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Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung?

Falls dieses Thema für Sie relevant ist und Sie Zugang zur Zeitschrift für Beamtenrecht haben, brechen Sie hier ab und lesen stattdessen den Aufsatz "Die fiktive Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung" von Prof. Dr. Lars Oliver Michaelis in ZBR 2020, 397 ff (Heft 12). Es ist auch möglich, den Aufsatz beim Verlag online als pdf-Datei zu erwerben.

Unsere Darstellung bleibt gegenüber dem erwähnten Aufsatz oberflächlich:

Zum Schutz bestimmer Personengruppen, die aus besonderen Gründen nicht ihren eigentlichen Dienst verrichten, aber auch zum Beispiel in Fällen längerdauernder Erkrankungen ist die fiktive Fortschreibung oder Nachzeichnung des dienstlichen Werdegangs bzw. der letzten dienstlichen Beurteilung vorgesehen.
Die nachfolgende Entscheidung erwähnt u.a. folgende Fälle: Die Beurlaubung zwecks der Verwendung bei internationalen Einrichtungen und Parlamentsfraktionen oder die Inanspruchnahme von Elternzeit und die Freistellung wegen der Mitgliedschaft im Personalrat etc. sowie Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG.
Für freigestellte Personalratsmitglieder gilt das in den Personalvertretungsgesetzen verankerte Benachteiligungsverbot.
Einzelheiten sind allerdings umstritten.

Der nachstehende Fall steht nicht im Zusammenhang mit einer jährlichen (Massen-) Beförderungsaktion, aber einige der von dem OVG NRW geäußerten Gedanken lassen sich gut auf andere Fälle übertragen.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.08.10 - 1 B 332/10 -

Der Antragsteller ist ... so zu behandeln, als ob eine Bewährung auf einem mit B 3 bewerteten Dienstposten erfolgt ist, weil die Antragsgegnerin es rechtswidrig versäumt hat, während seiner Beurlaubung seinen weiteren laufbahnrechtlichen Werdegang nachzuzeichnen. Es ist davon auszugehen, dass diese Nachzeichnung zur Erfüllung zumindest der streitrelevanten Beförderungsvoraussetzung der Erprobung geführt hätte.

Die Pflicht zur Nachzeichnung folgt allerdings noch nicht aus der Erprobungsfiktion des zu Beginn der Beurlaubung geltenden § 11 Satz 5 BLV in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.03.1990 bzw. aus der Verpflichtung zur fiktiven Fortschreibung von dienstlichen Beurteilungen des gegenwärtig geltenden § 33 Abs. 3 BLV in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.02.09 (BGBl. I S. 284). Letztere stellt die leicht modifizierte Nachfolgevorschrift der zuvor genannten dar. Diese Vorschriften haben zum Zweck, die Benachteiligung eines bestimmten Personenkreises zu vermeiden, dem aufgrund von Freistellung oder Beurlaubung reguläre laufbahnrechtliche Maßnahmen wie Beurteilungen oder Erprobungszeiten verwehrt bleiben. Sie beinhalten indes einen numerus clausus von Anwendungsfällen. Nur die Beurlaubung zwecks der Verwendung bei internationalen Einrichtungen und Parlamentsfraktionen bzw. im Fall der jüngeren Vorschrift auch die Inanspruchnahme von Elternzeit und die Freistellung wegen der Mitgliedschaft im Personalrat etc. werden erfasst. Die Beurlaubung den Zweck der Tätigkeit bei einem der zur Antragsgegnerin gehörenden Aktiengesellschaften gehört nicht hierzu.

Die Pflicht zur Nachzeichnung ergibt sich vielmehr aus der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG. Danach steht eine Beurlaubung einer Beförderung im Rahmen einer regelmäßigen Laufbahnentwicklung nicht entgegen. Die Vorschrift des § 4 PostPersRG regelt die Rechtsverhältnisse der Beamten der E. Q. AG, welche sich zum Zweck der Aufnahme einer Tätigkeit in einer der zur E. Q. AG gehörenden Aktiengesellschaften beurlauben lassen. Die Möglichkeit der Beurlaubung wurde im Zuge der Privatisierung der Bundespost zur Erhöhung der personellen Beweglichkeit geschaffen.
Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 12/6718, S. 93.

