Beurteilungsrichtlinien gelten nach Auffassung des VG Potsdam weiter
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die
Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu 2 und zu 3, aber mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten
der Beigeladenen zu 1, zu 4 und zu 5, die diese selbst tragen.
2. Der
Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der
Antragsteller ist als Richter am Landessozialgericht in einem Statusamt der
Besoldungsgruppe R 2 bei dem Landessozialgericht B... tätig. Er wendet sich
im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung in einem
Bewerbungsverfahren für mehrere Stellen als Vorsitzender Richter am
Landessozialgericht, in dem seine Bewerbung erfolglos geblieben ist.
Dem
Antragsteller wurde in einem früheren Auswahlverfahren durch die Präsidentin
des Landessozialgerichts am 14. Juni 2018 eine Anlassbeurteilung erteilt für
den Beurteilungszeitraum vom 20. Januar 2012 „bis laufend“, in der er das
Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen erheblich“ und die
vorausschauende Eignungsbewertung „gut geeignet“ für das Amt des
Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht erreichte. Von den zehn
beurteilten Leistungsmerkmalen wurden fünf Merkmale als „gut ausgeprägt“ und
fünf Merkmale als „besonders ausgeprägt“ bewertet. Von den fünf
höhergewichtigen Merkmalen (Rechtskenntnisse, Verhandlungskompetenz,
Entschlusskraft, Qualität der schriftlichen Ausarbeitungen,
Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein) erreichte er in drei
Merkmalen (Verhandlungskompetenz, Qualität der schriftlichen Ausarbeitungen,
Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein) die Bewertung „besonders
ausgeprägt“. Gegen diese Beurteilung und den auf seinen Widerspruch hierzu
ergangenen Widerspruchsbescheid vom 11. September 2019 erhob der Kläger am
7. Oktober 2019 Klage, die beim Verwaltungsgericht P... zum Aktenzeichen VG
1 K 2600/19 anhängig ist und in der er insbesondere die Herabwertung in den
Merkmalen „Rechtskenntnisse“ und „Kommunikationsfähigkeit“ sowie in der
vorausschauenden Eignungsbewertung gegenüber der vorangegangenen Beurteilung
im Jahr 2012 rügt.
Der Antragsteller bewarb sich in der Folge auf die
im Amtsblatt für B... Nr. 25 vom 14. Juni 2019 (S. 3759) und Nr. 17 vom 17.
April 2020 (S. 36) sowie im Justizministerialblatt für das Land B... Nr. 6
vom 17. Juni 2019 (S. 2306) und Nr. 4 vom 15. April 2020 (S. 36)
ausgeschriebenen Stellen als Vorsitzender Richter am Landessozialgericht.
Aus Anlass seiner Bewerbung wurde er dienstlich beurteilt mit
Beurteilung vom 30. November 2020 für den Beurteilungszeitraum 15. Juni 2018
„bis laufend“. Das Gesamtergebnis der Beurteilung lautete (erneut) auf
„übertrifft die Anforderungen erheblich“ und die Eignungsbewertung auf „gut
geeignet“. Wiederum erreichte der Antragsteller in denselben fünf
Beurteilungsmerkmalen wie in der Anlassbeurteilung aus dem Jahr 2018 eine
Einschätzung als „besonders ausgeprägt“ und in den fünf weiteren Merkmalen
mit „gut ausgeprägt“.
Nach Vorlage des Entwurfs des
Besetzungsberichts der Präsidentin des Landessozialgerichts erhob die
stellvertretende richterliche Gleichstellungsbeauftragte beim
Landessozialgericht B... mit Stellungnahme vom 5. Januar 2021 keine
Einwendungen hinsichtlich der Besetzungen.
Mit Auswahlvermerk der
Präsidentin des Landessozialgerichts vom 6. Januar 2021 teilte diese dem
Antragsgegner zu 1 mit, dass 13 Bewerbungen auf die ausgeschriebenen
Vorsitzendenstellen eingegangen seien und dass sie die Beigeladenen zur
Besetzung der fünf Stellen vorschlage. ...
In seiner Sitzung am 6. Januar
2021 befürwortete der Präsidialrat für die Sozialgerichtsbarkeit der Länder
B... und B... die Besetzung der ausgeschriebenen Stellen mit den
Beigeladenen.
