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Reaktivierung eines Beamten - VG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.08, - 10 K 2562 / 07 -


Lange Verfahrensdauer bei Reaktivierungsbegehren eines Beamten

Für den Beamten ist es nicht immer einfach, seine Reaktivierung durchzusetzen.
Der Streit um die Reaktivierung kann Jahre dauern. Ein Beispiel bietet eine Entscheidung des VG Düsseldorf. In diesem Fall ging es allerdings sogar noch relativ schnell, und zwar sogar bis zum Bundesverwaltungsgericht. Dies war möglich, weil die erste Instanz, also das VG Düsseldorf, in seinem Urteil die Sprungrevision zugelassen hatte.


Findet der Dienstherr (k)einen freien Dienstposten für den zu reaktivierenden Beamten?


Der Dienstherr, die Deutsche Bundespost, "mauert" in diesem Fall und erklärt dem wieder dienstfähig gewordenen Beamten, sie finde für ihn keine Verwendung, es gebe keinen freien Dienstposten. Das lässt die Rechtsprechung nicht durchgehen. Sie verpflichtet den Dienstherrn zur Reaktivierung.

VG Düsseldorf, Urteil vom 16.07.08, - 10 K 2562 / 07 -


Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Vorstandes der Deutschen Telekom AG sowie des Widerspruchsbescheides verpflichtet, den Kläger erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 Bundesbesoldungsgesetz einzuweisen.

Berufung und Sprungrevision gegen das Urteil werden zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger begann im Jahre 1966 bei der Deutschen Bundespost eine praktische Berufsausbildung. ... Mit Wirkung vom März 1975 erfolgte seine Ernennung zum Technischen Fernmeldeoberinspektor. Zugleich wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Zum 01.02.1992 erfolgte die letzte Beförderung des Klägers zum Technischen Fernmeldeamtsrat mit der Besoldung A 12 Bundesbesoldungsgesetz.
...

Seit dem 02.01.01 war der Kläger dienstunfähig erkrankt. Seinen neuen Dienstposten trat er nicht an. Durch Urkunde und Bescheid der Beklagten vom 03.12.01 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit zum 31.12.01 vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Mit Schreiben vom 01.09.06 beantragte der Kläger seine Reaktivierung. Eine von der Beklagten veranlasste sozialmedizinische Untersuchung des Klägers führte am 09.11.06 zu der Bewertung des ärztlichen Dienstes, gegen die beabsichtigte Reaktivierung bestünden betriebsärztlicherseits keine Bedenken.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.01.07 lehnte der Vorstand der Deutschen Telekom AG eine Reaktivierung des Klägers mit dem Hinweis ab, es könne für ihn kein geeigneter Dienstposten gefunden werden.

Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Bescheid vom 25.05.07 mit unveränderter Begründung zurück.

Am 16.06.07 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er meint, für die Reaktivierung komme es nicht darauf an, ob die Beklagte ihm einen Dienstposten verschaffen könne oder nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.01.07 sowie des Widerspruchsbescheides zu verpflichten, ihn in den aktiven Dienst der Beklagten zu reaktivieren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie geht davon aus, dass einer Reaktivierung zwingende dienstliche Gründe entgegen stehen.


Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

Die angefochtene Entscheidung des Vorstandes der Deutschen Telekom AG sowie der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, erneut in das Beamtenverhältnis berufen und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 Bundesbesoldungsgesetz eingewiesen zu werden.

Nach § 45 Abs. 2 BBG ist ein vorzeitig in den Ruhestand versetzter Beamter auf seinen Antrag hin erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, wenn seine Dienstfähigkeit wieder hergestellt ist. Ein Ermessen des Dienstherrn besteht insoweit nicht. Von der Reaktivierung ist nur ausnahmsweise abzusehen, wenn zwingende dienstliche Gründe entgegen stehen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob die Dienstfähigkeit des Beamten in diesem Sinne wieder hergestellt ist, ist im verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsverfahren der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das Verwaltungsgericht entscheidet nicht über die Rechtmäßigkeit einer vorausgegangenen Verwaltungsentscheidung, sondern über die Verpflichtung des Dienstherrn zu dem vom Kläger beanspruchten Verwaltungshandeln,

vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.10.1997 – 2 C 7.97 -, BVerwGE 105, Seite 267, 271; OVG Münster, Urteil vom 08.05.1996 – 1 A 5669/94 -, Beschluss vom 07.05.07 – 1 B 385/07 -;

