Startseite ⁄ Beamtenrecht ⁄ Pensionierung / Altersgrenze ⁄ Dienstzeitverlängerung ⁄ VG Frankfurt, 28.05.15 - 9 L 930/15.F -

Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag des Beamten? Fall eines Professors.


Der nachfolgende Beschluss betrifft die ein wenig speziellen Verhältnisse im Hochschulbereich.
Er befasst sich jedoch auch mit dem wichtigen Begriff des dienstlichen Interesses.

Auch diese Fälle aus dem Hochschulbereich regeln sich nach dem jeweiligen (Landes-) Beamtengesetz, so dass der Begriff des dienstlichen Interesses in den Vordergrund rückt.
Im Hochschulbereich könnte dieser unbestimmte Rechtsbegriff aber möglicherweise facettenreicher sein als in der sonstigen Bürokratie, wie auch die Hochschulgesetze erkennen lassen.
In dem hier gegebenen Fall wird ein Teil der möglichen Argumentation dargestellt, letztlich landet das Gericht aber bei dem Argument, dassbestimmte Lehrveranstaltungen ohne den Antragsteller nicht angeboten werden könnten.
Spannt man den Bogen weiter, dann kommen in diesen Fällen auch die Interessen des akademischen Nachwuchses ins Blickfeld, derr sein Leben darauf ausrichtet, eine Professur zu erringen und sich dafür auf einem steiigen und unsicheren Weg begeben muss.

Der Fall ist also lehrreich und er kann den Antragstellern Hoffnung geben, denn das Gericht gibt dem Antrag des Professors statt.

Das Gericht befasst sich umfassend mit der Frage, ob der Antrag auf Dienstzeitverlängerung rechtzeitig gestellt wurde. In der zweiten Instanz nahm die ganze Sache eine entscheidende Wende, weil sich herausstellte, dass dies tatsächlich nicht der Fall war (bzw. zumindest nicht glaubhaft gemacht werden konnte). So kam es doch noch zur Abweisung des Antrags.
Inormieren Sie sich also bitte darüber, ob das einschlägige Gesetz Regelungen darüber enthält, wann ein Antrag auf Dienstzeitverlängerung zu stellen ist.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 08.02.23 – 12 B 70/22 –

Tenor
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Eintritt
des Antragstellers in den Ruhestand bis zu einem Monat nach Zustellung einer Entscheidung
über seinen Widerspruch vom 18.11.2022 hinauszuschieben, längstens jedoch
bis zum 28.02.20XX.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45.896,70 € festgesetzt.

Gründe
1 Der Antrag des Antragstellers,
2 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seinen Eintritt
in den Ruhestand bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag
gemäß § 35 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 118 Abs. 3 LBG hinauszuschieben, längstens bis zum
28.02.2025,
3 hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
4 Der nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist
teilweise begründet.
5 Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung
in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift
sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauern- den Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt
zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat Tatsachen
glaubhaft zu machen, aus denen sich ergibt, dass ihm ein Anspruch, ein Recht oder
sonstiges schützenswertes Interesse zusteht (Anordnungsanspruch) und ferner, dass dieser
Anordnungsanspruch infolge einer Gefährdung durch vorläufige Maßnahmen gesichert
werden muss, somit eine Eilbedürftigkeit besteht (Anordnungsgrund); vgl. § 123
Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.

6 Der Antragsteller hat den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der
Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes
geboten, da nach dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand ein Hinausschieben
desselben in der Regel nicht mehr in Betracht kommt (OVG Hamburg, Beschluss vom
26.11.2011 – 1 Bs 104/11 –, juris Rn. 6; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21.12.2011 –
2 B 94.11 –, juris Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.2012 – 1 Bs 98/12 –, juris
Rn. 6).