Mit Vermerk des Antragsgegners zu 1 vom 10. Januar 2021
wurde dem Besetzungsvorschlag mit u. a. der Maßgabe gefolgt, dass eine
Rangfolge der unterlegenen Bewerber gebildet wurde auf der Grundlage der
erreichten Gesamtnoten und Eignungseinschätzungen sowie, soweit
erforderlich, einer Ausschärfung durch die Betrachtung der Verteilung der
Ausprägungsgrade bei den Beurteilungsmerkmalen. Danach belegte innerhalb der
unterlegenen Bewerber der Antragsteller den Platz 7 (von allen Bewerbern
Platz 12 von 13). Durch den Antragsgegner zu 2 wurde zu den Maßgaben durch
Schreiben vom 19. Februar 2021 das Einvernehmen erklärt.
Am 20. Januar
2021 erklärte die Frauenvertreterin der Senatsverwaltung für Justiz,
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung ihr Einverständnis mit den
Stellenbesetzungen.
Der gemeinsame Richterwahlausschuss der Länder B...
und B... wählte in seiner Sitzung am 17. März 2021 hinsichtlich der
ausgeschriebenen Stellen die Beigeladenen.
Der Antragsgegner zu 1
teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 24. März 2021 mit, dass seiner
Bewerbung nicht habe entsprochen werden können. Hiergegen legten die
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 31. März 2021
Widerspruch ein. Gegen die im Auswahlverfahren herangezogene
Anlassbeurteilung für den Antragsteller legten seine Prozessbevollmächtigten
unter dem 21. April 2021 ebenfalls Widerspruch ein.
Am 21. April 2021 hat
der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er führt zur
Begründung an, dass ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der begehrten
einstweiligen Anordnung bestehe, da die Auswahl unter den Bewerbern
rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Es fehle an rechtmäßigen dienstlichen
Beurteilungen für alle Bewerber. Dies bewirke letztlich auch die
Fehlerhaftigkeit der erstellten Beförderungsrangliste.
Nach der
aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mangele es bereits an
einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für die erstellten und
herangezogenen Beurteilungen. In seinem Beschluss vom 21. Dezember
2020 (2 B 63.20) habe das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass
der Gesetzgeber die für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts
aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) wesentlichen Regelungen selbst
treffen müsse und sie nicht dem Handeln der Exekutive überlassen dürfe. Die
wesentlichen Vorgaben für die Erstellung der Beurteilungen müssten vom
Gesetzgeber bestimmt werden. In B... sei dies der Exekutive in Gestalt von
Verwaltungsvorschriften überlassen worden in Gestalt der Allgemeinen
Verfügung über die dienstliche Beurteilung der Richter und Staatsanwälte.
Speziell auch die für die Beurteilung von Richtern maßgeblichen Vorschriften
seien danach defizitär, da § 9 Abs. 3 des Brandenburgischen Richtergesetzes
(BbgRiG) die Regelung der Beurteilung von Richtern in Gestalt einer
Blankettermächtigung der obersten Dienstbehörde in Form von
Beurteilungsrichtlinien überlasse. Das Gesetz bestimme nur wenige
inhaltliche Vorgaben. Die Annahme einer Fortgeltung der (nicht dem
Gesetzesvorbehalt genügenden) Verwaltungsvorschriften über die Beurteilung
für einen Übergangszeitraum überzeuge nicht. Auswahlverfahren müssten nur
für eine überschaubare Zeitspanne ausgesetzt werden, um das notwendige
Gesetzgebungsverfahren durchzuführen. Damit sei die Funktionsfähigkeit der
Justiz nicht maßgeblich beeinträchtigt.
Weiter folge die
Rechtswidrigkeit der Beurteilungen auch aus der nicht durchgeführten
Mitbestimmung des Richterrats bei der Erstellung der Beurteilung des
Antragstellers wie auch derjenigen der Beigeladenen. Diese Mitbestimmung sei
in § 41 Satz 1 BbgRiG zwar gesetzlich vorgesehen, werde aber faktisch nicht
praktiziert. § 9 Abs. 2 Satz 3 BbgRiG sei keine Vorschrift, die in einem
Spezialitätsverhältnis zum allgemeinen Beteiligungsrecht der
Richtervertretung stehe.
...
