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Zurruhesetzungsverfahren / Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung

Falls Sie ein schwerbehinderter Beamter oder eine schwerbehinderte Beamtin sind und eine Dienstunfähigkeit eintritt, dann gelten grundsätzlich die auch sonst üblichen Regelungen. Die Anerkennung als Schwerbehinderte(r) schützt Sie nicht vor einer Versetzung in den Ruhestand durch sog. Zwangspensionierung.
Auch in diesem Zusammenhang gibt es aber gewisse Verfahrens- oder Beteiligungsrechte, die dem Schutz der Schwer­behinderten dienen. In § 178 SGB IX sind die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung dargestellt. In Verfahren der Zurruhesetzung hat Absatz 2 des § 178 SGB IX besondere Bedeutung:

§ 178 SGB IX (Auszug)

(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. ...



Die Rechtsprechung streitet sich über die Rechtsfolgen einer nicht gesetzeskonformen Beteiligung der Schwerbehinderten­vertretung. Beachten Sie bei dem nachfolgenden Beschluss den Hinweis des Gerichts im ersten Satz, dass das Bundesverwaltungs­gericht und das OVG Saarland anderer Auffassung seien.
Und nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das Bundesverwaltungsgericht am 13.11.19 in der Revisionssache verhandelt, die sich auf die hier dargestellte Entscheidung bezieht (BVerwG 2 C 24.18). Dann wird sich zeigen, ob das Bundesverwaltungs­gericht eine andere Auffassung vertritt, als sie hier zum Ausdruck kommt:

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 04.09.18 - 4 S 142/18 -

Leitsatz

Im Zurruhesetzungsverfahren führt die Verletzung des Beteiligungsrechts der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX zur formellen Rechtswidrigkeit der Verfügung (a.A. BVerwG, Beschluss vom 20.12.10 - 2 B 39.10 - und OVG Saarland, Beschluss vom 01.07.15 - 1 B 54/15 -), unabhängig davon, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt.

Dieser Verfahrensverstoß begründet gemäß § 46 LVwVfG, der auf das Zurruhesetzungsverfahren Anwendung findet (BVerwG, Beschluss vom 20.08.14 - 2 B 78.13 -, Rn. 7 m.w.N.), keinen Aufhebungsanspruch, wenn die Versetzung in den Ruhestand auf der Grundlage hinreichender (amts-)ärztlicher Gutachten erfolgt ist und damit in der Sache keine andere Entscheidung ergehen konnte.

Liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Dienstunfähigkeit gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 LBG nicht vor und erfolgt die Zurruhesetzung des Beamten ohne (amts-)ärztliches Gutachten oder auf der Grundlage eines völlig unzureichenden (amts-)ärztlichen Gutachtens, ist es nicht Aufgabe des Tatsachengerichts, "ins Blaue hinein" Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsentscheidung gleichsam zufällig tatsächlich Dienst- und Verwendungsunfähigkeit vorgelegen haben (Fortführung Senatsbeschluss vom 05.07.17 - 4 S 26/17 -; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 30.05.13 - 2 C 68.11 - und vom 26.01.12 - 7 C 7.11 -).

Der VGH Baden-Württemberg geht gewissermaßen seinen eigenen Weg, so weit es um Fragen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand auf Betreiben des Dienstherrn geht, über die wir oft in Erstberatungen mit Betroffenen reden.
Im Hinblick auf die Änderung des SGB IX zu Beginn des Jahres 2018 führt das Gericht aus:
"Zu ergänzen ist, dass gemäß § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.16 (seit dem 01.01.2018 § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) nun - auch - nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich an den arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen orientiert, - ab dem 31.12.2016 - eine Verletzung des Beteiligungsrechts nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (jetzt: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) jedenfalls die formelle Rechtswidrigkeit einer beamtenrechtlichen Entlassung zur Folge haben dürfte."
Das betont auf den ersten Blick die Bedeutung der Beteiligung der Scherbehindertenvertretung.
Aber dann greift das Gericht auf das Landesverwaltungsverfahrensgesetz zurück und "heilt" diesen Fehler in langen Ausführungen, die Sie im Internet finden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtprechung zu dem eindeutigen Kurs findet, die Verfügungen der Dienstherren aufzuheben, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde. Bisher scheuen sie davor noch zurück.
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