Verletzung der Gehorsamspflicht als (charakterlicher) Eignungsmangel
(Lehrerin, Verweigerung eines Unterrichtsbesuchs)
(Lehrerin, Verweigerung eines Unterrichtsbesuchs)
Die Beschäftigung als Beamter auf Widerruf oder auf Probe dient letztlich auch der Feststellung der Eignung vor der Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit.
Für den jungen Beamten kann es tragisch sein, wenn sich während der Probezeit gesundheitliche Probleme ergeben und deshalb die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit scheitert. [Bisweilen ist dann allerdings eine Weiterbeschäftigung im Angestelltenverhältnis möglich.]
Aber auch charakterliche Mängel - oder schon entsprechende Zweifel - können die Ernennung zum Beamten auf Lebenzeit gefährden, wie der nachstehende Fall zeigt.
Dabei haben sich die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was ein charakterlicher Mangel ist, im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. Da es keine ganz objektiven Maßstäbe gibt, werden die Anforderungen dann von der Verwaltung definiert - und die Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt der Verwaltung häufig weite Spielräume.
Man kann die Entscheidung der zweiten Instanz im folgenden Fall durchaus für zu hart halten.
OVG Koblenz, Beschluss vom 09.01.06, 2 B 11340/05
Entlassung einer Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe
Lehrer im Beamtenverhältnis auf Probe sind angesichts der Bedeutung guter Schulbildung für die Lebens- und Berufschancen junger Menschen grundsätzlich verpflichtet, jederzeit an der Feststellung ihrer Eignung durch angekündigte oder unangekündigte Unterrichtsbesuche mitzuwirken. Verweigern sie diese Mitwirkung ohne sachlichen Grund, zeigt die darin liegende Verletzung der Gehorsamspflicht einen Eignungsmangel auf, der regelmäßig bereits für sich allein eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung rechtfertigt.
Entlassung einer Lehrerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe
Lehrer im Beamtenverhältnis auf Probe sind angesichts der Bedeutung guter Schulbildung für die Lebens- und Berufschancen junger Menschen grundsätzlich verpflichtet, jederzeit an der Feststellung ihrer Eignung durch angekündigte oder unangekündigte Unterrichtsbesuche mitzuwirken. Verweigern sie diese Mitwirkung ohne sachlichen Grund, zeigt die darin liegende Verletzung der Gehorsamspflicht einen Eignungsmangel auf, der regelmäßig bereits für sich allein eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung rechtfertigt.
1.
Im Februar 2000 trat die Antragstellerin in den Schuldienst und wurde zunächst als Realschullehrerin im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Im August 2002 erfolgte ihre Ernennung zur Beamtin auf Probe. Im Juli 2003 wurde die Probezeit um ein Jahr verlängert, nachdem die ... dienstliche Beurteilung mit einem unzureichenden Gesamturteil abgeschlossen hatte. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung entsprachen danach nicht den Anforderungen des Lehrerberufs.
Die Antragstellerin wurde zum Beginn des Schuljahres 2003/2004 an eine andere Realschule versetzt.
Mit Verfügung vom 15.11.04 wurde die Probezeit wegen Zweifeln an ihrer Eignung erneut verlängert. Dabei wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass Grundlage für weitere dienstliche Beurteilungen u.a. angekündigte und unangekündigte Unterrichtsbesuche durch den Schulaufsichtsbeamten sein würden. Am 24.03.05 wurde sie darauf hingewiesen, dass sich der Schulaufsichtsbeamte die Reihenfolge der Unterrichtsbesuche vorbehalte. Am 06.04.05 verweigerte die Antragstellerin dem Schulaufsichtsbeamten bei einem unangekündigten Unterrichtsbesuch den Zutritt zu ihrem Unterricht. Daraufhin erfolgte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wegen mangelnder Bewährung in der Probezeit. Das Verwaltungsgericht (VG) gab dem hiergegen gerichteten Antrag der Antragstellerin auf Eilrechtsschutz statt.
2.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners hebt das Oberverwaltungsgericht (OVG) den für die Beamtin auf Probe günstigen Beschluss des VG auf und entscheidet zu Gunsten des Dienstherrn:
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entlassungsverfügung. Die Entlassung ist verfahrensmäßig fehlerfrei ausgesprochen worden. Die Antragstellerin ist gemäß § 41 Abs. 3 LBG angehört worden. Der zuständige Personalrat hat die Maßnahme gebilligt (§§ 79 Abs. 2 Nr. 15, 74 Abs. 2 Satz 8 LPersVG). Die Gleichstellungsbeauftragte hat sie ebenfalls nicht beanstandet. Die Entlassungsfrist des § 41 Abs. 2 LBG ist gewahrt.
