Wettkampfsport während Krankschreibung
Die nachstehende Entscheidung finden Sie bei uns auch im Bereich "Entlassung aus dem Beamtenverhältnis". Denn die Frage der Eignung stellt sich nicht nur bei Einstellungen oder Ernennungen, sondern insbesondere auch bis zum Abschluss der Probezeit.
Bei groben Verstößen bzw. dann, wenn ihre Eignung nicht mehr gegeben ist, können Beamte auf Widerruf und Probe entlassen werden.
In diesem Fall war dem Dienstherrn nicht entgangen, dass der angeblich dienstunfähige Beamte nicht nur sportliche Höchstleistungen vollbracht, sondern sich dieser Heldentat auch noch im Internet berühmt hat.
VG Cottbus, Beschluss vom 23.06.17 - 4 L 110/17 -
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 8.615,49 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des im Beamtenverhältnis auf Probe als Polizeikommissar bei dem Antragsgegner tätigen Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.01.17, mit dem seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe mit Ablauf des 31.03.17 verfügt wurde, wiederherzustellen, ist unbegründet.
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Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (Beamtenstatusgesetz) BeamtStG i.V.m. §§ 18 Abs. 1 Landesbeamtengesetz Brandenburg (LBG Bbg), 7 Abs. 7 der Verordnung über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamten des Landes Brandenburg (LVPol) können Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben.
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In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung. ...
Disziplinarverfahren und Entlassungsverfahren können vom Dienstherrn parallel betrieben werden; eine eventuelle - hier aber nicht anzunehmende – Vernachlässigung des Beschleunigungsgebotes wirkt sich per se nicht auf das Entlassungsverfahren aus. Zudem ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Dienstvergehens bei Vorliegen weiterer Ermittlungsansätze für Dienstvergehen das Verfahren auszuweiten, was vorliegend beanstandungsfrei geschehen ist. Diesbezügliche Erkenntnisse können für das Entlassungsverfahren verwendet werden (vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 01.12.15 – 2 K 1731/15 –).
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Der Antragsgegner hat auch nicht den ihm gegebenen Beurteilungsspielraum verkannt. Mangelnde Bewährung liegt bereits dann vor, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass der Beamte den Anforderungen genügen wird, die an die (charakterliche) Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Beamten seiner Laufbahn gestellt werden. Die Zweifel können sich sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten zeigen. Sie müssen allerdings auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen. Die Frage, ob sich der Beamte auf Probe in diesem Sinne für das konkret angestrebte Amt bewährt hat, unterliegt nach ständiger verwaltungsgerichtsgerichtlicher Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Die Entscheidung hierüber erfordert eine Bewertung des Dienstherrn, der letztlich nur selbst entscheiden kann, welche Anforderungen auch an den Charakter eines Beamten das konkret angestrebte Amt stellt. Das Gericht ist in diesem Zusammenhang darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den angewendeten Begriff der Bewährung und den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.04.17 – 6 A 8/17 -, . BVerwG, Urteile vom 18.07.01 - 2 A 5.00 -, ZBR 2002, 184, Rn. 20 ff., und vom 19.03.1998 - 2 C 5.97 -, BVerwGE 106, 263, Rn. 20; Bay. VGH, Beschluss vom 20.03.17 - 3 CS 17.257 -, Rn. 13 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 23.12.10 - 1 B 1240/10 -, Rn. 10 ff.).
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Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat der Antragsgegner den Sachverhalt richtig zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet, sachgerechte Erwägungen angestellt sowie nicht verkannt, dass maßgeblich die Frage war, ob die Nichtbewährung endgültiger Natur ist oder nicht; der Antragsgegner hat eine zukunftsgerichtete Einschätzung getroffen. In dem angegriffenen Bescheid wird ausdrücklich ausgeführt:
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“Bewährung bedeutet, dass das vom Beamten in der laufbahnrechtlichen Probezeit gezeigte Verhalten sowie das gesamte Persönlichkeitsbild dem Dienstherrn die positive Feststellung ermöglicht, der Beamte werde mit vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit während seiner ganzen Dienstzeit als Beamter auf Lebenszeit in jeder Hinsicht den an seine Eignung zu stellenden Anforderungen gerecht werden. Sofern hieran nicht auszuräumende Zweifel bestehen, so ist die Bewährung nicht gegeben… Maßgebend ist dabei die Gesamtwürdigung des Verhaltens eines Beamten während der Probezeit, gegebenenfalls seine Einsicht und Besserung nach einem Fehlverhalten.