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung nach
§ 123 Abs. 1
Satz 1 VwGO bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntgabe einer
erneuten Auswahlentscheidung zu untersagen, die ausgeschriebenen Stellen als
Vorsitzende/r Richter/in am Landessozialgericht bei dem Landessozialgericht
B... mit einem anderen als dem Antragsteller zu besetzen und im Zusammenhang
mit der Stellenbesetzung eine Ernennung oder Beförderung auszusprechen oder
die Stellen durch eine sonstigen Maßnahme zu vergeben.
Der Antragsgegner
zu 1 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
...
Der Antragsgegner zu 2 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
...
Der
Antrag sei unbegründet, da es an einem Anordnungsanspruch fehle.
Insbesondere seien die herangezogenen Anlassbeurteilungen nicht
rechtswidrig. Dem stehe nicht die jüngste Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts entgegen, da die für das richterliche
Beurteilungswesen bestehenden Verwaltungsvorschriften jedenfalls für eine
Übergangszeit weiterhin anwendbar seien.
...
Die Beigeladenen seien die besten Bewerberinnen und
Bewerber im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG. Der Antragsteller sei bei
Zugrundelegung der Beurteilungslage schon nicht in die engere Auswahl
einzubeziehen gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an den
Leistungsbewertungen und Eignungsprognosen trage der Antragsteller nicht
vor; insbesondere fehle es an konkreten Hinweisen für die vermutete
willkürliche Bestnotenvergabe. Die Vergabe dieser Noten sei auf die in den
einzelnen Beurteilungsmerkmalen erreichten höchsten Ausprägungsgrade
zurückzuführen, die, ebenso wie die Gesamtnoten, einzelfallbezogen
differenziert begründet worden seien. Die Erwägungen seien in den
Beurteilungen nachvollziehbar und schlüssig dargelegt. Die Einwände des
Antragstellers gegen seine Anlassbeurteilung vom 30. November 2020 seien
nicht hinreichend konkretisiert, sondern nur pauschal vorgetragen. Soweit
der Antragsteller die mangelnde Berücksichtigung des Beurteilungsbeitrages
rüge, greife dies nicht durch, da der Beitrag nur eine der
Beurteilungsgrundlagen darstelle und er vorliegend auch einbezogen worden
sei. Irgendeine Bindung oder Pflicht zur Fortschreibung bestehe nicht;
vielmehr bleibe der Beurteilungsspielraum des Beurteilers unbeeinträchtigt.
Es habe eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung vorgelegen. Bei fünf
mit „besonders ausgeprägt“ und fünf mit „gut ausgeprägt“ beurteilten
Leistungsmerkmalen liege die – erteilte – Gesamtnote „übertrifft die
Anforderungen erheblich“ nahe. Der Umstand, dass drei von fünf
höhergewichtigen Merkmalen mit „besonders ausgeprägt“ bewertet seien,
rechtfertige keine andere Gesamtnote als die vergebene Mittelnote. Auch die
vorausschauende Eignungsbewertung unterliege keinen Zweifeln. Die
Anlassbeurteilung nehme insoweit auf die in der Allgemeinen Verfügung zu den
Anforderungen für die Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und
staatsanwaltschaftlichen Dienst vom 26. November 2007 (AnforderungsAV) als
bedeutsam festgeschriebenen Fähigkeiten Bezug.
...
Der Beigeladene zu
5 hat keinen Antrag gestellt. Zur Sache verweist er hinsichtlich der neueren
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die sich damit
auseinandersetzenden Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg. Die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften seien
jedenfalls vorläufig weiter anzuwenden. Er, der Beigeladene zu 5, stehe an
Rang 3 der Rangliste. Die Rangfolge sei nachvollziehbar aus den rechtmäßig
ergangenen Beurteilungen abgeleitet worden. Er sei bereits mit der
Beurteilung vom 7. Juni 2018 hinsichtlich der Eignung mit „besonders
geeignet“, nunmehr mit der aktuellen Beurteilung mit „hervorragend geeignet“
beurteilt. Der Antragsteller mache selber nicht eine Bewertung der
Gesamtbeurteilung mit „herausragend“ geltend. Ebenso wenig sei erkennbar,
auf welcher Grundlage eine Eignungsprognose hinsichtlich des Antragstellers
von „hervorragend geeignet“ erfolgen sollte.
Unter dem 5. Mai 2021 hat
die Präsidentin des Landessozialgerichts B... den Widerspruch des
Antragstellers gegen die Anlassbeurteilung vom 30. November 2020
zurückgewiesen. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug
genommen. Der Antragsteller hat gegen die Beurteilung vom 30. November 2020
und den Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2021 am 1. Juni 2021 Klage erhoben
(VG 1 K 1231/21).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die von den
Antragsgegnern vorgelegten Verwaltungsvorgänge (zwei Ordner) Bezug genommen.
