Recht der dienstlichen Beurteilung: Beurteilungszeitraum
Beurteilungszeitraum - Regelbeurteilung oder Anlassbeurteilung?
Die Frage nach dem Beurteilungszeitraum beantwortet sich unterschiedlich, je nachdem ob es sich um eine Regelbeurteilung oder um eine Anlassbeurteilung handelt.Eine Regelbeurteilung erhält ein Beamter in Abständen, die in Beurteilungsrichtlinien festgelegt sind und die bisweilen drei, meistens aber vier bis fünf Jahre umfassen. Dies ist der normale Beurteilungszeitraum, die übliche Beurteilungsperiode.
Grundsätzlich soll eine Regelbeurteilung nahtlos an die vorhergehende anknüpfen, wobei im Einzelfall geringfügige Lücken im Beurteilungszeitraum hinzunehmen sind, insbesondere wenn sie sich nicht auf die Bewertung ausgewirkt haben können.
Wird ein Beamter im Regelbeurteilungszeitraum befördert und wurde zuvor eine Anlassbeurteilung erteilt, so kann sich der Beurteilungszeitraum für die Regelbeurteilung unter Umständen auf die Zeit seit der Beförderung beschränken.
Der Beurteilungszeitraum einer Bedarfsbeurteilung (bisweilen auch Anlassbeurteilung oder Beurteilung aus besonderem Anlass genannt) hängt von dem Anlass ab, aus dem beurteilt werden soll.
Läuft die Probezeit ab und ist über die Ernennung zu entscheiden, so wird man die Probezeit als den maßgeblichen Beurteilungszeitraum ansehen.
Geht es um die Bewerbung für ein Beförderungsamt, so wird man den Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung bzw. seit der letzten Beförderung zugrunde legen. Vielleicht knüpft man aber auch an die letzte Anlassbeurteilung oder an einen anderen Umstand an. In der Praxis gibt es viele - oft durch Beurteilungsrichtlinien vorgegebene - Varianten. Über die Rechtmäßigkeit muss man dann im Einzelfall befinden.
Anmerkung: Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zu Fragen des Verhältnisses von Regel- und Anlassbeurteilung noch einmal ganz ausführlich geäußert in zwei Urteilen vom 09.05.19 - BVerwG 2 C 1.18 - und - BVerwG 2 C 2.18. Dort wird vieles in bisher nicht da gewesener Präzision erläutert. Die Entscheidungen muss man kennen.
Festlegung des Beurteilungszeitraums durch Beurteilungsrichtlinien
In den Beurteilungsrichtlinien der Hansestadt Hamburg ist folgende Regelung enthalten:
3.6 Beurteilungszeitraum
(1) Beurteilungszeitraum ist vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 und 3 der Zeitraum seit der letzten Beurteilung.
(2) Nicht zum Beurteilungszeitraum gehören Zeiten, in denen die Leistungen der bzw. des Beschäftigten - z.B. wegen einer Freistellung oder Beurlaubung - nicht von der Erstbeurteilerin bzw. dem Erstbeurteiler oder von an der Beurteilung mitwirkenden Personen gemäß Nr. 3.7 beobachtet werden konnten. In der Beurteilung soll auf diese beurteilungsrelevanten Besonderheiten hingewiesen werden.
(3) Abweichend von Absatz 1 kann der Beurteilungszeitraum einer Anlassbeurteilung, die aus Anlass der Beendigung einer Abordnung erstellt wird, auf die Zeit der Abordnung begrenzt werden. Sofern Zeiten vor Beginn der Abordnung auf diese Weise beurteilungsfrei bleiben, werden sie nach Möglichkeit in die nächste nach Beendigung der Abordnung fällige Beurteilung einbezogen.
(1) Beurteilungszeitraum ist vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 und 3 der Zeitraum seit der letzten Beurteilung.
(2) Nicht zum Beurteilungszeitraum gehören Zeiten, in denen die Leistungen der bzw. des Beschäftigten - z.B. wegen einer Freistellung oder Beurlaubung - nicht von der Erstbeurteilerin bzw. dem Erstbeurteiler oder von an der Beurteilung mitwirkenden Personen gemäß Nr. 3.7 beobachtet werden konnten. In der Beurteilung soll auf diese beurteilungsrelevanten Besonderheiten hingewiesen werden.
