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Verwaltungsgerichtliches Eilverfahren im Konkurrentenstreit / ergänzende Hinweise

Ein Eilverfahren macht nur Sinn, wenn Sie unter Eignungsgesichtspunkten nicht völlig chancenlos sind.

Das Verwaltungsgericht wird Ihnen nicht helfen, wenn Sie bei korrekter Durchführung des Auswahlverfahrens keine Chance haben, ausgewählt zu werden. Sind Sie von vornherein offensichtlich chancenlos, macht der Streit keinen Sinn. Denn warum sollte man Ihren "Anspruch" sichern, wenn Sie doch letztlich keine Chance hätten, für die Beförderung ausgewählt zu werden?
Man prüft also nicht theoretisch, ob das Auswahlverfahren unter irgend einem Fehler leidet, sondern tut dies nur, wenn möglich erscheint, dass dieser Fehler die eigentlich gegebenen Chancen des Antragstellers vereitelt hat.
Deshalb sollten Sie die ganze Problematik nur dann verfolgen, wenn Sie wirklich der Meinung sind, trotz besserer Eignung nicht ausgewählt worden zu sein.
Richtig ist natürlich andererseits, dass sich oft gar nicht sicher einschätzen lässt, welche Chancen der Einzelne im Bewerberfeld hatte und wie eine neue Auswahlentscheidung ausfallen würde. Vielleicht hilft die Akteneinsicht weiter. Auf jeden Fall ist eine sachkundige Analyse erforderlich. Der Fachmann wird dabei oft Gesichtspunkte entdecken, auf die der Laie nie kommen wird (selbst wenn er unsere Internetseite von A bis Z durchgesehen hat).
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 25.11.15 - 2 BvR 1461/15 - folgendes ausgeführt:

Der verwaltungsgerichtliche Eilrechtsschutz setzt zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs lediglich voraus, dass die Aussichten der Beschwerdeführerin, im Falle eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens zum Zuge zu kommen, offen sind, das heißt ihre Auswahl muss als möglich erscheinen.
(vgl. BVerfGK 6, 273 <275 f.>; 9, 1 <6 f.>).

Die Fachgerichte haben zu der Frage einer offensichtlichen Chancenlosigkeit der Bewerbung der Beschwerdeführerin keine Feststellungen getroffen. Die nunmehr getroffene Einschätzung des BMAS deckt sich nicht mit der Bewertung in der Vorlage der Abteilung Z des Ministeriums an die Hausspitze, in der ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin „noch“ nicht die ausgeprägte Fachkompetenz bewiesen habe, dass sie jedoch über das Potential verfügen dürfte, diese ihr „noch fehlende Fachkompetenz zu einem späteren Zeitpunkt in näherer Zukunft“ zu erfüllen. Die Bewertung schließt mit dem Hinweis, dass die übrigen Voraussetzungen für das Amt einer Vorsitzenden Richterin gegeben seien. Angesichts der so bewerteten Qualifikation der Beschwerdeführerin mögen derzeit ... zwar mehr Gründe gegen ihre Auswahl sprechen. Ihre Ernennung ist aber nicht vollkommen ausgeschlossen.
Abschließend kann die Frage einer „offensichtlichen Chancenlosigkeit“ der Beschwerdeführerin im Auswahlverfahren erst beantwortet werden, wenn eine ordnungsgemäß dokumentierte Auswahlentscheidung vorliegt, anhand derer der Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern nachvollzogen werden kann.

Bestätigt wurde diese Rechtsprechung durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.01.22 - 2 BvR 10/22 -, RN 21.
Zahlreiche gerichtliche Entscheidungen drehen sich um diese Frage.
Beachten Sie bitte:
Bei dieser Chanceneinschätzung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der zukünftigen neuen Auswahlentscheidung einschließlich des dann aktuellen Beurteilungsbildes abzustellen.
Im Streitfall geht es also nicht nur darum, ob Sie bei der angefochtenen Auswahlentscheidung rechtswidrig abgelehnt wurden, sondern auch um Ihre Chancen bei der anzustrebenden Neuauswahl. Diese können zum Beispiel schwinden, wenn gegen Sie ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird oder Ihre gesundheitliche Verfassung (Dienstfähigkeit) sich verschlechtert.