II.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit dem
Ziel, die beabsichtigte Beförderung der Beigeladenen zum Vorsitzenden
Richter bzw. zur Vorsitzenden Richterin am Landessozialgericht in der
Besoldungsgruppe R 3 zur Wahrung der eigenen diesbezüglichen
Beförderungschancen (vorläufig) zu unterbinden, hat keinen Erfolg.
...
Ein
Anordnungsanspruch ist in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren
glaubhaft gemacht, wenn der unterlegene Bewerber darlegt, dass die
Auswahlentscheidung fehlerhaft war und seine Aussichten, bei erneuter
Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, zumindest offen sind, seine
Auswahl mithin möglich erscheint,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar
2018 - 2 BvR 2223/15 -, juris Rn. 83.
1) Durch Art. 33 Abs. 2 des
Grundgesetzes (GG) und Art. 21 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes
Brandenburg wird ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem
öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gewährt.
Dementsprechend hat jeder Bewerber Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie
Entscheidung über sein Beförderungsbegehren (sog.
Bewerbungsverfahrensanspruch). Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann die
Einhaltung des beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatzes einfordern und die
Auswahlentscheidung dahingehend überprüfen lassen, ob der Dienstherr
ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über seine Bewerbung entschieden hat.
Vgl. zum Bewerbungsverfahrensanspruch etwa BVerfG, Beschluss vom 4. Februar
2016 - 2 BvR 2223/15 -, juris Rn. 69; BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 -
2 VR 1.13 -, juris Rn. 20.
Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es,
zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie
auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen und als
vorrangiges Auswahlkriterium auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen
abzustellen,
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -,
juris Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2012 - 2 BvR 1120/12 -, juris
Rn. 12.
2) Gemessen hieran ist die angegriffene, zugunsten der
Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden.
Nach
der aktuellen Beurteilungslage, nämlich den für den Zeitraum vom 6. Juni
(Beigeladene zu 1), 7. Juni (Beigeladener zu 2), 8. Juni (Beigeladener zu
5), 12. Juni (Beigeladene zu 3) und 15. Juni (Antragsteller) 2018 sowie vom
1. Januar 2019 (Beigeladener zu 4) „bis laufend“ erstellten
Anlassbeurteilungen vom 23., 24., 25. bzw. 30. November 2020, gebührt den
Beigeladenen eindeutig der Vorrang, da sie jeweils mit dem Gesamtergebnis
„herausragend“ beurteilt wurden, während der Antragsteller nur das
Gesamtergebnis „übertrifft die Anforderungen erheblich“ erzielte. In der
vorausschauenden Eignungsbewertung hinsichtlich des in Rede stehenden Amts
wurden die Beigeladenen jeweils als „hervorragend geeignet“ bewertet und der
Antragsteller allein als „gut geeignet“. Die Beurteilungslage leidet nicht
an Fehlern, aufgrund derer angenommen werden könnte, die Chancen des
Antragstellers, in einem erneuten und fehlerfreien Auswahlverfahren mit
seinem eigenen Beförderungsbegehren zum Zuge zu kommen, seien offen.
a)
Gegen die Erstellung der Beurteilungen auf der Grundlage der nach § 9 Abs. 3
BbgRiG erlassenen Beurteilungsrichtlinien, nämlich der Gemeinsamen
Allgemeinen Verfügung der Ministerin der Justiz und der Ministerin für
Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Dienstliche Beurteilung der
Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“
(Beurteilungs-AV) vom 20. Juni 2005, zuletzt geändert durch Allgemeine
Verfügung des Ministers der Justiz vom 29. August 2011, bestehen keine
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Soweit der Antragsteller die
jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt
bei der dienstlichen Beurteilung von Richtern (wie auch Beamten) Bezug
nimmt, so vermag dies im Ergebnis seinen Antrag nicht zu stützen.
Die
bezeichneten Beurteilungsrichtlinien sind hier insbesondere nicht von
vornherein unbeachtlich, soweit sie Regelungen treffen, die in Anwendung der
neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Gesetzesvorbehalt
unterfallen (könnten),
vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2020 - 2 C
2.20 -, juris Rn. 16 f.; Beschluss vom 21. Dezember 2020 - 2 B 63.20 -,
juris Rn. 22, 24, 26;
s. hierzu OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 19. Mai 2021 -
4 S 15.21 -, juris Rn. 5 ff., und Beschluss vom 29. Juli 2021 - 4 B 9.21 -,
juris Rn. 22.
Insoweit mag dahinstehen, ob die nunmehr vom
Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Verwirklichung
des Gesetzesvorbehalts im Beurteilungswesen überzeugen und ob § 9 BbgRiG i.
V. m. den hier maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien, der Beurteilungs-AV,
diesen Anforderungen genügt. Denn jedenfalls ist auch auf der Grundlage
einer danach anzunehmenden Ungültigkeit der Beurteilungs-AV die bisherige
Verwaltungsvorschriftenlage im Beurteilungswesen vorübergehend weiterhin
anzuwenden, um einen der verfassungsgemäßen Ordnung noch „ferneren“ Zustand
zu vermeiden.
Vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 19. Mai 2021, a. a. O. Rn.
11 und Beschluss vom 29. Juli 2021, a. a. O. Rn. 22; OVG Magdeburg,
Beschluss vom 19. Januar 2021 - 1 M 143/20 -, juris Rn. 22; VGH Kassel,
Beschluss vom 25. Februar 2021 - 1 B 376/20 -, juris Rn. 49 ff.; nunmehr
auch Bundesverwaltungsgericht nach seiner Pressemitteilung vom 7. Juli 2021
zum Urteil vom selben Tag (2 C 2.21), abrufbar unter https://www.bverwg.de.
Die Auffassung des Antragstellers, dass es einer vorübergehenden Fortgeltung
der Beurteilungsrichtlinien nicht bedürfe, da Auswahlverfahren für die
Durchführung des erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens nur für eine sehr
überschaubare Zeitspanne ausgesetzt werden müssten, erscheint wenig
realitätsnah und überzeugt schon deshalb nicht.
b) Die der
Auswahlentscheidung zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen erscheinen
auch nicht – wie der Antragsteller weiter meint – deshalb rechtswidrig, weil
bei ihrer Erstellung eine Mitbestimmung des Richterrats des
Landessozialgerichts nicht erfolgt ist.
....
bb) Gegen die Annahme eines
Mitbestimmungsrechts des Richterrats bei der Erstellung von dienstlichen
Beurteilungen spricht weiter die Zuständigkeit des Präsidialrats im Rahmen
von Beförderungsentscheidungen nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 BbgRiG. Die
Zuständigkeit des Richterrats besteht, wie dargelegt, nicht in den
Angelegenheiten in der Zuständigkeit des Präsidialrats. Zwar beinhaltet das
Beteiligungsrechts des Präsidialrats nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 BbgRiG nach dem
Normwortlaut (allein) die „Übertragung eines [höher dotierten]
Richteramtes“. Genau dies ist indes die maßgebliche personelle Maßnahme, aus
deren Anlass und als deren Grundlage die einschlägigen dienstlichen
Beurteilungen erstellt werden. Der Richterrat soll nicht schon an der
Entscheidung über die (Anlass-) Beurteilung mitbestimmen, sondern die
hierfür zuständige Richtervertretung, der Präsidialrat, soll erst an der
endgültigen personellen Maßnahme, der Beförderung, beteiligt werden. Es ist
deswegen davon auszugehen, dass die gesetzgeberische Entscheidung, den
Präsidialrat an der personellen Maßnahme der Beförderung zu beteiligen, den
Willen beinhaltet, Vorfragen und Vorstufen der Beförderungsentscheidung (die
Anlassbeurteilungen als solche) von der Beteiligung (der
Richtervertretungen) auszuschließen,
vgl. allgemein für das
Landespersonalvertretungsrecht Eylert in: ders., PersVG Bbg, Stand 04/2021,
§ 68 Rn. 142 m. w. N.
Hierfür spricht auch der Umstand, dass dem
Präsidialrat im Rahmen seiner Beteiligung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 BbgRiG nach
§ 61 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BbgRiG die Personalakten sämtlicher
Bewerberinnen und Bewerber vorzulegen sind, so dass Grundlage der Prüfung
und Stellungnahme des Präsidialrats nicht allein der (begründete)
Personalvorschlag des oberen Landesgerichts ist, sondern er im Rahmen seiner
Beteiligung gleichzeitig Zugriff auf die aktenmäßige Grundlage der
Erstellung dieses Vorschlages einschließlich der dienstlichen Beurteilungen
erhält. Die hinsichtlich der Auswahlentscheidung (unter Berücksichtigung
ihrer Grundlagen einschließlich der Anlassbeurteilungen) zu beteiligende
Richtervertretung ist danach der Präsidialrat, so dass nach § 41 Satz 5
BbgRiG die Mitbestimmung des Richterrates ausgeschlossen ist.
