine Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamtin nicht geeignet, gilt dies jedoch nicht für eine Übernahme als Beamtin auf Lebenszeit im allgemeinen Verwaltungsdienst.
Hierfür erfüllt sie sowohl die allgemeinen (a) als auch erst recht die für Schwerbehinderte geltenden herabgesenkten (b) gesundheitlichen Eignungsanforderungen.
a) Die Klägerin ist in gesundheitlicher Hinsicht für eine Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes geeignet. Auch dies folgt aus dem Gutachten von Frau Dr. N. Insofern stellt die Sachverständige zunächst fest, dass bei der Klägerin allein wegen ihres Diabetes mellitus derzeit keine Dienstunfähigkeit im Hinblick auf ein Amt in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes vorliegt (S. 24 des Gutachtens). Da seit dem Auftreten der Erkrankung bei der Klägerin unstreitig keine krankheitsbedingten Fehlzeiten zu verzeichnen sind, ist diese Aussage von Frau Dr. N. nicht weiter in Zweifel zu ziehen. Ist die Klägerin danach aktuell nicht dienstunfähig, so kann ihre Entlassung wegen fehlender gesundheitlicher Eignung für eine Verbeamtung auf Lebenszeit nur mit einer prognostischen Einschätzung begründet werden, nach der die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze wegen ihrer chronischen Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 nicht mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Das ist vorliegend indessen nicht der Fall.
Sowohl die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen als auch eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze kann nach dem insoweit heranzuziehenden Gutachten von Frau Dr. N. mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. ...
Die Schlussfolgerungen der Sachverständigen sind nachvollziehbar und überzeugend. Die Fachärztin stützt ihre medizinische Einschätzung auf eine vollständige Auswertung der Akten, die umfassende Anamnese und eingehende körperliche Befunderhebung bei der Klägerin sowie die Sichtung und Beurteilung der derzeit in der aktuellen medizinischen Wissenschaft vorliegenden Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus. Nach ihrer zusammenfassenden Bewertung kommt sie bei der Klägerin aufgrund des Vorliegens günstiger Faktoren (gute Einstellung des Blutzuckers und des Blutdruckes, gute Blutfettwerte und Nikotinabstinenz) zu dem schlüssigen Ergebnis, die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeivollzugsdienstes könne bei der Klägerin mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach einer umfassenden inhaltlichen Auswertung des Gutachtens an und macht sie sich zu Eigen.
Die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht nach seiner jüngsten Rechtsprechung an den Prognosemaßstab für die Lebenszeiternennung eines aktuell dienstfähigen Probebeamten mit einer latenten Grunderkrankung stellt, sind damit mehr als erfüllt. Danach muss eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze lediglich mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können (Urteil vom 25.07.13 - 2 C 12.11 -).
Diesen Wahrscheinlichkeitsmaßstab kann der Senat, der hierzu eine eigene Einschätzung vorzunehmen hat, auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens ohne jeden Zweifel als erfüllt ansehen, lassen sich diese gesundheitlichen Folgen doch nach den Ausführungen der Sachverständigen trotz der bei der Klägerin vorhandenen chronischen Erkrankung sogar mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen.
b) Mit der von der Sachverständigen in ihrem Gutachten gestellten günstigen Prognoseeinschätzung erfüllt die Klägerin darüber hinaus die Mindestanforderungen, die nach § 14 der Laufbahnverordnung an eine gesundheitliche Eignung von schwerbehinderten Bewerbern zu stellen sind.
Nach dieser Vorgabe darf von schwerbehinderten Menschen nur das Mindestmaß körperlicher Eignung für die Wahrnehmung von Laufbahnaufgaben verlangt werden.
Die Klägerin gehört gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX zu dieser Personengruppe, da bei ihr nach dem Gutachten von Frau Dr. N. ein Grad der Schädigung von 50 v. H. vorliegt. Aufgrund der fachärztlichen Prognose der Sachverständigen, nach der die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeivollzugsdienstes mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, erfüllt die Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht zugleich diese herabgesetzten Anforderungen.
Da die Sachverständige ihre fachliche Prognose ausdrücklich auf den Zeitraumbis zum Erreichen der regulären Altersgrenze erstreckt hat, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der vom Beklagten weiter problematisierten Frage, ob bei Schwerbehinderten wegen des bei dieser Personengruppe jetzt geltenden herabgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch eine Verkürzung des Prognosezeitraums erforderlich ist.
3. Ist die Klägerin aus diesen Gründen in gesundheitlicher Hinsicht für eine Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes geeignet, so sind die mit ihrer Klage somit erfolgreich angefochtenen Bescheide vollständig aufzuheben.