Es kommt demgemäß für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, ob der Kläger im Augenblick seines Reaktivierungsgesuches vom 01.09.06 wieder dienstfähig war, sondern allein darauf, ob er zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dienstfähig war. Die weitere Frage, ob die Beklagte dem Kläger die Differenz zwischen dem Ruhegehalt und seinem Gehalt als aktiver Beamter für die Zeit ab Antragstellung am 01.09.06 zu ersetzen hat, weil die Reaktivierung des Klägers zum damaligen Zeitpunkt zu Unrecht unterblieben ist, hat der Kläger in einem etwaigen Schadensersatzverfahren klären zu lassen,

vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29.01.08 – 1 B 1745/07 -, zitiert nach juris.

Die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers ist zwischen den Parteien unstreitig. Der ärztliche Dienst der Beklagten hat dem Kläger nach Durchführung einer sozialmedizinischen Untersuchung am 09.11.06 vollständige Gesundung attestiert. Es gibt keine Indizien dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers zwischenzeitlich wieder verschlechtert haben könnte.

Ist der Kläger wieder als dienstfähig einzustufen, stehen seiner Reaktivierung auch keine zwingenden dienstlichen Gründe i.S.v. § 45 Abs. 2 BBG entgegen. Als Ausnahme von dem Grundsatz "Rehabilitierung vor Versorgung" ist der Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe eng auszulegen. Die von dem Dienstherrn im Rahmen seines Organisationsermessens steuerbaren Umstände – unter anderem Stellenstreichungen im Rahmen der Stellenplanung – können dem Verlangen des Beamten auf Reaktivierung nicht als zwingende dienstliche Gründe entgegen gehalten werden. Da sich der Anspruch des Beamten auf Reaktivierung gemäß § 45 Abs. 2 BBG auf einen Zeitraum von fünf Jahren seit dem Eintritt in den Ruhestand beschränkt, ist es dem Dienstherrn zumutbar, während dieser Frist seine Personalplanung auf eine mögliche Rückkehr des Beamten in den aktiven Dienst einzustellen,

vgl. OVG Münster, Urteil vom 10.11.06 – 1 A 777/05 -, zitiert nach juris.

Der Dienstherr ist während dieser Frist gehalten, für den Beamten notfalls durch Umstrukturierung der verteilten Aufgaben einen amtsangemessenen Dienstposten zu schaffen,

vgl. OVG Münster, Urteil vom 10.11.06 – 1 A 777/05 -, zitiert nach juris.

Da der Anspruch auf Reaktivierung nach § 45 Abs. 2 BBG nicht auf die Beschäftigung des Beamten im konkret-funktionellen Sinn gerichtet ist, sondern auf seine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis, ist die Frage, in welcher Weise der Beamte im Anschluss an die Reaktivierung amtsangemessen beschäftigt wird, nicht Gegenstand des Reaktivierungsverfahrens. Soweit die Beklagte demnach darauf hinweist, dass bereits jetzt für viele der der Deutschen Telekom AG zugewiesenen Beamten keine amtsangemessene Beschäftigung vorhanden ist, kann dieser vom Dienstherrn zu verantwortende rechtswidrige Umstand dem Rechtsanspruch auf Reaktivierung nicht entgegen gehalten werden,

vgl. OVG Münster, Beschluss vom 07.05.07 – 1 B 385/07 -, zitiert nach juris.

Ob es für einen Technischen Fernmeldeamtsrat derzeit bei der Deutschen Telekom AG eine angemessene Beschäftigung gibt oder nicht, ist für das vorliegende Verfahren also irrelevant. Der Kläger ist unabhängig davon zu reaktivieren.


Berufung und Sprungrevision gegen das Urteil sind gemäß §§ 124 Abs. 1, 2 Nr. 3, 134 Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die höchstrichterlich ungeklärte Frage, ob das Fehlen eines Dienstpostens als zwingender dienstlicher Grund einer Reaktivierung des Beamten nach § 45 Abs. 2 BBG entgegen gehalten werden kann, grundsätzliche Bedeutung hat.


Das Gesetz hat sich geändert, aber inhaltlich ist es gleich geblieben. Jetzt ist § 46 Absatz 5 BBG einschlägig.
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