Auch eine
Folgenbetrachtung spricht für dieses Ergebnis. Das Eingreifen eines
Mitbestimmungsrechts nach § 41 Satz 1 BbgRiG würde nämlich nach § 46 Abs. 1
BbgRiG zur Folge haben, dass eine Anlassbeurteilung nur mit Zustimmung des
Richterrates wirksam erstellt werden könnte. Denn nach § 46 Abs. 1 BbgRiG
kann eine der Mitbestimmung des Richterrats unterliegende Maßnahme nur mit
seiner Zustimmung getroffen werden, soweit nicht in dem Gesetz eine Ausnahme
bestimmt ist (was hier nicht ersichtlich ist). Eine solch weitgehende, über
das Stellungnahmerecht des Präsidialrats nach § 61 Abs. 1 BbgRiG deutlich
hinausgehende Beteiligung, die – mindestens über einen gewissen, mitunter
auch längeren Zeitraum – verhindern könnte, dass die Grundlagen für eine
Auswahlentscheidung überhaupt geschaffen werden, würde die erst in einer
späteren Stufe einsetzende Beteiligung des Präsidialrats de facto aushebeln
bzw. ins Leere laufen lassen. Sie könnte darüber hinaus das gesamte, auch
von Grundrechten bzw. grundrechtsgleichen Rechten der betroffenen
Richterinnen und Richter (aus Art. 33 Abs. 2 GG) geprägte System der
personellen Entwicklung im Richterbereich blockieren und unterläge wohl auch
verfassungsrechtlichen Bedenken, vgl. Schmidt-Räntsch, DtRiG, 6. Aufl.
2009, § 75 Rn. 11.
Diese Blockademöglichkeit spricht für eine Auslegung
der den Richterrat betreffenden Beteiligungsvorschriften, die es bei dem
explizit geregelten Recht zur Hinzuziehung bei der Besprechung der
Beurteilung belässt; alle weiteren richtervertretungsmäßigen Rechte im
Zusammenhang mit der Beförderung stehen dem Präsidialrat zu.
Will man
hinsichtlich der Abgrenzung der Zuständigkeit des Richterrats von derjenigen
des Präsidialrats bei Maßnahmen mit Doppelcharakter (wie der dienstlichen
Beurteilung) auf den Schwerpunkt der in Rede stehenden personellen Maßnahme
abstellen und fragt dementsprechend, ob bei der Vertretungsbeteiligung die
Interessenvertretung des einzelnen Richters gegenüber dem Gerichtsvorstand
oder diejenige der Gerichtsbarkeit gegenüber der zuständigen obersten
Dienstbehörde oder dem Richterwahlausschuss im Vordergrund stehen,
zu
diesem Ansatz Schmidt-Räntsch, DtRiG, 6. Aufl. 2009, § 73 Rn. 5 ff.,
dann
ist die dienstliche Beurteilung dem Aufgabenkreis des Präsidialrats
zuzuordnen. Denn sie ist – ungeachtet ihrer individualisierenden
Betrachtungs- und Bewertungsweise – in erster Linie Mittel zur Umsetzung der
Bestenauslese und dient damit der Vorbereitung von im Gesamtinteresse der
Richterschaft stehender personeller Maßnahmen – insbesondere eben auch
Beförderungen.
Vgl. Schnellenbach, NWVBl. 1989, 329, 330; im Ergebnis
auch Bodanowitz in: Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung
der Beamten und der Richter, Stand 04/2021, Rn. 522; a. A. wohl
Schmidt-Räntsch, a. a. O. Rn. 7 (ohne Begründung).
c) Schließlich vermag
der Antragsteller mit seinem Vorbringen auch nicht insoweit durchzudringen,
als er rügt, der Inhalt der ihm erteilten Anlassbeurteilung vom 30. November
2020 spiegele seine gezeigten Leistungen nicht angemessen wider und würdige
den vorgelegten Beurteilungsbeitrag nicht hinreichend.