Dass diese teilweise, nämlich im Hinblick auf die nicht gegebene Polizeidienstfähigkeit der Klägerin, im Ergebnis zutreffend sind, ist demgegenüber nicht erheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte die Möglichkeit der Verwendung der Klägerin in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes nicht zutreffend beurteilt hat.
1. Die Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen, die für eine Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamtin erforderlich sind.
Dies folgt aus den Ausführungen der bestellten Sachverständigen ...
Danach ist die Klägerin für das Amt einer Polizeikommissarin auf Lebenszeit in gesundheitlicher Hinsicht zwar nicht grundsätzlich ungeeignet, es ist allerdings ein Dienst an der Waffe sowie ein Dienst mit sehr hohem körperlichen Einsatz nicht zu empfehlen. Diese fachliche Einschätzung entspricht im Ergebnis der Stellungnahme des Polizeiarztes Dr. M. vom 22.12.10, der sich die Sachverständige Dr. N. insoweit ausdrücklich anschließt. Danach besteht bei einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus selbst bei einer guten Blutzuckereinstellung immer die Gefahr einer Unterzuckerung (Hypoglykämie), bei der es zu Zittern und Verwirrtheitszuständen kommen kann mit der Folge, dass ein korrektes Handeln dann nicht mehr möglich ist.
Die Unterzuckerung wird unter anderem durch ausgeprägte Stresssituationen begünstigt, die bei Polizeibeamten angesichts der hohen Anforderungen ihres Berufs jederzeit auftreten können. Da deshalb beim Auftreten einer Hypoglykämie ein Schusswaffengebrauch, das Führen von Einsatzfahrzeugen oder auch ein hoher körperlicher Einsatz (z.B. bei Anwendung von unmittelbarer Zwang) immer auch die Gefahr eines Fehlverhaltens hervorrufen kann und somit eine nicht abschätzbare Gefährdung der Beamtin selbst und/oder Dritter nicht auszuschließen ist, liegt bei der Klägerin keine Polizeidienstfähigkeit vor.
Anders als die Klägerin interpretiert der Senat die Einschätzung der Sachverständigen, ein Dienst an der Waffe sowie ein Dienst mit sehr hohem körperlichen Einsatz sei "nicht zu empfehlen", nicht dahingehend, dass bei ihr eine eingeschränkte Polizeidienstfähigkeit vorliege, so dass sie in gesundheitlicher Hinsicht gleichwohl als Polizeikommissarin zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt werden könnte. Maßgeblich hierfür ist die Herleitung dieser Aussage der Sachverständigen, die insofern von der Möglichkeit eines Polizeivollzugsdienstes ohne Waffe bzw. nur im Innendienst ausgeht. Derartige Einsatzmöglichkeiten in einer Funktion im Polizeidienst ohne Waffe oder im Innendienst bestehen nach den plausiblen Darstellungen des Beklagten jedoch nur, wenn Polizeivollzugsbeamte auf Lebenszeit in ihrer allgemeinen Polizeidienstfähigkeit eingeschränkt sind.
In solchen Fällen erfolgt aus Fürsorgegründen ein Einsatz auf Innendienstfunktionen (z. B. in der Einsatzleitzentrale). Auf die hier vorliegende Konstellation einer Probebeamtin, bei der die für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes erforderliche gesundheitliche Eignung wegen des Risikos einer Hypoglykämie und des damit verbundenen Verbots, eine Waffe zu tragen, fehlt, kann diese Möglichkeit dagegen nicht übertragen werden.
Das Gericht verneint also die Polizeivollzugsdienstfähigkeit, bejaht aber die Dienstfähigkeit für die
allgemeine Verwaltung und stellt im folgenden Teil seiner Entscheidung dar, welche Rahmenbedingungen für eine Wechsel gelten.
2. Ist die Klägerin danach in gesundheitlicher Hinsicht für eine Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamtin nicht geeignet, gilt dies jedoch nicht für eine Übernahme als Beamtin auf Lebenszeit im allgemeinen Verwaltungsdienst.