7 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller kann beanspruchen, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei über seinen Antrag, den Eintritt seines Ruhestandes hinauszuschieben, entscheidet.
8 Gemäß § 118 Abs. 3 Satz 1 LBG kann der Eintritt in den Ruhestand abweichend von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG auf Antrag des Professors hinausgeschoben werden, wenn es im dienstlichen Interesse liegt. Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG kann die oberste Dienstbehörde den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinausschieben auf Antrag des Beamten, wenn dienstliche Interessen nicht entgegenstehen.
9 Der Antragsteller hat seinen Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes rechtzeitig gestellt.
Gemäß § 118 Abs. 3 Satz 2 LBG kann der Professor den Antrag nur bis spätestens 18 Monate vor Ablauf des letzten Monats des Semesters oder Trimesters, in welchem die Altersgrenze erreicht wird, stellen. Das laufende Semester des XX-jährigen Antragstellers endet am 28.02.2023. Der Antrag war deshalb vor dem 01.09.2021 zu stellen.
Nach Angaben des Antragstellers hat dieser einen mündlichen Antrag auf Verlängerung seiner Dienstzeit am 13.01.2021 beim damaligen Dekan des Fachbereichs Maschinenbau, Verfahrenstechnik und Maritime Technologien, Prof. XXXX, gestellt. Zur Glaubhaftmachung verweist er auf einen beigefügten Kalenderauszug aus dem Jahr 2021, in dem am 13.01.2021 um 15.00 Uhr ein Termin mit dem Titel „XXXX, Dienstzeitverlängerung“ eingetragen ist. Die außerdem eingereichte eidesstattliche Versicherung des Prof. Dr. XXXX, in welcher dieser versichert, dass der Antragsteller ihn im Oktober 2021 in seinem Büro aufgesucht und ihm dort geschildert habe, dass er bereits Anfang des Jahres einen Antrag auf Verlängerung seiner Dienstzeit gestellt habe, reicht für sich genommen nicht für eine Glaubhaftmachung der Fristeinhaltung aus. Die Kenntnis des Prof. Dr. XXXX bezieht sich lediglich auf ein Gespräch im Oktober 2021 und nicht auf die Antragstellung beim Dekan selbst. Der E-Mail-Verkehr zwischen dem Antragsteller und dem damaligen Dekan spricht jedoch dafür, dass der Antragsteller zumindest vor seinem schriftlichen Antrag im Juli 2022 einen weiteren Antrag gestellt hatte. In der E-Mail vom 01.06.2022 an den Dekan bittet der Antragsteller um Mitteilung der Gründe, warum der Dekan „damals“ seinen Antrag abgelehnt hat. Auf diese E-Mail antwortete der Dekan am 08.06.2022 mit einer Angabe von Gründen. Er stellt die Antragstellung des Antragstellers nicht in Frage, sondern geht vielmehr ebenfalls davon aus, dass der Antragsteller „damals“ einen Antrag gestellt hat. Ferner ergibt sich aus der Begründung des Präsidenten vom 13.10.2022 ebenfalls, dass dieser davon ausgeht, dass der Antragsteller einen Antrag zunächst mündlich beim Dekan gestellt hat, „vermutlich in 2020“. In Kombination dieser Indizien genügt der Vortrag des Antragstellers den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung im Rahmen eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens nach § 123 VwGO gerade noch. Ergänzend ist noch auszuführen, dass die Antragsgegnerin die Nichteinhaltung der Frist erstmals im gerichtlichen Verfahren geltend macht. Sie hat den Antrag des Antragstellers durch Bescheid vom 19.10.2022 beschieden und hierbei die rechtzeitige Antragstellung nicht in Frage gestellt. Daher ist davon auszugehen, dass sie ihrer Entscheidung ebenfalls eine rechtzeitige Antragstellung zugrunde gelegt hat.
10 Die Antragsgegnerin war zuständig für die Bescheidung des Antrages. Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 LBG ist der Antrag grundsätzlich gegenüber der obersten Dienstbehörde zu erklären. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung „Die oberste Dienstbehörde kann […] auf Antrag des Beamten […]“. Die oberste Dienstbehörde ist gemäß § 3 Abs. 1
LBG die oberste Behörde des Dienstherrn, in deren Dienstbereich der Beamte ein Amt
bekleidet. Dies wäre bezogen auf den Antragsteller als Professor das Ministerium für Allgemeine
und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-
Holstein. Gemäß § 35 Abs. 4 Satz 2 LBG kann das zuständige Ministerium seine Befugnis
auf die Hochschulen übertragen. Ausweislich des von der Antragsgegnerin vorgelegten
Erlasses hat das oben genannte Ministerium die Befugnis mit Schreiben vom 19.04.21 auf die Hochschulen übertragen. Da der Antragsteller seinen eigenen Angaben nach den Antrag jedoch bereits am 13.01.21 gestellt hat, war zu diesem Zeitpunkt
noch die oberste Dienstbehörde zuständig. Dass der für die Entscheidung unzuständige Dekan den Antrag des Antragstellers offenbar mündlich abgelehnt hat, kann nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Der Dekan hätte den Antrag gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 HSG an das Präsidium weiterleiten müssen, welches den Antrag dann an das Ministerium übersandt hätte. Da die Antragsgegnerin eine förmliche Entscheidung allerdings
erst mit Bescheid vom 19.10.2022 getroffen hat, war sie zu diesem Zeitpunkt zuständig für das streitgegenständliche Verfahren.