Der Dienstherr hat die Entlassung auf § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG gestützt. Die Entscheidung darüber stellt einen Akt wertender Erkenntnis des für die Beurteilung zuständigen Organs des Dienstherrn dar. Der Beamte muss während der Probezeit gezeigt haben, dass er nach seiner ganzen Persönlichkeit voraussichtlich allen an ihn künftig vom Dienstherrn im Rahmen der konkreten Laufbahn in körperlicher, geistiger, charakterlicher und fachlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen gewachsen ist. Dem Dienstherrn steht insoweit ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwGE 106, 263).
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 41 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 LBG basierenden Entlassungsverfügung ist dabei allein maßgebend, ob die zur Begründung des negativen Urteils über die Bewährung des Probebeamten herangezogenen Tatsachen zutreffen und ob sie im Rahmen der dem Dienstherrn eingeräumten Beurteilungsermächtigung die Entlassung wegen mangelnder Bewährung rechtfertigen können. Im Übrigen bleibt es dem Dienstherrn überlassen, auf welche tatsächlichen Grundlagen er die Feststellung mangelnder Bewährung stützt. Das Erstellen einer dienstlichen Beurteilung am Ende der Probezeit ist insoweit zwar zweckmäßig, aber nicht in jedem Fall zwingend erforderlich.
Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung mangelnder Bewährung der Antragstellerin während der Probezeit nicht zu beanstanden. Der Dienstherr hat nach derzeitigem Erkenntnisstand weder den Begriff der Bewährung noch die Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt. Maßgebliche Bedeutung misst er der Weigerung der Antragstellerin bei, an einem (unangemeldeten) Unterrichtsbesuch des zuständigen Schulaufsichtsbeamten mitzuwirken. Allein dieser Vorfall rechtfertige die Entlassung der Antragstellerin. Dagegen ist vorliegend nichts zu erinnern.
Es ist Sache des Dienstherrn, auf welche Weise und mit welchen Mitteln er sich die erforderlichen Tatsachen zur Beurteilung der Bewährung des Probebeamten verschaffen will. Bei einer Lehrkraft bietet sich hierfür die Beobachtung und Bewertung ihrer praktischen Unterrichtstätigkeit in besonderer Weise an. Sie geben dem Dienstherrn Gelegenheit, sich ein zuverlässiges Urteil über die fachliche Eignung und Bewährung des Beamten zu bilden. Eine Lehrkraft im Beamtenverhältnis auf Probe ist aufgrund des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses grundsätzlich verpflichtet, jederzeit an der Feststellung ihrer Bewährung durch Zulassung von Unterrichtsbesuchen mitzuwirken. Verweigert sie diese Mitwirkung ohne sachlichen Grund, zeigt die darin liegende Verletzung der beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht (§ 65 Satz 2 LBG) einen Eignungsmangel auf, der regelmäßig bereits für sich allein eine Entlassung wegen mangelnder Bewährung rechtfertigt. Denn Bildung ist der Schlüssel für individuelle Berufs- und Lebenschancen. Eine gute und fundierte Schulbildung gewinnt angesichts der begrenzten Zahl von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zur Wahrung der Chancengleichheit auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung. Dem ist bei der Entscheidung über die Verbeamtung von Lehrkräften auf Lebenszeit Rechnung zu tragen. Es muss sichergestellt sein, dass diese den dadurch bedingten, steigenden Anforderungen an den Unterricht gerecht werden und stets - nicht nur anlässlich eines angekündigten Unterrichtsbesuchs - auf den Unterricht optimal vorbereitet sind. Eine Lehrkraft im Beamtenverhältnis auf Probe, die einen Unterrichtsbesuch zur Feststellung ihrer Eignung nicht zulässt, offenbart in der Regel, dass sie sich dieser Zusammenhänge und ihrer Verantwortung nicht in dem für einen Lebenszeitbeamten erforderlichen Umfang bewusst und demzufolge für den öffentlichen Schuldienst nicht tragbar ist.
Im vorliegenden Fall ist ein Rechtfertigungsgrund für das Verhalten der Antragstellerin nicht zu erkennen.