Um die Bereitschaft der Beamten zu wecken und/oder zu fördern, sich beurlauben zu lassen, sollten diese möglichst keine Nachteile erleiden. Für die laufbahnrechtliche Entwicklung sieht § 4 Abs. 3 Satz 4 PostPersRG daher das genannte Benachteiligungsverbot vor. Um dieser gesetzlichen Vorgabe wie auch der dahinter zum Tragen kommenden Verpflichtung zur Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG nachzukommen, muss der Dienstherr dem beurlaubten Beamten eine berufliche Entwicklung zuschreiben, wie sie ohne die Beurlaubung verlaufen wäre. Insbesondere im Falle fehlender Beurteilungen, die geeignet wären, einen Rückschluss auch auf die beamtenrechtliche Laufbahnentwicklung zuzulassen, muss der Dienstherr den beruflichen Werdegang unter Heranziehung vorhandener Erkenntnisquellen nachzeichnen. Selbst im Fall einer fehlenden beruflichen Tätigkeit, die Grundlage einer Bewertung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG sein könnte, ist durch den Dienstherrn die Prognose vorzunehmen, wie der Beamte sich laufbahnrechtlich entwickelt hätte. Zur Erstellung der Prognose hat der Dienstherr sämtliche Erkenntnisse über den Beamten heranzuziehen, die einen Aufschluss über seine fiktive Bewährung bzw. seine fiktive laufbahnrechtliche Entwicklung zulassen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.06 - 2 C 13.05 -, BVerwGE 126, 333 = Rn. 17 ff., sowie das Urteil des Senats vom 08.06.10 - 1 A 2859/07 - zur Nachzeichnungspflicht bei freigestellten Personalratsmitgliedern.

Von dieser Nachzeichnungspflicht ist der Dienstherr allenfalls dann befreit, wenn eine belastbare Prognose trotz Heranziehung allen verfügbaren Erkenntnismaterials nicht möglich ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.06, a.a.O., Rn. 20.

Dafür ist aber nichts ersichtlich. Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Antragsgegnerin während der über zehnjährigen Beurlaubungszeit in der Lage und damit verpflichtet war, den laufbahnrechtlichen Werdegang des Antragstellers auf der Grundlage vorhandenen Erkenntnismaterials nachzuzeichnen. Hierbei ist zunächst hervorzuheben, dass es sich nach der gesetzlichen Regelung (Fiktion) des § 4 Abs. 1 PostPersRG bei der beruflichen Tätigkeit der Beamten - und damit mangels abweichender Regelung auch derjenigen Beamten, die sich in der Insichbeurlaubung befinden - um Dienst im beamten­rechtlichen Sinne handelt. Das bedeutet, dass der beruflichen Tätigkeit jeweils ein Amt zugeordnet werden muss.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.06 - 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 = Rn. 19.

Nach § 5 Abs. 2 PostPersRG sollen zudem freie Arbeitsposten, auf die sich Beamte der Antragsgegnerin für eine Anstellung während der Insichbeurlaubung bewerben können, Besoldungsgruppen zugeordnet werden. Durch eine solche Zuordnung wäre es beispielsweise möglich, die Eignung eines Arbeitspostens für eine fiktive Bewährung auf einem höheren Dienstposten festzustellen.