11 Das Hinausschieben des Ruhestandes des Antragstellers liegt nach vorläufiger Einschätzung der Kammer auch im dienstlichen Interesse der Antragsgegnerin.
Im Gegensatz zu der allgemeinen Regelung in § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBG, nach der es Aufgabe des Dienstherrn ist, nachzuweisen, dass dienstliche Interessen der Verlängerung des Dienstverhältnisses entgegenstehen, muss ein dienstliches Interesse bei Professoren positiv festgestellt und somit durch den Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Ohne das Vorliegen eines dienstlichen Interesses ist schon das Ermessen der Antragsgegnerin nicht eröffnet. Bei dem Begriff des dienstlichen Interesses handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Allerdings hat das Gericht dabei zu respektieren, dass die dienstlichen Belange vom Dienstherrn in Ausübung des ihm zustehenden Organisationsrechts maßgebend durch verwaltungspolitische Entscheidungen geprägt werden, die nur beschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern (OVG Schleswig, Beschluss vom 24.01.18 – 2 MB 35/17 –, juris Rn. 4; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.12 – 1 Bs 98/12 –, juris Rn. 9; OVG Münster, Beschluss vom 18.04.13 – 1 B 202/13 –, juris Rn. 8 m.w.N.). Ein dienstliches Interesse wird insbesondere dann vorliegen, wenn das Hinausschieben der Altersgrenze nach § 118 Abs. 3 Satz 1 LBG nach der Einschätzung des Dienstherrn aus konkreten besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung notwendig oder sinnvoll erscheint. Dies mag etwa dann der Fall sein, wenn die Bearbeitung der dem betroffenen Beamten übertragenen (komplexen und schwierigen) Aufgaben gerade durch diesen auch noch zu einem nach seinem regulären Eintritt in den Ruhestand gelegenen Zeitpunkt geboten oder sinnvoll erscheint. Dies kann z.B. bei von dem Beamten (mit- ) betreuten Projekten der Fall sein, welche erst nach der für ihn geltenden Regelaltersgrenze abgeschlossen werden können. Im Einzelfall mag sich ein dienstliches Interesse auch daraus ergeben, dass der längere Verbleib des betroffenen Beamten in seiner Behörde deshalb notwendig oder sinnvoll erscheint, weil eine effektive Einarbeitung eines Nachfolgers dies in zeitlicher Hinsicht verlangt. Schließlich wird ein Hinausschieben der Altersgrenze auch etwa dann im dienstlichen Interesse liegen können, wenn noch kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht und die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben durch die Behörde ausnahmsweise einstweilen nur durch eine Weiterbeschäftigung des betroffenen Beamten sichergestellt werden kann oder dies dem Dienstherrn aus anderen, hier nicht näher zu spezifizierenden Gründen als sinnvoll erscheint (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 18.04.13 – 1 B 202/13 –, juris Rn. 12).
12 Gemessen an diesen Maßstäben ist es dem Antragsteller gelungen, das Tatbestandsmerkmal des dienstlichen Interesses glaubhaft zu machen. Er konnte den Vortrag der Antragsgegnerin entkräften, welchen diese noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt hat. Hiernach habe sich das Präsidium eingehend mit der Strategie- und Profilbildung sowie der sich daraus ergebenden Stellenplanung unter den prognostizierten finanziellen Rahmenbedingungen befasst und in Abstimmung mit den Fachbereichen diverse Personalmaßnahmen beschlossen. Für den Fachbereich des Antragstellers sei sich darauf geeinigt worden, dass die Haushaltsstelle der W2-Professur des Antragstellers am 31.12.24 auslaufen wird. Beabsichtigt sei eine stärkere Ausrichtung in die Drittmittel- finanzierte Transferarbeit für den Fachbereich des Antragstellers. Dafür werde eine Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeitenden eingerichtet, die einerseits in der Lehre aktiv mitwirken und andererseits Drittmittelaktivitäten anbahnen soll und als verbindliche, fachliche Anlaufstelle für Industriepartner fungieren kann. Hierfür sei eine Transfer- GmbH in Planung, welche nach dem Vortrag der Antragsgegnerin bereits gegründet wurde. Durch den Einsatz eines wissenschaftlichen Mitarbeiters sei eine Finanzierung bis zum Sommersemester des Jahres 2027 möglich. Damit stützt sich die