Wenn ein Eilverfahren angestrengt wird: Akteneinsicht als wichtige Grundlage / Dokumentationspflicht

Eine genauere Chancenbewertung ist frühestens dann möglich, wenn Einblick in die Akten des Auswahlverfahrens genommen werden kann. Selbst dann bleiben noch viele Unwägbarkeiten, aber vor Einsichtnahme in die Akte kann Ihnen ein Anwalt in der Regel nicht sicher sagen, ob Verfahrensfehler vorliegen und wie Sie unter Leistungsgesichtspunkten in die "Rangliste" der Bewerber eingereiht werden müssten.
Bisweilen gewähren die Dienstherren schon im Vorfeld des Eilverfahrens Akteneinsicht, aber das ist nicht immer garantiert.

Wir halten es für wichtig, Akteneinsicht zu nehmen.

Im Hinblick auf das Eilverfahren gilt folgendes:
"Bei einem Rechtsstreit des unterlegenen Konkurrenten um einen Dienstposten oder ein höherwertiges Statusamt muss es der erfolgreiche Bewerber grds. hinnehmen, dass die entscheidungserheblichen Unterlagen aus der Personalakte im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes dem Gericht vorgelegt werden. Aus der Vorlage an das Gericht folgt gem. § 100 VwGO auch das Recht des klagenden Bewerbers auf Einsichtnahme in die vorgelegten Unterlagen."
(Zitat aus Kugele, BBG - Kommentar, § 111 RN 11)

Wie das Eilverfahren endet: Was bedeutet, das Eilverfahren "zu gewinnen"?

Das Gericht entscheidet in seinem die Instanz abschließenden Beschluss nicht selbst, wer zu befördern ist.
Kaum jemals wird das Gericht deutlich für eine bestimmte Person Stellung beziehen.
Es geht im Eilverfahren vielmehr nur darum, das Auswahlverfahren offen zu halten.
Zu diesem Zweck wird das Gericht ggf. die Beförderung des / der ausgewählten Beamten oder vielleicht schon die Umsetzung auf den Beförderungsposten vorläufig untersagen und in Bezug auf die Auswahlentscheidung eine Neubescheidung anregen.
Außerordentlich beachtenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.22.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.09.22 - BVerwG 1 WB 37.22 -

RN 17
aa) Die rechtskräftige Entscheidung des Senats vom 25.02.21 enthält keine Vorgaben zu dem zeitlichen Rahmen, in dem die neue Auswahlentscheidung zu treffen war. Durch den vom Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt gewählten Zeitraum hat er sich damit nicht über die Bindungswirkung des Beschlusses hinweggesetzt.
RN 18
Aus der Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsgewalt des Dienstherrn folgt, dass es ihm im Grundsatz obliegt, nicht nur darüber zu entscheiden, ob und wann er welche Statusämter bzw. hier Dienstposten vorhält, sondern – im Rahmen einer angemessenen Ausgestaltung des Auswahlverfahrens – auch, wann er diese endgültig besetzen will (vgl. – auch zum Folgenden – BVerwG, Urteil vom 17.11.16 - 2 C 27.15 - BVerwGE 156, 272 Rn. 35 m. w. N.). Die organisatorische Entscheidungshoheit des Dienstherrn über die zeitliche Dimension einer Stellenbesetzung wird somit – abgesehen von Missbrauchsfällen – nicht durch subjektive Rechtspositionen eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch auf eine "zügige Durchführung" des Auswahlverfahrens oder auf eine Entscheidung über die Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt (BVerwG, Beschluss vom 27.07.22 - 1 W-VR 7.22 - juris Rn. 22).
RN 19
bb) Eine mangelhafte Umsetzung der Vorgaben des Beschlusses vom 25.02.21 liegt auch nicht darin, dass der Dienstherr die neue Auswahlentscheidung innerhalb eines neu bestimmten Kandidatenfeldes traf.
RN 20
Nach der Rechtsprechung des Senats tritt nach einer Aufhebung der Auswahlentscheidung keine "Festschreibung" auf den der ursprünglichen Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Bewerberkreis ein (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26.04.18 - 1 WB 23.17 - juris Rn. 26 und vom 27.07.22 - 1 W-VR 7.22 - juris Rn. 19). Maßgeblich nach der Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens ist nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ersten (aufgehobenen), sondern der zweiten, noch zu treffenden Auswahlentscheidung (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 25.09.12 - 1 WB 44.11 - juris Rn. 27 und vom 29.04.16 - 1 WB 27.15 - Rn. 18 m. w. N.). Das bedeutet auch, dass gegebenenfalls ein neues Bewerberfeld und das jeweils aktuelle Beurteilungsbild der zu betrachtenden Bewerber für die neue Auswahlentscheidung in den Blick zu nehmen sind (BVerwG, Beschlüsse vom 06.10.15 - 1 WDS VR 1.15 - Rn. 33 und vom 29.04.16 - 1 WB 27.15 - Rn. 18). Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Rechtskraftwirkung des Bescheidungsbeschlusses vom 25.02.21 (BVerwG 1 WB 15.20), weil darin von der Beibehaltung des Kandidatenfeldes der Auswahlentscheidung vom 23. 01.20 nicht die Rede ist.