Die Antragsgegnerin hat während der Zeit der Beurlaubung des Antragstellers keine Bemühungen unternommen, die tatsächlich von ihm erbrachten Leistungen zu bewerten und in eine beamtenlaufbahnrechtliche Bewertung zu "übertragen". Auch hat sie nicht den Versuch unternommen, die Leistungen des Antragstellers fiktiv nachzuzeichnen.

a)
Zunächst ist es als Verstoß gegen § 5 Abs. 2 PostPersRG zu werten, dass die Arbeitsposten, auf denen der Antragsteller während seiner Beurlaubung eingesetzt war, nicht bewertet waren. Letzteres hat die Antragsgegnerin zumindest für einige Tätigkeiten ... eingeräumt. Auch für die übrigen Tätigkeiten des Antragstellers ist eine Bewertung nach Besoldungsgruppen weder vorgetragen noch aufgrund der vorgelegten Verwaltungsvorgänge ersichtlich. Mangelt es an einer solchen Bewertung der Arbeitsposten, ist der Dienstherr jedenfalls verpflichtet, im Zuge einer Bewertung der Leistungen des Beamten den Arbeitsposten von seinem Aufgabenspektrum her zu gewichten, um eine Vergleichbarkeit mit den Dienstposten der beamtenrechtlichen Laufbahnen herzustellen. Ohne eine solche Gewichtung kann eine Einordnung der Leistungen des Beamten und damit eine Bewertung seiner möglichen Bewährung auf einem bestimmten Arbeitsposten nicht erfolgen.

Unterlässt es der Dienstherr aber, seiner Nachzeichnungspflicht nachzukommen und verhindert er dadurch, dass der Beamte überhaupt die Möglichkeit erhält, sich während der Beurlaubung auf einem fiktiven Dienstposten zu bewähren, so liegt allein schon deswegen ein Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Beförderungsauswahl, insbesondere den Leistungs- und Gleichheitsgrundsatz vor.
Vgl. Urteil des Senats vom 10.06.10 - 1 A 2859/07 -.

Im Falle des Antragstellers kommt hinzu, dass ausweislich der Beurteilung der Antragsgegnerin vom 10.10.06, welche anlässlich der Bewerbung des Antragstellers um eine Abordnungsstelle erstellt wurde, und ausweislich der durch den Antragsteller glaubhaft gemachten Beschreibung seiner Tätigkeiten während der gut zehnjährigen Beurlaubung alles dafür spricht, dass diese Tätigkeiten tatsächlich zumindest denjenigen Tätigkeiten entsprochen haben, die auf einem Dienstposten der Wertigkeit B 3 wahrzunehmen sind.

So wird in der genannten Beurteilung u. a. ausgeführt, dass der Antragsteller als leitender Angestellter bzw. Abteilungsleiter in verschiedenen Bereichen tätig gewesen sei. In diesem Zusammenhang habe er u. a. Geschäftsführertätigkeiten ausgeübt und über Einzelprokura in Höhe von 50 Mio. DM verfügt. Die abschließende Bewertung, dass der Antragsteller die ihm übertragenen Aufgaben stets zur vollen Zufriedenheit der Antragsgegnerin erfüllt habe, legt zudem die Bewährung auf den ausgefüllten Arbeitsposten nahe.

Freigestellte Personalratsmitglieder

Für freigestellte Personalratsmitglieder findet sich ein Benachteiligungsverbot in §§ 8, 46 Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. in den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften.
Die gesetzlichen Regelungen sind allerdings recht vage, so dass es Streit um die Einzelheiten gibt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich wiederholt mit entsprechenden Fragen befasst, u. a. in folgenden Entscheidungen:

Beschluss vom 14.12.18 - BVerwG 1 WB 32.18 -;
Beschluss vom 26.04.18 - BVerwG 1 WB 41.17 -;
Beschluss vom 03.08.17 - BVerwG 1 WB 28.16 -;
Beschluss vom 21.07.16 - BVerwG 1 WB 8.16 - (zum Referenzgruppenmodell der Bundeswehr);
Beschluss vom 30.06.14 - 2 B 11.14 -;

Interessant ferner:
VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 21.10.14 - 3 K 1230/12 - (betrifft die Zollverwaltung)
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