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Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag des Beamten? Fall eines Professors.


Der nachfolgende Beschluss betrifft die ein wenig speziellen Verhältnisse im Hochschulbereich.
Er befasst sich jedoch auch mit dem wichtigen Begriff des dienstlichen Interesses.
Am Ende des Beschlusses wird die bedauerliche Tatsache erwähnt, dass im Grunde niemand unersetzlich ist, sei er auch noch so leistungsstark und anerkannt.

Auch diese Fälle aus dem Hochschulbereich regeln sich nach dem jeweiligen (Landes-) Beamtengesetz, so dass der Begriff des dienstlichen Interesses in den Vordergrund rückt.
Im Hochschulbereich könnte dieser unbestimmte Rechtsbegriff aber möglicherweise facettenreicher sein als in der sonstigen Bürokratie, wie auch die Hochschulgesetze erkennen lassen.
Spannt man den Bogen weiter, dann kommen auch die Interessen des akademischen Nachwuchses ins Blickfeld, derr sein Leben darauf ausrichtet, eine Professur zu erringen und sich dafür auf einem steiigen und unsicheren Weg begeben muss.

VG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.15 - 9 L 930/15.F -

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.651,63 € festgesetzt.

Gründe
1
Das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Eintritt des Antragstellers in den Ruhestand um ein Jahr hinauszuschieben, ist nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, da ein dahin gehender Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO). Es steht nicht der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit fest, dass dem Antragsteller im Rahmen einer Verpflichtungsklage ein diesbezüglicher Anspruch zuzuerkennen wäre.
2
Nach § 34 Abs. 1 S. 1 HBG kann der Eintritt in den Ruhestand auf Antrag des Beamten über die Altersgrenze hinaus um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, hinausgeschoben werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt. Das dienstliche Interesse ist Tatbestandsvoraussetzung, ohne dessen Erfüllung der Eintritt in den Ruhestand nicht hinausgeschoben werden darf.
3
Der Begriff des dienstlichen Interesses stellt zwar im Ansatz einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Seine Konkretisierung wird jedoch maßgeblich durch die vom Dienstherrn nach freiem organisationsrechtlichem Ermessen zu bestimmenden Ziele und Umstände konkretisiert. Der Dienstherr bestimmt innerhalb der gesetzlichen Vorgaben, hier diejenigen der für eine Kunsthochschule geltenden Regelungen des Hochschulrechts, welche Aufgaben mit welcher Gewichtung und welchem Personaleinsatz künftig wahrgenommen werden sollen.
Diese Konkretisierung unterliegt keiner eingehenden gerichtlichen Überprüfung oder Korrekturmöglichkeit. Vielmehr haben die Verwaltungsgerichte diesbezügliche verwaltungspolitische Erwägungen grundsätzlich zu akzeptieren, da es schon im Hinblick auf die Gewaltenteilung keine gerichtliche Aufgabe darstellt, den Betrieb einer Dienststelle zu gestalten und insoweit externe Vorgaben zu machen.
4
Die Fassung des Tatbestandes in § 34 Abs. 1 S. 1 HBG macht deutlich, dass die Annahme eines dienstlichen Interesses im Sinne dieser Regelung eher die Ausnahme denn den Regelfall darstellt.
Für diesen gilt nämlich die Regelung in § 33 HBG zum Übertritt in den Ruhestand kraft Gesetzes nach Erreich der dort bestimmten Altersgrenze. Wenn also ein dienstliches Interesse im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 HBG als Voraussetzung für die im Ermessen stehende Entscheidung zum Hinausschieben des Ruhestandseintritts bestehen soll, müssen sich die diesbezüglichen Anforderungen aus besonderen dienstlichen Belangen ergeben, um einer vom Regelfall abweichenden Situation Rechnung zu tragen. Die insoweit maßgeblichen dienstlichen Interessen können sich nur aus der Aufgabenstellung ergeben, die im Rahmen einer Fortdauer des sonst endenden Beamtenverhältnisses zu erledigen wäre.
5
Dafür kommt hier nach Lage der Dinge nur in Betracht, dass der Lehr- und Unterrichtsbetrieb im Fachgebiet des Antragstellers, d. h. dem Klavierunterricht der an der Hochschule immatrikulierten und nicht beurlaubten Studierenden, ohne den Aufschub des Ruhestandseintritts nicht hinreichend gewährleistet wäre. Einen entsprechenden Sachverhalt hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Zwar betrifft dies weitgehend Umstände, die in der Sphäre des Antragsgegners liegen. Gleichwohl berechtigt dies im Hinblick auf die spezielle Fassung des § 34 Abs. 1 S. 1 HBG nicht zu der Annahme, hinsichtlich der Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung die Darlegungslast und die materielle Beweislast dem Antragsgegner aufzuerlegen. Sie verbleibt beim jeweiligen Beamten, da nur bei einem tatsächlich bestehenden dienstlichen Interesse an der Fortdauer des Beamtenverhältnisses über den sich aus § 33 HBG ergebenden Zeitpunkt hinaus dem darauf zielenden Antrag eines Beamten entsprochen werden darf.
6