(3) Abweichend von Absatz 1 kann der Beurteilungszeitraum einer Anlassbeurteilung, die aus Anlass der Beendigung einer Abordnung erstellt wird, auf die Zeit der Abordnung begrenzt werden. Sofern Zeiten vor Beginn der Abordnung auf diese Weise beurteilungsfrei bleiben, werden sie nach Möglichkeit in die nächste nach Beendigung der Abordnung fällige Beurteilung einbezogen.
Das OVG NRW hat entschieden, dass Zeiten einer Wiedereingliederung nicht berücksichtigt werden dürfen:
OVG NRW, Beschluss vom 27.08.15 - 6 B 649/15 -
Auch wenn die Antragstellerin während des Zeitraums der Wiedereingliederung (19. August bis 12.09.14) zu dem im Wiedereingliederungsplan ausgewiesenen Zeiten ihren Dienstgeschäften nachgegangen ist, durften die während dieser Zeit erbrachten Leistungen keiner Beurteilung unterzogen werden. Würde der Beamte für diese Zeit beurteilt, stünde dies in Widerspruch zu dem mit der Wiedereingliederung verfolgten Zweck einer schrittweisen Heranführung des Beamten an den früheren Umfang seiner dienstlichen Tätigkeit mit dem Ziel der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit. Während der Phase der Wiedereingliederung, in der der Beamte seine früheren dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig in einem vom behandelnden Arzt empfohlenen Umfang zeitlich gestuft wiederaufnimmt, können nicht die üblichen Anforderungen an die Dienstausübung gestellt werden, auch nicht unter Berücksichtigung einer krankheitsbedingten Absenkung dieser Anforderungen. Der Beamte stünde anderenfalls unter einem Leistungsdruck, der mit dem Charakter der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht in Einklang zu bringen und ihrem Erfolg abträglich wäre. Dies gälte ganz besonders, wenn er damit rechnen müsste, dass seine Beschäftigung in der Phase der Wiedereingliederung zum Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung gemacht werden könnte.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.05.14 – 1 A 1946/12 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.12 - 10 K 3029/12 -;
dem folgend Bundesministerium des Innern, Merkblatt "Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell für Beamtinnen und Beamte des Bundes", Stand: 14.03.14, Gliederungspunkt IV, "Beurteilungen".
Auch wenn die Antragstellerin während des Zeitraums der Wiedereingliederung (19. August bis 12.09.14) zu dem im Wiedereingliederungsplan ausgewiesenen Zeiten ihren Dienstgeschäften nachgegangen ist, durften die während dieser Zeit erbrachten Leistungen keiner Beurteilung unterzogen werden. Würde der Beamte für diese Zeit beurteilt, stünde dies in Widerspruch zu dem mit der Wiedereingliederung verfolgten Zweck einer schrittweisen Heranführung des Beamten an den früheren Umfang seiner dienstlichen Tätigkeit mit dem Ziel der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit. Während der Phase der Wiedereingliederung, in der der Beamte seine früheren dienstlichen Tätigkeiten regelmäßig in einem vom behandelnden Arzt empfohlenen Umfang zeitlich gestuft wiederaufnimmt, können nicht die üblichen Anforderungen an die Dienstausübung gestellt werden, auch nicht unter Berücksichtigung einer krankheitsbedingten Absenkung dieser Anforderungen. Der Beamte stünde anderenfalls unter einem Leistungsdruck, der mit dem Charakter der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht in Einklang zu bringen und ihrem Erfolg abträglich wäre. Dies gälte ganz besonders, wenn er damit rechnen müsste, dass seine Beschäftigung in der Phase der Wiedereingliederung zum Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung gemacht werden könnte.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.05.14 – 1 A 1946/12 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.12 - 10 K 3029/12 -;
dem folgend Bundesministerium des Innern, Merkblatt "Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell für Beamtinnen und Beamte des Bundes", Stand: 14.03.14, Gliederungspunkt IV, "Beurteilungen".
