Beamtenrechtliche Eignungskriterien bei Schwerbehinderung
Zu der Frage, ob und in wie weit bei einer anerkannten Schwerbehinderung die Anforderungen zu senken sind, die sonst an die Eignung von Beamten gestellt werden, gibt es verschiedene Auffassungen und unterschiedliche Regelungen.
Wir befassen uns hier nicht so sehr mit besonderen Verfahrens- und Beteiligungsrechten, sondern mit der Anpassung der inhaltlichen Anforderungen - insbesondere natürlich an die Gesundheit - an die anerkannte Schwerbehinderung.
Dabei wollen wir einmal unterstellen, dass gleichgestellte Personen ebenso behandelt werden wie Schwerbehinderte.
Auch dazu mag es allerdings unterschiedliche Auffassungen geben.
Sie sollten zunächst versuchen, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, ob der jeweilige Dienstherr die Berücksichtigung Schwerbehinderter besonders geregelt hat.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Arbeitgeber in § 166 SGB IX verpflichtet werden, mit den Schwerbehindertenvertretungen sog. Inklusionsvereinbarungen zu treffen. Einer solchen Inklusionsvereinbarung bedarf es nach § 165 SGB IX nicht, "wenn für die Dienststellen ... entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden."
Die Dienstherren haben deshalb in vielen Fällen bereits vor längerer Zeit Teilhaberichtlinien oder Teilhabeerlasse in Kraft gesetzt. Früher wurden sie häufig "Fürsorgeerlasse" genannt, jetzt bisweilen Integrationsrichtlinien oder ähnlich.
In der Regel handelt es sich ihrer Qualität nach um inerne Verwaltungsvorschriften, was für Juristen insbesondere bedeutet, dass sie nicht Gesetzeskraft haben.
Hier einige Beispiele. Prüfen Sie bitte, ob es inzwischen aktuellere Fassungen der Vorschriften gibt. Und beachten Sie bei der Lektüre ggf., dass Bezugnahmen auf das SGB IX in den älteren Vorschriften vielleicht nicht mehr passen, weil das SGB IX in 2018 neu gefasst wurde.
Baden-Württemberg
Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung beamtenrechtlicher Vorschriften (BeamtVwV)
vom 19.04.16 – Az.: 1-0310.3/57 –
"3.5 Von schwerbehinderten Menschen darf nur das Mindestmaß gesundheitlicher Eignung für die betreffende Stelle verlangt werden. Die gesundheitliche Eignung kann im Allgemeinen auch dann noch als ausreichend angesehen werden, wenn der schwerbehinderte Mensch nur für die Wahrnehmung bestimmter Dienstposten der betreffenden Laufbahn geistig und körperlich geeignet ist.
Schwerbehinderte Menschen dürfen auch dann in ein Beamtenverhältnis berufen werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Es muss aber bei der Einstellung und bei der Ernennung auf Lebenszeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der schwerbehinderte Mensch mindestens fünf Jahre dienstfähig bleibt. Dies muss im ärztlichen Gutachten zum Ausdruck kommen."
Brandenburg
Im Internet (https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/schwbrl) finden Sie für das Land Brandenburg die "Richtlinien für die Einstellung, Beschäftigung und begleitende Hilfe schwerbehinderter und diesen gleichgestellter behinderter Menschen in der Landesverwaltung des Landes Brandenburg (Schwerbehindertenrichtlinien - SchwbRL) - Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des Innern vom 06.04.05".
Hamburg
In Hamburg finden Sie, wie an anderer Stelle schon erwähnt, in den Mitteilungen für die Verwaltung 2014, S. 52 ff., den Text eines Rundschreibens, welches sich an Personalabteilungen und an den PÄD richtete.Es trägt folgende Bezeichnung seines wesentlichen Inhalts: "Änderung des Prognosemaßstabs für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung für die Verbeamtung" und enthält auf S. 55 folgenden Passus:
"Für schwerbehinderte Menschen und ihnen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen sind die Einstellungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 5. S. 3 HmbLVO dahingehend modifiziert, dass von ihnen nur das Mindestmaß körperlicher Eignung fir die Wahrnehmung der Laufbahnaufgaben verlangt werden kann. Konkretisiert werden diese Anforderungen in Ziff. 2.7 des Teilhabeerlasses, der Prognosezeitraum ist danach auf fünf Jahre (nach Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) verkürzt.