Antragsgegnerin primär auf personal- und haushaltswirtschaftliche Gründe. Soweit der Antragsteller hinterfragt, wie der Zeitraum von Februar 2025 bis zum Jahr 2027 finanziert werden soll, steht dies im Organisationsermessen der Antragsgegnerin. Zudem ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin durch den Einsatz eines wissenschaftlichen Mitarbeiters anstelle des Antragstellers Haushaltsmittel einsparen kann. Wenn der Antragsteller auf seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen verweist, sind diese zwar als beachtlich anzuerkennen, begründen jedoch für sich genommen kein dienstliches Interesse der Antragsgegnerin. Der Verlust von speziellen fachlichen Kenntnissen und umfassender Expertise ist eine zwangsläufige Folge des Ruhestandes erfahrender Beamter für den Dienstherrn.
13 Der Antragsteller hat jedoch glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auch über den Eintritt des gesetzlichen Ruhestandes hinaus ein dienstliches Interesse daran hat, auf die speziellen Kompetenzen des Antragstellers zurückzugreifen. In der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 118 Abs. 3 LBG (LT-Drs. 19/3541, S. 80) wird ausgeführt, dass ein qualifiziertes Interesse der Hochschulen dann in der Regel gegeben ist, wenn die Sicherstellung der Lehre in dem konkreten Fachbereich sonst nicht gewährleistet ist. Aus der Präsentation des Dekanats des Fachbereichs 1 geht hervor, dass die Stu-dienrichtung 2 „Elektrische Energietechnik“ und weitere Module ohne den Antragsteller in Zukunft nicht mehr angeboten werden können. Die Präsentation ist datiert auf den 03.11.22 und damit zeitlich nach der Stellungnahme des Präsidenten vom 13.10.22 einzuordnen. Wie dieser zu seiner Einschätzung gelangt, dass die weitere Beschäftigung des Antragstellers durch die organisatorischen Veränderungen obsolet sein wird, ist daher nicht nachvollziehbar und wurde auch im gerichtlichen Verfahren nicht weiter begründet. Indiz für das dienstliche Interesse der Antragsgegnerin ist auch das Angebot des Präsidenten, den Antragsteller vom 01.03.20xx bis zum 28.02.20xx als Präsidiumsbeauftragten zu benennen und ihn in diesem Rahmen zu beauftragen, Lehr- und Weiterbildungsveranstaltungen für die Antragsgegnerin durchzuführen. Der Antragsteller hat umfangreich dargelegt, dass er über sehr spezifische Kenntnisse verfügt. Das vollumfängliche Ersetzen des Antragstellers durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter liegt daher fern, dies hat die Antragsgegnerin aber auch nicht behauptet. Es würde aber schon genügen, wenn ein reibungsloses Fortführen der Lehrveranstaltungen gewährleistet ist. Vor dem Hintergrund, dass nicht einmal einen Monat vor Beginn des nächsten Semesters eine Einstellung des wissenschaftlichen Mitarbeiters noch nicht erfolgt ist – Gegenteiliges ist durch die Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden – kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Veranstaltungen des Antragstellers ohne organisatorische Probleme fortgeführt werden. Ferner hat der Antragsteller Rücksprache mit den Mitgliedern des Konvents seines Fachbereichs gehalten. Die vom Präsidenten angekündigten Umstrukturierungen des Fachbereichs sind dort nicht bekannt und im Konvent nicht beschlossen worden. Es ist lediglich beschlossen worden, dass ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl des Prof. Dr. XXX mit einer halben Stelle beschäftigt werden wird. Auch diesem Vorbringen ist die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten.
Soweit die Antragsgegnerin hierzu auf das Protokoll der 99. Sitzung des Konvents des Fachbereichs I Maschinenbau, Verfahrenstechnik und maritime Technologien vom XX.XX.XXXX verweist, ergibt sich auch daraus nichts anderes. In dem Protokoll wird die Nachfolge des Antragstellers angesprochen und hierbei auf die Möglichkeit der Einstellung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters verwiesen; von etwaigen Umstrukturierungen des Fachbereichs ist jedoch keine Rede. Zur Schließung der Lücke durch das Ausscheiden des Antragstellers wurde im Konvent auch die Ausschreibung der Professorenstelle des Antragstellers für die Dauer von XX Monaten angesprochen. Hierzu wurde jedoch überlegt, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass sich jemand auf die Stelle bewerben würde. Auch dies spricht für sich genommen bereits für ein dienstliches Interesse der Antragsgegnerin an der Verlängerung der Dienstzeit des Antragstellers, da sich sein Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandes genau auf den Zeitraum bezieht, in dem die oben genannte Lücke entstehen würde. Zwar hat die Kammer das weite Organisationsermessen der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Es kann jedoch nicht ausreichen,