Ähnlich eine etwas ältere Entscheidung: 
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.12 (2 VR 5.12).


Die Dienstherren pflegen sich daran zu halten, dass mit Einleitung eines Eilverfahrens bis zu dessen Abschluss Beförderungen nicht erfolgen sollen.
Bisweilen gibt es allerdings auf Seiten von Dienstherren unfeines oder unkoordiniertes Verhalten, was dann zu gerichtlichen Entscheidungen folgenden Inhalts führt:
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.12.21 - 4 S 28/21 -
Leitsatz
Wenn ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in zweiter Instanz anhängig ist, darf der Dienstherr nicht einzelne von mehreren Beförderungskandidaten befördern, es sei denn, der Antragsteller stimmt dem zu.

Aus den Gründen der Entscheidung:
RN 6
...
Denn der Dienstherr darf einen ihm günstigen Beschluss erster Instanz nicht zum Anlass nehmen, die von ihm Ausgewählten mit einer Ausnahme zu befördern (Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2018, Kap. 6 Rn. 7 ff.).
Er ist vielmehr gehalten, den Ausgang eines (möglichen) Beschwerdeverfahrens und eines (möglichen) Verfassungsbeschwerdeverfahrens abzuwarten (BVerwG, Urteil vom 04.11.10 – 2 C 16.09 – Rn. 33 ff., insbesondere Rn. 36; bestätigt durch Urteil vom 13.12.18 – 2 A 5.18 – Rn. 28; zur Wartefrist Beschluss vom 08.12.11 – 2 B 106.11 – Rn. 10).
Da bis zum Verfahrensabschluss offen ist, ob ein Auswahlfehler vorliegt und welcher Art er ist, kann sich eine Rangliste im Anschluss an eine gegebenenfalls notwendige Fehlerkorrektur noch erheblich ändern.


Die Vollziehung der einstweiligen Anordnung

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Ohne sachkundige Hilfe wird es nicht gehen!

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Beteiligung des ausgewählte Bewerbers / der ausgewählten Bewerberin am Streit: Beiladung

Die Position des ausgewählten Bewerbers (m/w/d). Beteiligung als Beigeladene(r)
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Leistungsprinzip Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage
Eilverfahren Eilverfahren im Beförderungsstreit Eilverfahren 2 Gerichtliche Zuständigkeit BVerfG - 2 BvR 1586/07 - BVerfG - 2 BvR 1846/07 - BVerfG - 2 BvR 706/09 Zum Anordnungsgrund BVerwG 10.05.16 - 2 VR 2.15 BVerwG 21.12.16 - 2 VR 1.16 - Sehr klar: VG Schleswig 12.09.19 VGH BW 27.07.16 OVG Lüneburg 03.01.17 OVG BB 05.01.17 VGH München 09.01.17 VGH Kassel 28.04.17 VG Wiesbaden 20.03.17 OVG Rh-Pf 05.05.17 Beteiligter im Eilverfahren Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Persönlichkeitstest BIP Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Rechtsprechung Bundeslaufbahnverordnung