Hierfür erfüllt sie sowohl die allgemeinen (a) als auch erst recht die für Schwerbehinderte geltenden herabgesenkten (b) gesundheitlichen Eignungsanforderungen.
a) Die Klägerin ist in gesundheitlicher Hinsicht für eine Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes geeignet. Auch dies folgt aus dem Gutachten von Frau Dr. N. Insofern stellt die Sachverständige zunächst fest, dass bei der Klägerin allein wegen ihres Diabetes mellitus derzeit keine Dienstunfähigkeit im Hinblick auf ein Amt in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes vorliegt (S. 24 des Gutachtens). Da seit dem Auftreten der Erkrankung bei der Klägerin unstreitig keine krankheitsbedingten Fehlzeiten zu verzeichnen sind, ist diese Aussage von Frau Dr. N. nicht weiter in Zweifel zu ziehen. Ist die Klägerin danach aktuell nicht dienstunfähig, so kann ihre Entlassung wegen fehlender gesundheitlicher Eignung für eine Verbeamtung auf Lebenszeit nur mit einer prognostischen Einschätzung begründet werden, nach der die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze wegen ihrer chronischen Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 nicht mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Das ist vorliegend indessen nicht der Fall.
Sowohl die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen als auch eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze kann nach dem insoweit heranzuziehenden Gutachten von Frau Dr. N. mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. ...
Die Schlussfolgerungen der Sachverständigen sind nachvollziehbar und überzeugend. Die Fachärztin stützt ihre medizinische Einschätzung auf eine vollständige Auswertung der Akten, die umfassende Anamnese und eingehende körperliche Befunderhebung bei der Klägerin sowie die Sichtung und Beurteilung der derzeit in der aktuellen medizinischen Wissenschaft vorliegenden Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Risiken bei einer Erkrankung an Diabetes mellitus. Nach ihrer zusammenfassenden Bewertung kommt sie bei der Klägerin aufgrund des Vorliegens günstiger Faktoren (gute Einstellung des Blutzuckers und des Blutdruckes, gute Blutfettwerte und Nikotinabstinenz) zu dem schlüssigen Ergebnis, die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeivollzugsdienstes könne bei der Klägerin mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach einer umfassenden inhaltlichen Auswertung des Gutachtens an und macht sie sich zu Eigen.
Die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht nach seiner jüngsten Rechtsprechung an den Prognosemaßstab für die Lebenszeiternennung eines aktuell dienstfähigen Probebeamten mit einer latenten Grunderkrankung stellt, sind damit mehr als erfüllt. Danach muss eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze lediglich mit einem überwiegenden Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können (Urteil vom 25.07.13 - 2 C 12.11 -).
Diesen Wahrscheinlichkeitsmaßstab kann der Senat, der hierzu eine eigene Einschätzung vorzunehmen hat, auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens ohne jeden Zweifel als erfüllt ansehen, lassen sich diese gesundheitlichen Folgen doch nach den Ausführungen der Sachverständigen trotz der bei der Klägerin vorhandenen chronischen Erkrankung sogar mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausschließen.
b) Mit der von der Sachverständigen in ihrem Gutachten gestellten günstigen Prognoseeinschätzung erfüllt die Klägerin darüber hinaus die Mindestanforderungen, die nach § 14 der Laufbahnverordnung an eine gesundheitliche Eignung von schwerbehinderten Bewerbern zu stellen sind.
Nach dieser Vorgabe darf von schwerbehinderten Menschen nur das Mindestmaß körperlicher Eignung für die Wahrnehmung von Laufbahnaufgaben verlangt werden.
Die Klägerin gehört gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX zu dieser Personengruppe, da bei ihr nach dem Gutachten von Frau Dr. N. ein Grad der Schädigung von 50 v. H. vorliegt. Aufgrund der fachärztlichen Prognose der Sachverständigen, nach der die Möglichkeit häufiger Folgeerkrankungen oder eine dauerhafte Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze in der Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeivollzugsdienstes mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, erfüllt die Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht zugleich diese herabgesetzten Anforderungen.
Da die Sachverständige ihre fachliche Prognose ausdrücklich auf den Zeitraumbis zum Erreichen der regulären Altersgrenze erstreckt hat, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der vom Beklagten weiter problematisierten Frage, ob bei Schwerbehinderten wegen des bei dieser Personengruppe jetzt geltenden herabgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch eine Verkürzung des Prognosezeitraums erforderlich ist.
3. Ist die Klägerin aus diesen Gründen in gesundheitlicher Hinsicht für eine Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes geeignet, so sind die mit ihrer Klage somit erfolgreich angefochtenen Bescheide vollständig aufzuheben.
Dass diese teilweise, nämlich im Hinblick auf die nicht gegebene Polizeidienstfähigkeit der Klägerin, im Ergebnis zutreffend sind, ist demgegenüber nicht erheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte die Möglichkeit der Verwendung der Klägerin in einer Laufbahn des gehobenen Dienstes außerhalb des Polizeidienstes nicht zutreffend beurteilt hat.