wenn die Antragsgegnerin sich auf allgemein formulierte Pläne bezüglich etwaiger Umstrukturierungen im Fachbereich des Antragstellers beruft, diese jedoch nicht konkret darlegt. Im Hinblick auf das Erfordernis der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist eine entsprechende Konkretisierung, Festlegung und Dokumentation durch die Antragsgegnerin zu erwarten, jedenfalls in Bezug auf die Fortführung der Lehrveranstaltungen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.03.21 – 5 ME 5/21 –, juris Rn. 21). Aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ergeben sich hierzu keinerlei Erkenntnisse.
Ob und wie ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in Teilzeit, welcher einen Monat vor Beginn des neuen Semesters noch nicht eingestellt ist, die Veranstaltungen des Antragstellers ohne Vorbereitungs- oder Einarbeitungszeit durchführen soll, ist nicht ersichtlich.
Eine Einweisung durch den Antragsteller würde sich grundsätzlich anbieten, hätte aber in Anbetracht des bevorstehenden Eintritts in den gesetzlichen Ruhestand am XX.XX.XXX früher geplant werden müssen.
14 Der Antragsteller hat jedoch keinen Anspruch auf das Hinausschieben des Ruhestandes bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag. Die Entscheidung steht nach § 118 Abs. 3 Satz 1 LBG im Ermessen der Antragsgegnerin. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob die Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Antragsgegnerin hat das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt, da sie bereits das Vorliegen des dienstlichen Interesses auf Tatbestandsseite verneint hat. Damit liegt ein Ermessensausfall vor.
15 Die vom Antragsteller weitergehend begehrte einstweilige Anordnung, seinen Ruhestand bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Antrag hinauszuschieben, kann nicht ergehen. Eine solche Anordnung würde wegen der voraussichtlichen Dauer eines Klageverfahrens die Hauptsache vollständig vorwegnehmen und damit unzulässig in
den Ermessensspielraum der Antragsgegnerin eingreifen (OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.12 – 1 Bs 98/12 –, juris Rn. 18; Beschluss der Kammer vom 22.12.22 – 12 B 49/22 –, juris Rn. 23). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null sind nicht ersichtlich. Die Anordnung war längstens bis zum 28.02.2025 zu begrenzen, da dies dem Antrag des Antragstellers entspricht.
16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
17 Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Die Regelung des § 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG ist hier anzuwenden, weil das Verfahren nur den Zeitpunkt der Versetzung des im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit stehenden Antragstellers in den Ruhestand als einzelnes Element innerhalb des Zurruhesetzungsverfahrens
betrifft, nicht aber die Zurruhesetzung grundsätzlich im Streit steht (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 09.10.19 – 1 B 1058/19 –, juris Rn. 39). Eine Ermäßigung im Hinblick darauf, dass es sich um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt, ist nicht geboten, weil der für die Streitwertbemessung maßgebliche Rechtsschutzantrag faktisch auf die Vorwegnahme der Hauptsache und damit eine endgültige Entscheidung gerichtet ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 05.06.2012 – 1 Bs 98/12 –, juris
Rn. 19; OVG Münster, Beschluss vom 09.10.2019 – 1 B 1058/19 –, juris Rn. 39).
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Michael Bertling
Rechtsanwalt
Gabriele Münster
Rechtsanwältin
Bramfelder Str. 121
22305 Hamburg




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