Der Antrag stellt lediglich wie das Zustimmungserfordernis sicher, dass eine Fortdauer des Beamtenverhältnisses gegen den Willen des Betroffenen nicht angeordnet werden darf. Die Einräumung des Antragsrechts ist nicht dahin zu verstehen, dass ein subjektives Recht auf eine Anordnung zum Hinausschieben des Ruhestandseintritts bestünde, in das vom Dienstherrn nur unter näher bestimmten weiteren Voraussetzungen eingegriffen werden dürfte. Das Antragsrecht hat letztlich über die Sicherung der individuellen Zustimmung des Betroffenen hinaus nur die Funktion, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen und den Dienstherrn zur – ermessensfehlerfreien – Bescheidung zu verpflichten, sollte im Einzelfall ein dienstliches Interesse bestehen. Insoweit unterscheidet sich die hessische Regelung von Regelungen in einigen anderen Landesbeamtengesetzen, deren Auslegung folglich für die hier zu beurteilende Rechtslage unerheblich ist. Der in § 34 Abs. 1 S. 1 HBG genannte hat daher nicht die gleiche Bedeutung wie im Rahmen von § 26 Abs. 1 S. 1 HBG, wo er alternativ zu den dienstlichen Gründen eine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung darstellt.
7
Der Antragsgegner hat unwidersprochen vorgetragen, dass er den Umfang der Studienzulassungen zum Fach Klavier, dem Lehrbereich des Antragstellers, nach eigenem Ermessen steuern kann und insoweit auch keinen Vorgaben durch den jüngst neu mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst abgeschlossenen und für mehrere Jahre geltenden Hochschulpakt unterliegt. Die Hochschule ist danach in der Lage, einem verminderten Umfang von verfügbaren Unterrichtsstunden für die im Fach Klavier eingeschriebenen Studierenden durch eine Verminderung der Neuaufnahme von Studierenden Rechnung zu tragen. Über Art und Umfang der Neuaufnahmen wird im Juni 2015 entschieden. Das diesbezügliche Ergebnis steht daher noch nicht fest und kann auch sonst nicht mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden.
8
Die Zahl der bisher im Fach Klavier eingeschriebenen Studierenden ist unter Berücksichtigung der mutmaßlich zum Ende des laufenden Semesters ausscheidenden Studierenden nicht so hoch, dass für die dann im Wintersemester noch Unterrichtsleistungen nachfragenden Studierenden kein ordnungsgemäßer Unterrichts- und Lehrbetrieb mehr sichergestellt wäre. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Hochschule nach dem glaubhaften Vortrag des Antragsgegners über hinreichende finanzielle Mittel verfügt, um den erforderlichen Bedarf, soweit er nicht durch die drei im Wintersemester 2015/2016 verbleibenden Professoren im Fach Klavier gedeckt wird, ggf. durch Lehraufträge oder Dienstleistungen von Angehörigen anderer Fachbereiche aufzustocken. Dem Antragsteller selbst ist ein entsprechender Lehrauftrag angeboten worden, um die bisher bei ihm Studierenden weiter zu unterrichten und bis zu deren Examen zu betreuen. Auch hinsichtlich dieses Personenkreises kann daher kein dienstliches Interesses im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 HBG geltend gemacht werden. Dem Betreuungsinteresse vorhandener Studierender kann im Sinne eines allmählichen Auslaufs der Unterrichtspflichten des Antragstellers in der vom Antragsgegner vorgeschlagenen Weise genügt werden.
9
Der besondere Ruf des Antragstellers, seine besonderen Leistungen und Unterrichtserfolge in der Vergangenheit sind nicht geeignet, ein dienstliches Interesse im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 HBG zu begründen. Es handelt sich insoweit um typische Umstände, die regelmäßig durch einen kraft Gesetzes erfolgenden Übertritt in den Ruhestand berührt werden. Im Falle eines Aufschubs des Ruhestandseintritts würden diese Belange ein Jahr später ebenso relevant sein wie in diesem Jahr.
10
Da die Hochschule insoweit geltend macht, sie wolle im Rahmen ihres Gobalbudgets über die Verteilung der durch den Ruhestand frei werdenden und bisher für Personalausgaben eingesetzten Mittel ggf. neue Schwerpunkte setzen und in diesem Zusammenhang unter Umständen von einer Nachbesetzung der bisher vom Antragsteller wahrgenommenen Professur absehen, hält sich dies innerhalb des gesetzlichen Rahmens zur Konkretisierung dienstlicher Interessen. Es kann nicht die Aufgabe des Gerichts sein, hier eigenständig Schwerpunkte zu setzen oder lediglich im Hinblick auf das individuelle Interesse des Antragstellers eine Zurückstellung der insoweit gegenläufigen dienstlichen Interessen anzuordnen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hochschule nach wie vor in nicht unerheblichem Umfang im Fach Klavier Studierende ausbilden wird. Die bloße Beschränkung diesbezüglicher Angebote stellt noch keinen Missbrauch des Organisationsermessens dar.
11
...
12
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 6 S. S. 1 Nr. 1, S. 4 GKG. Ein Abschlag für die Vorläufigkeit der Entscheidung ist nicht zu machen, da die begehrte Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen soll.
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Michael Bertling
Rechtsanwalt
Gabriele Münster
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