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Trotz des Wissens um die Einsatzlage am Wochenende vom 12./13.09.15 ließ sich Ihr Mandant (= der Antragsteller) seine Dienstunfähigkeit durch seine Hausärztin mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestieren, obwohl er offenkundig nicht dienstunfähig war. Denn wie im Schreiben vom 2016 dargestellt, nahm er am Laufwettbewerb teil, weil er „sich wieder als dienstfähig betrachtete“. Zudem handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Laufstrecke um die Strecke von 16 km mit zahlreichen, schwierigen Hindernissen. Dies macht deutlich, dass die gesamte Strecke mit einem verletzten Fuß nicht bewältigt werden kann und demnach die Verletzung Ihres Mandanten (= Antragstellers) von vornherein nicht schwerwiegend oder sogar überhaupt nicht vorhanden war. Dass er die Teilnahme am Lauf durch die Einnahme von Schmerzmitteln ermöglichte, erscheint daher ebenfalls als unglaubwürdig. Vielmehr liegt nahe, dass Ihr Mandant (= Antragsteller) aufgrund des bereits im Vorfeld ausgelegten Geldes eine Erkrankung vorschob, um trotz der avisierten Einsatzlage und damit verbundenen Dienstverrichtung dennoch am Lauf teilnehmen zu können. Selbst wenn er sich tatsächlich am 10.9.2015 den Fuß verletzt haben sollte, so kann diese Verletzung nicht derart schwer gewesen sein, dass eine Dienstunfähigkeit vorgelegen hat. Auch die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vermag diese Auffassung nicht zu ändern. Der Beweiswert der hier vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist durch das Verhalten Ihres Mandanten (= Antragstellers) stark erschüttert worden, denn es sprechen deutliche Indizien dafür, dass eine Dienstunfähigkeit nicht vorgelegen hat. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfaltet keine Beweiskraft, wenn sich der Beamte entgegen seiner Diagnose verhält. ... Nicht zuletzt wiegt der vorliegende Vertrauensbruch, welcher durch die unwahren Angaben… in Bezug auf die Teilnahme am Lauf und seine Dienstunfähigkeit erzeugt wurde, sehr schwer. Entgegen seiner Behauptung hat er erst dann die Wahrheit zugegeben, als es keine Möglichkeit für ihn gab, mit einer Unwahrheit unbeschadet der Situation zu entkommen.…
Bei meiner Einschätzung habe ich auch berücksichtigt, dass ihr Mandant seit seiner Umsetzung zur Polizeidirektion Süd mit Wirkung vom 01.10.15 beanstandungsfrei arbeitet und keine Verstöße gegen die in der dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht festgestellt worden sind. …
Das Vertrauensverhältnis … ist derart gestört worden, dass ein Verbleib im Beamtenverhältnis auf Probe nicht befürwortet wird. … Die bestehenden Zweifel an der Eignung Ihres Mandanten können auch innerhalb einer gegebenenfalls verlängerten Probezeit nicht mehr ausgeräumt werden, da ich das Fehlverhalten des Beamten als zu schwer wiegend erachte. …“
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Angesichts dessen dringt der Antragsteller auch mit dem weiteren Vorbringen nicht durch, es hätte einer weitergehenden Prognose bedurft.
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Hat der Antragsgegner danach rechtmäßig festgestellt, dass der Antragsteller sich unumstößlich nicht bewährt hat, ist dieser aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zu entlassen.
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Schließlich ist das für den Sofortvollzug der Entlassung erforderliche besondere öffentliche Interesse angesichts der schwer wiegenden Verfehlung des Antragstellers anzunehmen. Neben dem ihm vorzuwerfenden Vertrauensbruch muss berücksichtigt werden, dass er durch die Teilnahme am 6. Puma Survival Run mit 2 Runden zu je 8 km Länge, auf dem sich 25 künstliche oder natürliche Hindernisse befinden, die zum Teil als Hürdenlauf zu durchqueren, Sandkuhlen, Tunnel (Krabbeln und Robben), Strecken mit natürlichen Hindernissen und Stolperfallen zu überwinden, Strohballen, schlammiges Wasser, Schlammgraben etc. zu überwinden waren, in einer Laufzeit von 1:40:51 Stunden und Platz 127 von insgesamt 649 Teilnehmern in exzeptioneller Weise seine Krankschreibung missbraucht hat, was angesichts des von ihm vorgetragenen gruppendynamischen Geschehens und Überredens durch Freunde zur Teilnahme den Anderen nicht verborgen geblieben ist.
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Damit hat er in untragbarer Weise das Ansehen der Beamtenschaft – und durch seine Bekanntgabe auf Facebook unter dortigem Hinweis auf seinen Beruf – in auch noch veröffentlichter Weise geschädigt, so dass es eines Eingehens auf die weiteren Verfehlungen des Antragstellers durch rücksichtlose Teilnahme am Straßenverkehr mit strafrechtlicher Verfolgung und Einstellungen gem. §§ 153, 153a Strafprozessordnung (StPO) nicht bedarf.
Auch der Zeitablauf (Anhörung 14.12.15, Bescheid 20.01.17) lässt angesichts der zwischenzeitlichen, nicht fernliegenden Ermittlungen das Interesse der sofortigen Vollziehung nicht entfallen.