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 11.06.2015 - 2 B 64.14 - wie folgt entschieden:
"Arbeitet ein bei der Deutschen Post AG beschäftigter Beamter, der wegen einer Erkrankung vorübergehend dienstunfähig ist, im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme entsprechend § 74 SGB V stundenweise, so leistet er keinen aktiven Dienst im Sinne von § 12 Satz 1 PostLEntgV."
Salopp: Während einer BEM ist der Beamte / Arbeitnehmer noch krank.
Ganz kurze Beurteilungszeiträume?
Die Polizei Hamburg forderte in ihren Beurteilungsrichtlinien einen Beurteilungszeitraum von mindestens sechs Monaten. Erscheint Ihnen das recht kurz für eine verlässliche dienstliche Beurteilung?Dann liegen Sie richtig, denn das hamburgische Oberverwaltungsgericht meint ebenfalls, dass mindestens ein Zeitraum von einem Jahr betrachtet werden muss.
Es mussten Auswahlentscheidungen revidiert werden, weil für einzelne Bewerber nur für einen zu kurzen Beurteilungszeitraum Beurteilungen vorlagen.
Sie sehen an diesen Erwägungen, dass in vielen beamtenrechtlichen Fällen der Streit um Beurteilungen mit dem Wettbewerb um eine Beförderungschance verknüpft ist.
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht führt in einer Entscheidung
vom 28.05.09 - 1 Bs 70/09 - unter anderem aus:
"Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, dass der Beurteilungszeitraum vom 23.05.08 bis 10.09.08 hinreichend sei, weil dem Erstbeurteiler die Leistungen der Antragstellerin schon seit mehreren Monaten bekannt gewesen seien und darüber hinaus ihm auch die Beurteilungen des vorherigen Erstbeurteilers und die Erfahrungen mit den Leistungen der Antragstellerin aus acht Monaten davor zur Verfügung gestanden hätten. Die von der Antragstellerin angefochtene und für die Beförderung maßgebliche Beurteilung weist unzweifelhaft als Beurteilungszeitraum nur den Zeitraum vom 23.05.08 bis 10.09.08 aus. Sie enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Beurteiler auch frühere Beurteilungszeiten mit in die Beurteilung einbezogen haben. Ohne einen solchen Anhalt ist davon auszugehen, dass die Beurteiler nur den ausdrücklichen, in der Beurteilung genannten Beurteilungszeitraum in den Blick genommen haben (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.08, 1 Bs 186/08).
Ohne einen hinreichend langen Beurteilungszeitraum, der bei Bedarfsbeurteilungen, die Beförderungen zu Grunde gelegt werden sollen, mindestens ein Jahr umfassen muss (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 30.05.08, 1 Bs 62/08), fehlt es an der erforderlichen einheitlichen Grundlage für eine chancengleiche Auswahl der Beförderungsbewerber.
Um die Chancengleichheit zwischen den Beförderungsbewerbern zu wahren, muss die Antragsgegnerin darüber hinaus sicherstellen, dass die Beurteilungsmaßstäbe, die durch die Beurteilerkonferenzen jeweils vereinheitlicht werden, für alle Beurteilungen, die einer Beförderungsauswahl zu Grunde liegen, einheitlich angewandt worden sind. Ist dies etwa wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der Beurteilungen und der zu diesen Zeitpunkten durch eine Beurteilerkonferenz modifizierten Beurteilungsmaßstäbe nicht möglich, ist es zur Wahrung der Chancengleichheit geboten, dass die Antragsgegnerin die derart auf unterschiedlichen Maßstäben beruhenden Leistungsbeurteilungen auf einen einheitlichen, die Chancengleichheit wahrenden gemeinsamen Maßstab zusammenführt. Daher können frühere Beurteilungen allenfalls dann uneingeschränkt und ohne Modifikation in die Auswahlentscheidung einfließen, wenn bei ihrer Erstellung der gleiche Maßstab, wie bei den anderen Beurteilungen zu Grunde gelegt, angewandt wurde."
"Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, dass der Beurteilungszeitraum vom 23.05.08 bis 10.09.08 hinreichend sei, weil dem Erstbeurteiler die Leistungen der Antragstellerin schon seit mehreren Monaten bekannt gewesen seien und darüber hinaus ihm auch die Beurteilungen des vorherigen Erstbeurteilers und die Erfahrungen mit den Leistungen der Antragstellerin aus acht Monaten davor zur Verfügung gestanden hätten. Die von der Antragstellerin angefochtene und für die Beförderung maßgebliche Beurteilung weist unzweifelhaft als Beurteilungszeitraum nur den Zeitraum vom 23.05.08 bis 10.09.08 aus. Sie enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Beurteiler auch frühere Beurteilungszeiten mit in die Beurteilung einbezogen haben. Ohne einen solchen Anhalt ist davon auszugehen, dass die Beurteiler nur den ausdrücklichen, in der Beurteilung genannten Beurteilungszeitraum in den Blick genommen haben (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.08, 1 Bs 186/08).
Ohne einen hinreichend langen Beurteilungszeitraum, der bei Bedarfsbeurteilungen, die Beförderungen zu Grunde gelegt werden sollen, mindestens ein Jahr umfassen muss (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 30.05.08, 1 Bs 62/08), fehlt es an der erforderlichen einheitlichen Grundlage für eine chancengleiche Auswahl der Beförderungsbewerber.
Um die Chancengleichheit zwischen den Beförderungsbewerbern zu wahren, muss die Antragsgegnerin darüber hinaus sicherstellen, dass die Beurteilungsmaßstäbe, die durch die Beurteilerkonferenzen jeweils vereinheitlicht werden, für alle Beurteilungen, die einer Beförderungsauswahl zu Grunde liegen, einheitlich angewandt worden sind. Ist dies etwa wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der Beurteilungen und der zu diesen Zeitpunkten durch eine Beurteilerkonferenz modifizierten Beurteilungsmaßstäbe nicht möglich, ist es zur Wahrung der Chancengleichheit geboten, dass die Antragsgegnerin die derart auf unterschiedlichen Maßstäben beruhenden Leistungsbeurteilungen auf einen einheitlichen, die Chancengleichheit wahrenden gemeinsamen Maßstab zusammenführt. Daher können frühere Beurteilungen allenfalls dann uneingeschränkt und ohne Modifikation in die Auswahlentscheidung einfließen, wenn bei ihrer Erstellung der gleiche Maßstab, wie bei den anderen Beurteilungen zu Grunde gelegt, angewandt wurde."
In einem Beschluss vom 19.02.16 - 5 Bs 212/15, juris - hat das Hamburgische Verwaltungsgericht ganz knackig noch einmal ausgeführt:
"Das Beschwerdegericht [also das Hamburgische Oberverwaltungsgericht] verlangt für die hinreichende Aussagekraft einer dienstlichen Beurteilung in ständiger Rechtsprechung einen Beurteilungszeitraum von mindestens einem Jahr (OVG Hamburg, Beschl. v. 28.5.2009, 1 Bs 70/09, n.v.; v. 15.7.2008, 1 Bs 81/08, n.v.; v. 30.5.2008, 1 Bs 62/08, n.v.)."
Vergewissern Sie sich, dass in der Beurteilung ein Beurteilungszeitraum angegeben ist.
Er sollte an die letzte Ihnen erteilte Beurteilung nahtlos anknüpfen, in sich keine Lücken haben und mindestens sechs bis zwölf Monate umfassen.
Wir haben in Hamburg ganz erstaunliche Ignoranz erlebt, so weit die Benennung eines Beurteilungszeitraums in Rede stand.
Auch andernorts, zum Beispiel beim BGH, scheitert man an diesem eigentlich doch recht simplen Erfordernis (vergleichen Sie OVG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.15 - 4 S 1405/15 -).
Er sollte an die letzte Ihnen erteilte Beurteilung nahtlos anknüpfen, in sich keine Lücken haben und mindestens sechs bis zwölf Monate umfassen.
Wir haben in Hamburg ganz erstaunliche Ignoranz erlebt, so weit die Benennung eines Beurteilungszeitraums in Rede stand.
Auch andernorts, zum Beispiel beim BGH, scheitert man an diesem eigentlich doch recht simplen Erfordernis (vergleichen Sie OVG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.15 - 4 S 1405/15 -).