Auf behinderte Bewerberinnen und Bewerber, die nicht schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichgestellt sind, ist dagegen der allgemeine Prognosemaßstab und Prognosezeitraum anzuwenden. ..."
Nordrhein-Westfalen
In NRW finden Sie die "Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen RdErl. d. Innenministeriums v. 14.11.03 - 25 – 5.35.00 – 5/03", geändert u.a. am 09.12.09 (MBl. NRW. 2009 S. 598).
In dieser Richtlinie ist u.a. ausgeführt:
"4.4.1 Im Hinblick auf § 128 SGB IX ist das erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung bereits dann als gegeben anzusehen, wenn schwerbehinderte Menschen nur bestimmte Dienstposten ihrer Laufbahn wahrnehmen können. Dabei sind Möglichkeiten der behinderungsgerechten und barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung (z. B. mit technischen Arbeitshilfen) nach dem SGB IX auszuschöpfen.
4.4.2 Schwerbehinderte Menschen können auch dann in das Beamtenverhältnis eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Die Bewerber sind jedoch auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG in der am 31.08.06 geltenden Fassung sowie die mit einem Ausscheiden vor Ablauf einer fünfjährigen Dienstzeit verbundenen Folgen hinzuweisen. Diese Regelungen gelten auch für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit."
Dies zeigt bereits, dass die Anforderungen an die Eignung weniger streng sind, wenn eine Schwerbehinderung gegeben ist. Dabei gilt dann zum Beispiel in NRW für den geschützten Personenkreis das Folgende:
"2 Geschützter Personenkreis
2.1 Schwerbehinderte Menschen im Sinne dieser Richtlinie sind die schwerbehinderten und die ihnen gleichgestellten Menschen nach den Vorschriften des SGBIX. Für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 30, die nicht Gleichgestellte i. S. d. § 68 SGB IX sind, soll im Einzelfall geprüft werden, ob besondere, der Behinderung angemessene Fürsorgemaßnahmen i. S. dieser Richtlinie in Betracht kommen."
Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein finden Sie in den Schwerbehindertenrichtlinien folgendes:
3.1.9
Für die Einstellung schwerbehinderter Menschen in das Beamtenverhältnis darf nach § 13 Abs. 1 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten in Schleswig- Holstein (Allgemeine Laufbahnverordnung - ALVO) und vergleichbaren Vorschriften von schwerbehinderten Menschen nur das für die vorgesehene Verwendung erforderliche Mindestmaß an Eignung verlangt werden. Einer Einstellung steht nicht entgegen, dass aufgrund der Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit nicht auszuschließen ist, sofern aufgrund eines ärztlichen Gutachtens nach § 10 Abs. 2 i.V.m. § 44 Landesbeamtengesetz (LBG) festgestellt worden ist, dass voraussichtlich eine Dienstfähigkeit von mindestens fünf Jahren nach Abschluss der Ausbildung erwartet werden kann. Entsprechendes gilt auch für die Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten auf Lebenszeit.
Rechtsprechung
Zu der Frage, ob und in wie weit bei einer anerkannten Schwerbehinderung die Anforderungen zu senken sind, die sonst an die gesundheitliche Eignung von Beamten gestellt werden, gibt es in der Rechtsprechung verschiedene Auffassungen.Wir stellen Ihnen dazu Entscheidungen vor von denen das Urteil des VGH Baden-Württemberg wegen seiner Aktualität sicher das bedeutsamste sein dürfte. Interessant aber auch das Urteil des selben Gerichts aus dem Juni 2019. Denn auf jenes Urteil bzw. die darin enthaltenen Erwägungen beruht der aktuelle Beschluss ganz wesentlich.
Damit ist aber noch nicht alles gesagt, denn es gab in diesem Bereich eine Entwicklung, die zu einer weiteren Äußerung des Bundesverwaltungsgerichts führte: